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# taz.de -- Straßenfest für Geflüchtete: Borschtsch und Diskokugel
> Die Bedingungen in der Tegeler Geflüchtetenunterkunft sind kaum
> menschenwürdig. Bei einem Fest am Freitag gab es zumindest einen Moment
> zu Aufatmen.
Bild: Auch Verschönern lassen konnte man sich auf dem Fest in Tegel
Berlin taz | Während am anderen Ende von Berlin gerade Olaf Scholz auf Joe
Biden trifft und die Stadt unter ausfallenden Zügen ächzt, herrscht am
ehemaligen Flughafen Tegel ausgelassene Stimmung: Verschiedene Initiativen
haben zu einem Straßenfest für Bewohner:innen und
Unterstützer:innen der Geflüchtetenunterkunft in Tegel geladen. Es
sind vor allem Familien mit Kindern gekommen, viele von ihnen aus der
Ukraine. Die Kinder flitzen mit Bobbycars umher, ein Fußball fliegt über
das Gelände. Im Hintergrund läuft ukrainische Musik, und von der Decke
eines Zelts baumelt eine Diskokugel.
Organisiert wird das Fest am Freitag von der Initiative Tegel Assembly, ein
Unterstützer:innenkreis des Tegel-Camps, der sich einmal im Monat zu
einem Austauschtreffen trifft. Auch die kurdische Initiative Alan Kurdi und
verschiedene antifaschistische Organisationen gehören dazu. Das heutige
Ziel: Geflüchtete und nicht-geflüchtete Menschen miteinander in Kontakt zu
bringen, Hilfe und Unterstützung anbieten – und einfach eine gute,
unbeschwerte Zeit haben.
Anstelle des sonst berüchtigt schlechten Essen im Tegeler Camp gibt es
heute kurdische und ukrainische Küche. Auf einem fahrenden Kochmobil kocht
eine Küfa-Initiative Borschtsch, nebenan serviert Alan Kurdi Couscous und
Salat. „Wir hoffen, es schmeckt heute allen besser als im Camp“, sagt Borya
Pospelov, einer der Köche.
Um endlich einmal wieder gut zu essen, ist heute auch Andii Kpaievskyi
gekommen. Seit sechs Wochen ist er mittlerweile in der Tegeler Unterkunft,
am liebsten würde er sie schnellstmöglich wieder verlassen und in eine
eigene Wohnung ziehen. In der Ukraine habe er als Volksmusik-Sänger
gearbeitet, erzählt er. In der Unterkunft lagen Flyer für das Straßenfest
aus, und es sei schön, auch mal aus dem Camp herauszukommen.
Ein Shuttle-Bus bringt die Bewohner:innen von der Unterkunft zum Fest.
Denn das findet auf dem sogenannten Turbulence-Gelände statt, der
ehemaligen Frachtkantine des Flughafens. Ein Jahr lang hat ein Kollektiv
hier Events und Raves ausgerichtet, am Samstag schließt der
Veranstaltungsort seine Pforten. Auf dem Flughafengelände übrig bleiben
dann ein Co-Working-Space und mehrere Green-Energy-Unternehmen. Berliner
Start-up-Kultur unweit des Tegel-Camps, das trotzdem weiter weg nicht sein
könnte.
## Menschenunwürdige Zustände
Denn dort, wo früher einmal Flugzeuge in alle Welt starteten, ist nun
Deutschlands größte Unterkünfte für Geflüchtete. Etwa 5.500 Menschen leben
hier – sofern man von „leben“ sprechen kann. Die meisten von ihnen stammen
aus der Ukraine, aber auch aus Afghanistan, der Türkei, Syrien, Vietnam und
Moldau. Das Lager war bei der Eröffnung 2022 dafür geplant, kurzfristig
Geflüchtete aus der Ukraine unterzubringen. Wenige Tage lang, wohlgemerkt,
nicht etwa mehrere Monate, wie es mittlerweile oft der Fall ist. Eine
ukrainische Familie erzählt auf dem Fest, dass sie mit 14 Menschen und
einem Hund im Zelt schlafen. Für ihre kleine Tochter sei das besonders
schlimm.
Immer wieder wird über katastrophale Hygiene, Isolation der
Bewohner:innen vom Rest der Stadt und schlechte Gesundheitsversorgung
berichtet. Die Zustände in der Unterkunft sind menschenunwürdig – darüber
sind sich eigentlich alle einig. Allen Missständen zum Trotz schließt
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner derzeit nicht aus, die
Unterkunft in Tegel nochmals zu erweitern. Die Wahrscheinlichkeit, dass die
Zahlen dort noch steigen werden, sei „sehr, sehr groß“, sagte der
CDU-Politiker am Mittwoch.
Dabei kämpfen Initiativen, wie auch die Tegel Assembly, immer wieder um die
Abschaffung des Camps. Sie fordern, die Geflüchteten dezentral in Wohnungen
unterzubringen, sie bei einem selbstbestimmten Leben in Berlin zu
unterstützen. „Langfristig ist unser Ziel, dass niemand mehr im Tegel-Camp
wohnen muss und Menschen richtig in Deutschland ankommen können“, [1][sagte
Tegel Assembly-Aktivistin Hanna Schwarz] kürzlich der taz.
Doch so lange dieses Ziel noch in weiter Ferne ist, will die Initiative
zumindest die Situation vor Ort verbessern und den Anliegen der
Geflüchteten Gehör verschaffen. Das Straßenfest soll dabei nur ein Anfang
sein.
19 Oct 2024
## LINKS
[1] /Fluechtlingscamp-in-Tegel/!6040051
## AUTOREN
Katharina Wulff
## TAGS
Flughafen Tegel
Unterbringung von Geflüchteten
Schwerpunkt Flucht
taz Plan
Schwerpunkt Flucht
Geflüchtete
Unterbringung von Geflüchteten
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