# taz.de -- Jonas Kuckuk ist gestorben: Der „Böhnhase“ steigt nicht mehr a… | |
> Jonas Kuckuk war Reetdachdecker ohne Ausbildung und kämpfte gegen den | |
> Meisterzwang. Sein Leben lang wehrte er sich gegen Ungerechtigkeiten. | |
Bild: Ein Freigeist: Jonas Kuckuk | |
Bremen taz | Jonas Kuckuk war erst 15, als die Göttinger Polizei ihn aus | |
dem Geschichtsunterricht holte (Thema: Nazi-Methoden). Sie durchsuchte die | |
elterliche Wohnung und beschlagnahmte eine von ihm verantwortete | |
Schülerzeitung – wegen nachgedruckter Auszüge aus einer Broschüre von | |
Linken, die durch illegale Polizeifunk-Mitschnitte aufgedeckt hatten, dass | |
die Polizei monatelang Göttingens links-alternative Szene bespitzelt hatte. | |
Doch Jonas ließ sich nicht einschüchtern. Sein Leben lang wehrte er sich | |
gegen Ungerechtigkeiten. Als Reetdachdecker ohne Ausbildung engagierte er | |
sich im „Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker“ (BUH) | |
mit Sitz in Verden gegen den Meisterzwang: Für Dutzende von Berufen ist ein | |
Meisterbrief Vorschrift. | |
Ein Unding für einen Freigeist wie BUH-Mann Kuckuk, der sich niemandem | |
unterordnen mochte. Er ärgerte sich schwarz darüber, dass freie | |
HandwerkerInnen wegen fehlender Meisterbriefe sogar als „Schwarzarbeiter“ | |
verfolgt wurden, obwohl sie brav Steuern zahlten. | |
Mit Protestaktionen und Lobbyarbeit trug er dazu bei, dass 2004 tatsächlich | |
bei einigen Berufen die Meisterpflicht gestrichen wurde.Ihn selbst schützte | |
ein Reisegewerbeschein. Mit einem Pickup fuhr er durchs Bremer Umland und | |
suchte nach kaputten Reetdächern. Hatte er Glück, bekam er an der Haustür | |
den Auftrag zum Flicken. | |
## Shiatsu-Massage und Jugendsozialarbeit | |
Kuckuk sah sich in der Tradition der „Böhnhasen“ („Böhn“ ist Plattdeu… | |
für „Dachboden“), jener zunftlosen Handwerker, die sich für Gewerbefreihe… | |
einsetzten. Nebenbei gab er Kurse in Shiatsu-Massage, war Mitbegründer | |
einer freien Schule in Verden und arbeitete drei Jahre in einem | |
400-Euro-Job als Jugendbeauftragter in Langwedel – laut Lokalpresse als | |
„forscher und lautstarker Streiter für mehr Jugendsozialarbeit“. | |
Kurz danach, 2008, wurde er aus seinem bunten Leben gerissen: Aorta-Riss am | |
Herzen, wochenlanges Koma. Er kam wieder auf die Beine, zeitweilig sogar | |
zurück aufs Dach. Und ging in die Politik: anfangs bei der Piratenpartei, | |
dann bei der Satire-„PARTEI“; für sie kandidierte er sogar bei den Bremer | |
Bürgerschaftswahlen 2015 und 2019. | |
So beharrlich er sich für Schwächere und für [1][Gerechtigkeit] einsetzte: | |
Der schlanke Mann mit der hohen Stirn und den krausen Locken wirkte nicht | |
verbissen, sondern zugewandt und humorvoll. | |
Sein Widerspruchsgeist wurde schon im Elternhaus geprägt: Seine Mutter, die | |
Lehrerin und Autorin Karin Kuckuk, wandte sich in Göttingen gegen | |
[2][Rechtsextremismus] und [3][Polizeiübergriffe]. Sein Vater war der linke | |
Historiker Peter Kuckuk, Experte für die Bremer Räterepublik. | |
Sechs Jahre nach seinen Eltern ist jetzt, nach längerem Leiden, auch Jonas | |
Kuckuk gestorben, mit nur 58 Jahren. Seine zeitweilige Lebensgefährtin, | |
deren Tochter und der gemeinsame Sohn schrieben in ihrer Todesanzeige: | |
„[4][Käpt’n Blaubär, wir verneigen uns vor deinen 13 ½ Leben]“ – eine | |
Anspielung darauf, dass er für die Kinder einst Geschichten erfunden hatte | |
– wie der Lügenbär im Walter-Moers-Roman „Die 13 ½ Leben des Käpt’n | |
Blaubär“ – aber auch eine Würdigung seines vielfältigen Lebens. | |
22 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Eckhard Stengel | |
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