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# taz.de -- Das AEG-Gelände in Nürnberg: Vom Schauwert einer alten Marke
> Wo die AEG einst ihre Geräte produzierte, gibt es in Nürnberg heute einen
> Showroom. Dieses „Home of AEG“ ist aber nicht für alle offen.
Bild: Ein kleiner Einblick in eine lange AEG-Geschichte
Nürnberg taz | Aus Erfahrung gut. So hieß der Slogan, mit dem die AEG ab
1958 selbstbewusst für ihre Waschmaschinen, Herde und Kühlschränke warb.
„Für alle, die mehr erwarten“, steht heute auf der Fensterfront in der
Fürther Straße 246 im Nürnberger Westen, wo der Elektroweltkonzern einst
produzierte. Und zwar 85 Jahre lang, bis 2007 der durchaus profitable
Standort geschlossen wurde und 1.750 Beschäftigte ihre Arbeit verloren.
Weil der schwedische Mutterkonzern Electrolux, [1][der die AEG 1996
geschluckt hatte], anderswo mehr Gewinn machen konnte.
## Vom Streik ist nicht die Rede
46 Tage lang kämpfte damals die Belegschaft streikend für den Standort, an
dem zeitweise über 5.000 Menschen tätig waren. Davon aber steht kein Wort
im Showroom, den Electrolux – die von Nürnberg aus weiter Produkte der
Marke AEG vertreibt – vergangenes Jahr aufpolieren ließ. „Home of AEG“
lautet das Motto der Selbstinszenierung mit großzügigen Nischen, in denen
aktuelle Hightechgeräte fürs Waschen, Kochen oder Kühlen neben langen
Konferenztischen samt noblem Sitzmobiliar präsentiert werden.
Bei der Eröffnung sprach das Unternehmen von einem „bedeutenden
Meilenstein“. Nicht zu überhören war, dass Electrolux verstanden hatte,
dass es nicht so klug war, die AEG kleinzumachen. Von einer „Premiummarke“
war die Rede, der neue AEG-Showroom solle eine „Plattform“ sein: „für den
intensiven Austausch mit Partner:innen als auch eine einzigartige
Gelegenheit für Besucher:innen, in die AEG-Welt einzutauchen.“
Wer diese Worte allerdings als Einladung versteht und erwartungsvoll durch
die gläserne Drehtür geht, wird schnell vom Portier gestoppt. Die kunstvoll
drapierten Waschmaschinenreihen dürfen nur ausgewählte Gäste inspizieren,
die eine Einladung oder einen Firmenausweis mitbringen. Auch die schicke
Espressobar darf man nur aus der Ferne bewundern, ein Heißgetränk kriegt
man nicht einmal serviert, wenn man es bezahlen würde.
Der Besuch der neuen AEG-Heimat ist eine Enttäuschung. Eine etwas
freundlicher gestimmte Dame am Empfang gewährt immerhin einen Blick auf
zwei PR-Tafeln mit einer kleinen Chronik über die Nachhaltigkeit der
AEG-Produkte vom ersten Lavamat mit Energiesparprogramm anno 1976 bis zur
EcoLine 2023. Da die Electrolux-Zentrale auf taz-Anfragen nicht reagiert,
bleibt am Ende nur der Blick durch die Schaufenster – an Erwartungen
gescheitert, könnte man sagen.
Im früheren Werksgebäude 31, wo neben Produktion, Logistik und Büros auch
die Endkontrolle angesiedelt war, hatte Electrolux ein Jahr nach dem Aus
der Produktion in Nürnberg die Deutschlandzentrale eingerichtet –
untergebracht auf einem Bruchteil des insgesamt 168.000 Quadratmeter großen
Industriegeländes. Dort stößt man dann neben dem Showroom auf viel neues
Leben, das sich nach dem Verkauf des Geländes an einen Immobilienentwickler
ab 2008 schrittweise ansiedelte.
Am Anfang bekamen Künstler:innen billige Ateliers, mit Ausstellungen
durften sie leerstehende Hallen füllen. Ein paar Skulpturen sind aus dieser
Zeit geblieben, die meisten Kreativen mussten aber weiterziehen, als
Unternehmen wie Siemens und Adidas, diverse Start-ups und Hochschulen auf
dem Gelände einzogen. Tagsüber riecht es nach asiatischem Essen und
frischen Espressobohnen. Durch viele Fenster sieht man in Labore, wo nach
Wegen für eine effizientere Erzeugung und Nutzung von Energie gesucht wird.
Nach Feierabend wird indoor gesportelt, in der „[2][Kulturwerkstatt Auf
AEG]“ erklingen Instrumente der kommunalen Musikschule.
## Ein Masterplan für die Zukunft
Während das südliche AEG-Areal quasi komplett vermietet ist und bereits
weiterverkauft wurde, steht der Wandel im Norden noch bevor. Das Büro der
[3][Gehl Architects aus Kopenhagen] hat einen Masterplan für ein
zukunftsweisendes Wohnviertel entworfen – die Erdarbeiten laufen, 2025 soll
gebaut werden. Bagger bevölkern schon heute die noch halbherzig gestaltete
Fahrradstraße.
Alles genau im Blick hat Christian Keimel, der als einer der ersten Mieter
bei der zentralen Zufahrt an der Muggenhofer Straße das Café Pforte
eröffnete. Die weißen Regale sind ebenso geblieben wie der gläserne Rahmen,
den über hundert Lampen kunstvoll erleuchten. Die „Pforte“ ist eine
Institution geworden, was vielleicht auch daran liegt, dass Kuchen und
Mittagessen auf Originaltellern mit rotem AEG-Signet serviert werden.
Hinter der Theke erinnert ein Aufkleber mit den Worten „Statt Zerschlagung:
AEG muss bleiben“ an den großen Streik von 2006. Und an der Fassade der
Pforte findet man ein rotes Quadrat mit der altbekannten AEG-Botschaft: Aus
Erfahrung gut.
26 Oct 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/AEG
[2] https://www.aufaeg.de/community/kulturwerkstatt-auf-aeg/
[3] /Architekt-ueber-die-Staedte-der-Zukunft/!5403802
## AUTOREN
Jo Seuß
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