# taz.de -- Militär in Serbien: 75 Tage im Schützengraben | |
> Präsident Aleksandar Vućić gibt grünes Licht für die Wiedereinführung d… | |
> Wehrpflicht. Frauen können weiter freiwillig dienen. | |
Bild: Kadetten der serbischen Armee bei einer Parade in Belgrad am 14. September | |
Berlin taz | Serbien will wieder einen 75-tägigen Pflichtwehrdienst | |
einführen. Das hat viele Diskussionen, Ängste und Reaktionen in der | |
serbischen Gesellschaft selbst, aber auch in den umliegenden Ländern | |
hervorgerufen. Auch in den USA und Europa haben die Pläne in Bezug auf | |
weitere Konflikte Befürchtungen ausgelöst. Das ist einer Erklärung des | |
US-Außenministeriums vom 19. September zu entnehmen. | |
Serbiens Präsident Aleksandar Vućić begründete am 14. September vor | |
Kadetten seine Entscheidung: „Ich hoffe, Sie alle verstehen, wie sehr wir | |
eine starke Armee brauchen, wie sehr wir mehr Waffen kaufen und herstellen | |
müssen.“ | |
Serbien hatte 2011 die Wehrpflicht abgeschafft und setzt seitdem auf eine | |
Berufsarmee. Um den geplanten 75-Tage-Pflichtdienst (Frauen können weiter | |
freiwillig dienen) umzusetzen, müssen zunächst Regierung und Parlament | |
zustimmen. Im Parlament hat der Autokrat eine klare Mehrheit, die ihm blind | |
folgt. Die serbische Armee soll also weiter aufgerüstet werden. „Wir wollen | |
niemanden angreifen. Das werden wir auch nicht tun“, versicherte Vucic | |
weiter. „Aber wir wollen diejenigen abschrecken, die uns jeden Tag | |
unerbittlich bedrohen.“ | |
Wer damit gemeint ist, wird nicht klar gesagt. Kein Nachbar bedroht | |
Serbien. Weder Bosnien und Herzegowina noch Kosovo haben die Absicht oder | |
auch nur annähernd die Mittel, Serbien anzugreifen, meinen westliche | |
Balkan-Experten. Serbien verfügt über eine überlegene Armee von rund 25 000 | |
Mann – davon 17 000 Soldaten und Offiziere, auch wenn der Personalmangel | |
jetzt öffentlich ist. | |
## Massiv aufgerüstet | |
Dem haben die abgespeckten Armeen Bosnien und Herzegowinas (rund 6000) und | |
Kosovos kaum etwas entgegenzusetzen. Serbien wurde in den letzten Monaten | |
und Jahren von China und Russland mit Waffen und durch Militärberater | |
aufgerüstet. Jetzt sogar auch vom Westen: neben Drohnen aus dem Nato-Land | |
Türkei hat der französische Präsident Emmanuel Macron die Lieferung von | |
modernen Mirage-Kampfflugzeugen versprochen. Chinesische | |
Kurzstrecken-Raketen befinden sich ohnehin im Land. | |
Und das obwohl Vućić den Konflikt zwischen der serbischen Minderheit im | |
Kosovo und [1][der von serbischen Nationalisten beherrschten Entität | |
„Republika Srpska“ in Bosnien und Herzegowina] immer wieder selbst | |
angeheizt hat. Dafür sprechen die ständigen Provokationen an der | |
Kosovogrenze und die gescheiterte Militäraktion im September vergangenen | |
Jahres, als 30 schwer bewaffnete „Freiwillige“ ein Kloster besetzten. | |
Hinter diesen Ereignissen steht die Strategie der „Serbischen Welt“: Vućić | |
will Bosnien und Herzegowina territorial aufteilen, Kosovo nach Serbien | |
zurückholen und alle Serben der Region in einem groß-serbischen Staat | |
vereinigen. In den 90er Jahren wurde so der damalige Jugoslawien-Krieg | |
begonnen. | |
Diese Strategie stößt zwar weiter auf erbitterten Widerstand vor allem in | |
Kosovo. Premierminister Albin Kurti erklärte, Kosovo habe im Gegenzug | |
Bayraktar-Drohnen und amerikanische Javelin-Panzerabwehrraketen gekauft | |
sowie neue Soldaten rekrutiert. Zudem solle die Sicherheit des Landes durch | |
die dort stationierte Sicherheitstruppe Kfor garantiert werden – in Bosnien | |
und Herzegowina durch die Eufor-Truppen. | |
Aber man registriert in Prishtina wie auch in Sarajevo, dass sowohl Europa | |
wie auch die USA der serbischen Führung entgegenkommen wollen, um das Land, | |
das zwischen Russland Sympathien für Russland und dem EU-Beitritt schwankt, | |
näher an den Westen zu binden. Dazu gehört auch, Druck auf die bisherigen | |
Verbündeten auszuüben, um den serbischen Forderungen im Kosovo sowie in | |
Bosnien entgegenzukommen. Dahinter steht auch [2][das Interesse der EU, | |
Lithium-Vorkommen in Serbien ausbeuten zu dürfen]. | |
19 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Pistorius-in-Bosnien-und-Herzegowina/!5991046 | |
[2] /Proteste-in-Serbien-gegen-Lithium-Abbau/!6026646 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Serbien | |
Wehrpflicht | |
Aleksandar Vucic | |
Bosnien und Herzegowina | |
Aleksandar Vucic | |
Serbien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahlgesetze in Bosnien und Herzegowina: Dodik in Bedrängnis | |
Der Präsident der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, wollte mit einem | |
eigenen Wahlgesetz Fakten schaffen. Jetzt stoppt ihn das | |
Verfassungsgericht. | |
Rolle Serbiens beim Lithium: Putin-Freund rehabilitiert | |
Serbiens Präsidenten Vučić ist es gelungen, aus dem Lithiumvorkommen im | |
Land Kapital zu schlagen. Trotz Putin-Nähe hat er Berlin als Bündnispartner | |
gewonnen. | |
Olaf Scholz in Serbien: Regierungschef auf Lithiumjagd | |
Serbien gewährt der EU Zugang zu den Lithiumvorkommen im Land. Für den Deal | |
war Olaf Scholz extra nach Belgrad gereist. Doch Umweltschützer laufen | |
Sturm. |