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# taz.de -- Ungeliebter Fußballer Erling Haaland: Superstar wider Willen
> Der norwegische Stürmer Erling Haaland ist weltweit der Beste auf seiner
> Position und dennoch fliegen ihm die Sympathien nur spärlich zu. Warum
> nur?
Bild: Immer schneller, höher, weiter: Eigentlich macht Erling Haaland immer al…
Niemand liebt Erling Haaland. Na ja, gut, ein paar seiner Peers –
Partner*in, Eltern, Freund*innen – werden ihn sicher lieben, sonst hätte
er nicht dieses unverschämt uneitle, unverblümte und unvoreingenommene
Lächeln drauf, das man ihm bei all seiner Kantigkeit trotzdem abnimmt –
oder gerade deswegen. Es ist durchaus erstaunlich, dass ein Spieler, der
unbestritten der Beste auf seiner Position ist, derart wenig Zuneigung
erfährt. Sieben Thesen dazu:
1. Haaland ist der Antipode zum Terminator: Er ist überaus zugänglich,
liebenswert, dabei aber auf dem Feld genau diese Mensch-Maschine, die
Schläge und Tritte der Verteidiger ohne weiteres schluckt, ja noch nicht
einmal von ihnen angefasst wird. Er ist immer schneller, höher, weiter,
aber halt ohne den Bruch, [1][den solche Overperformer] miteingeschrieben
haben sollten; eigentlich glauben ihm die meisten seine Fabelquoten nicht.
Er ist das Gegenteil eines 90er-Jahre-Helden und dabei aber [2][Sylvester
Stallone.] Die Älteren misstrauen ihm deswegen.
2. Erling Haaland ist ein Arbeitstier. Die Unverwüstlichkeit seines Körpers
und seines sonnenscheinigen Wesens müsste doch eigentlich aufgehen in einer
Art Gemeinheit, die den Grund dieses überambitionierten Einsatzes
darstellt: irgendeine Art von Trauma, von Bruch. Bei Haaland ist da aber
überhaupt nichts zu finden. Er pflügt die Erde und freut sich der
Kartoffeln, die er dann erntet. Haaland ist ein Arbeiter, dessen Fehler
ist, viel zu gut bezahlt zu werden.
3. Und von wem? [3][Von Manchester City.] Würde er in Liverpool spielen
oder bei den Bayern, es gäbe sicher Leute, die ihn bedingungslos liebten.
Aber Haaland ist bei all seiner Erdigkeit eben doch kein Romantiker;
niemand in diesen Sphären ist das. Er sieht sich bei ManCity wertgeschätzt,
vielleicht wie ein Pfleger, der links ist, aber trotzdem bei einem
katholischen Pflegeheim anheuert: Wenn Haaland ein Arbeiter ist, dann ist
er kein Unionist, kein Gewerkschafter.
4. Die Dekade davor haben Spieler bestimmt, deren Rolle uneindeutiger war
als Haalands. Haaland ist der Vollstrecker, Haaland ist die
Tastenkombination, die bei Mortal Combat den angeschlagenen Gegner komplett
zerlegt. Davor waren zehn oder fünfzehn Jahre lang Spieler entscheidend,
die selbst Regie geführt haben, das Spiel gelesen, interpretiert und
gesteuert haben. Mit dem Niedergang des Autorenfilms sind ausgerechnet im
Fußball diese Figuren aufgetaucht, die den Fußball besser verstanden als
alle, die draußen standen; wenn man sieht, [4][wie Messi] seine Mitspieler
coacht, um sich Raum zu machen, welches tiefe Verständnis er von Raum und
Timing hat zum Beispiel, da wirkt Haaland freilich grobschlächtig.
5. Haaland ist ein Superstar wider Willen (noch). Eigentlich macht er nur
das gut, was von ihm verlangt wird: mit einer Unbedarftheit, die gerne
Naturgewalt genannt wird, Bälle ins Netz zu schießen. Er will (noch) gar
nicht mehr bedeuten. Sein Erfolg aber verdammt ihn zu mehr: Was er macht,
muss über ihn hinausweisen. Dabei ist sein eigentliches Geheimnis, dass er
sich keinen Kopf macht: Aber das Publikum will ihn halt fressen wie Kronos,
den Zeus fast fraß.
6. Was aber stimmt: Haaland ist nicht gemacht für Niederlagen. Neulich
verlor Norwegen 5:1 gegen Österreich, und Haaland enthielt sich jedes
Statements. Tore sind sein Beritt, Gegentore nichts, wozu er etwas sagen
kann. Haaland ist nur dann Held des Fußballs, nur dann Held der
Arbeiterklasse, wenn er vollständig strahlen darf und nicht durch das
Ergebnis in Frage gestellt wird.
7. Und trotz all der Konflikte, die er auf sich zu nehmen sich weigert,
bleibt er unverschämt gut und vor allem effizient. Seine Ein-Eindeutigkeit
macht, dass er nicht geliebt wird; ich hoffe, das ist ihm so lange wie
möglich egal.
16 Oct 2024
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## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Kolumne Helden der Bewegung
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Fußball
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