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# taz.de -- Israelische Offensive auf Gaza: Vertreiben und abriegeln
> Die israelische Armee weitet die Kämpfe im Norden des Gazastreifens
> massiv aus. Dahinter könnte eine extreme Taktik stecken.
Bild: Samt Katze und Matratze: Palästinenser flüchten am Samstag aus der Stad…
Jerusalem taz | Während die Welt auf den Krieg im Libanon schaut, hat die
israelische Armee im Norden des [1][Gazastreifens] eine große Offensive
gestartet und am Wochenende ausgeweitet. Palästinensische Rettungskräfte
berichteten von mindestens 29 Getöteten alleine zwischen Samstag und
Sonntagmorgen. Die von Israel ausgerufene Evakuierungszone wurde mehrfach
ausgedehnt und erstreckt sich nun auf rund die Hälfte des nördlichen
Küstenstreifens.
Die israelische Armee teilte mit, mehr als 20 „Terroristen“ bei
Feuergefechten und Luftangriffen getötet zu haben. Der Einsatz solle einen
„Wiederaufbau“ der Hamas-Strukturen dort verhindern. Auf Bildern von
Nachrichtenagenturen aus Dschabalia sind auch mehrere Kinderleichen zu
sehen.
Das Vorgehen der israelischen Armee könnte im Zusammenhang mit dem
sogenannten Plan der Generäle stehen, einer von einer Gruppe hochrangiger
Ex-Offiziere bereits im April vorgeschlagenen Taktik, die in den
vergangenen Wochen in Israel diskutiert wurde. Der Vorschlag des früheren
Nationalen Sicherheitsberaters Giora Eiland und anderen sieht vor, zunächst
alle Zivilisten aus dem Norden Gazas zu vertreiben.
Anschließend soll das Gebiet zur „geschlossenen Militärzone“ erklärt und
von jedem Nachschub abgeriegelt werden. Verbliebene Hamas-Kämpfer und
Zivilisten hätten dann die Wahl, [2][erläuterte Eiland in einem Video von
Anfang September: „Sich zu ergeben oder zu verhungern.“] Regierungschef
Benjamin Netanjahu erwog den Plan laut Medienberichten Ende September
zusammen mit anderen Vorschlägen und bezeichnete ihn dem israelischen
Sender Kan zufolge als „sinnvoll“. Vieles deutet darauf hin, dass die Armee
zumindest Teile davon nun in die Tat umsetzt. Die Armee antwortete auf eine
Nachfrage bis Redaktionsschluss nicht.
## Versorgung kaum noch möglich
Zehntausende sind seit vergangener Woche aus ihren Unterkünften geflohen.
Ein großer Teil der Bewohner aber will den Norden nicht verlassen. Der als
„humanitäre Zone“ ausgewiesene Küstenstreifen um Al-Mawasi bei Chan Yunis
ist bereits jetzt so überfüllt, dass laut Hilfsorganisationen eine
Versorgung der Menschen kaum noch möglich ist. Viele fürchten, wegen
wiederholter Luftangriffe auf die Schutzzone, auch dort nicht sicher zu
sein. Andere bleiben, weil verletzte oder alte Angehörige nicht in der Lage
sind zu gehen. Die Hamas warnte die Bewohner in einer eigenen Mitteilung
davor, in den Süden zu fliehen. Nach UN-Schätzungen hielten sich zuletzt
noch rund 400.000 der einst 1,4 Millionen Bewohner im Norden des
Küstenstreifens auf.
Das UN-Welternährungsprogramm WFP teilte mit, die Zugänge nach Nordgaza
seien geschlossen. Seit dem 1. Oktober habe keine Nahrungsmittellieferung
das Gebiet erreicht. Ein Angriff der Armee habe die einzige noch
funktionierende Bäckerei im Norden zerstört. Die Offensive trifft eine
Bevölkerung, die nach einem Jahr Krieg oft bereits mehrfach vertrieben
wurde.
Laut dem UN-Nothilfebüro OCHA wurden zusätzlich zu der Blockade seit dem
Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 rund 68 Prozent der Anbauflächen in Gaza
zerstört. Die medizinische Versorgung liegt nach zahlreichen Angriffen
gegen Krankenhäuser und medizinisches Personal am Boden. [3][Eine
UN-Untersuchungskommission kam vergangenen Donnerstag zu dem Schluss,
Israels Vorgehen sei eine „vorsätzliche Strategie zur Zerstörung des
Gesundheitssystems“ und ein „Kriegsverbrechen“.] Israel wies den Vorwurf
zurück. Die Hamas nutze zivile Infrastruktur zu militärischen Zwecken.
Die neue Offensive gefährdet auch die zweite Runde der Polio-Impfkampagne
der Weltgesundheitsorganisation WHO, die am Montag starten soll. Im August
war in Gaza erstmals seit 25 Jahren wieder ein Fall von Kinderlähmung
aufgetreten. Die UN-Organisation rief die Konfliktparteien auf, für die
notwendige zweite Impfdosis für rund 590.000 Kinder unter zehn Jahren
erneut Kampfpausen einzuräumen.
Indes eskaliert an Israels Nordgrenze ein Streit zwischen der israelischen
Führung und der UN-Friedenstruppe Unifil. Netanjahu rief UN-Generalsekretär
António Guterres am Sonntag erneut dazu auf, die Blauhelmsoldaten
abzuziehen. Verteidigungsminister Joav Gallant hatte der Hisbollah
vorgeworfen, bewusst in der Nähe von Unifil-Einrichtungen zu agieren.
[4][Die Friedensmission hatte Israel in den vergangenen Tagen vorgeworfen,
ihre Stellungen beschossen zu haben.] Dabei waren mindestens vier
Angehörige der Mission verletzt worden, die in dem Gebiet mit rund 10.000
Soldaten aus 50 Ländern die Einhaltung der UN-Resolution 1701 aus dem Jahr
2006 überwachen soll. Der Beschuss wurde von 40 Staaten, darunter
Deutschland, verurteilt. Israel weitete seine Offensive im Libanon am
Sonntag aus. 21 weitere Gemeinden wurden aufgerufen, sich nördlich des
Awali-Flusses zu begeben.
13 Oct 2024
## LINKS
[1] /Humanitaere-Lage-in-Gaza/!6038457
[2] https://www.youtube.com/watch?v=IeHnWp1JmzI
[3] https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/10/un-commission-finds-war-cri…
[4] /Angriff-auf-UN-Friedenstruppe-im-Libanon/!6042116
## AUTOREN
Felix Wellisch
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
GNS
Libanon
Gaza
Israel Defense Forces (IDF)
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