| # taz.de -- Die Wahrheit: Gewöhnliche Menschen auf Pferden | |
| > In England ist die Fuchsjagd mittlerweile verboten. In Irland jedoch | |
| > nicht! Also gibt es genügend Fuchsjagdtourismus auf der grünen Insel. | |
| Plötzlich rannte eine Hundemeute an unserem Küchenfenster vorbei, gefolgt | |
| von bewaffneten Männern in roten Mänteln mit Messingknöpfen auf Pferden. | |
| Das Ensemble hetzte offenbar einem Fuchs hinterher. Da wir keine Erlaubnis | |
| gegeben hatten, „das Grundstück zum Zwecke der Jagd auf ein Tier zu | |
| betreten oder eine Feuerwaffe mit sich zu führen“, wie es im Gesetzestext | |
| heißt, handelte es sich um eine Straftat, aber bevor wir die Kaffeetassen | |
| abgesetzt hatten, war die Meute schon über die Mauer am Ende unserer Wiese | |
| gehüpft. | |
| Die Fuchsjagd mit Hunden hat ihren Ursprung im 16. Jahrhundert in England, | |
| wurde dort jedoch 2005 verboten. Seitdem werben Eventagenturen für die Jagd | |
| auf der Nachbarinsel: „Haben Sie schon einmal davon geträumt, an einer | |
| irischen Fuchsjagd teilzunehmen? Wir können für Sie eine aufregende Jagd im | |
| Westen Irlands organisieren. Kommen Sie und sehen Sie, wie die eifrigen | |
| Hunde den Fuchs jagen, und reiten Sie auf einem tapferen irischen Pferd!“ | |
| Pferdestärken seien der Schlüssel: Napoleon hatte ein irisches Pferd, | |
| Wellington ebenso. „Irische Pferde nehmen Dinge in Angriff, die englische | |
| Pferde für unsinnig halten würden“, heißt es in der Werbung. | |
| Am 1. November beginnt die Jagdsaison auf Hirschkühe und Hirschböcke, schon | |
| für 1.800 Euro kann man dabei sein. Inzwischen tauschen Großbritanniens | |
| Eliten jedoch vornehme Zeitvertreibe wie die Jagd gegen schlichtere Hobbys | |
| wie Fußball und Biertrinken. Jedenfalls tun sie in der Öffentlichkeit so, | |
| schreiben die Soziologen Sam Friedman und Aaron Reeves von der London | |
| School of Economics, die eine Studie über die oberen Gesellschaftsschichten | |
| Großbritanniens verfasst haben. Etwa 80 Prozent der als Elite bezeichneten | |
| Personen sind Männer, und sie sind zu 96,8 Prozent weiß. | |
| Diese Menschen zeigen sich gern in „schäbiger Verkleidung als gewöhnliche | |
| Menschen“, um nicht als versnobbt zu gelten. Mehr als 40 Prozent der | |
| Befragten logen über ihre Herkunft und behaupteten, ursprünglich aus der | |
| Arbeiterklasse zu stammen. Viele bezogen sich auf irgendwelche Urahnen, die | |
| vor mehreren Generationen „gewöhnliche Menschen“ waren. | |
| ## Beliebt | |
| „Diese Gewöhnlichkeit ist in der Öffentlichkeit sehr beliebt, weil es bei | |
| der Bevölkerung besser ankommt“, sagt Friedman. Aber die in Oxford | |
| ausgebildeten ehemaligen Premierminister wie „Nenn mich einfach | |
| Dave“-Cameron und Rishi Sunak, der behauptete, sein Lieblingsessen seien | |
| Sandwiches, haben nicht den blassesten Schimmer davon, wie „gewöhnliche | |
| Menschen“ leben und gelebt haben. | |
| Demnächst werden also keine Herrenreiter auf irischen Pferden an unserem | |
| Küchenfenster vorbeigaloppieren, nein, besoffene, kettenrauchende Engländer | |
| aus der Oberschicht werden vorbeikriechen und in unseren Garten kotzen, um | |
| Zugehörigkeit zum gemeinen Volk vorzugaukeln. | |
| 28 Oct 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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