# taz.de -- Neuer Premierminister in Jordanien: Technokrat von Königs Gnaden | |
> Nach den Parlamentswahlen ernennt König Abdullah II. seinen bisherigen | |
> Stabschef zum neuen Premierminister. Dieser gilt als Anhänger des Status | |
> quo. | |
Bild: Jafar Hassan wurde zum neuen Premierminister in Jordanien ernannt | |
Amman taz | Technokrat, weltgewandt, enger Vertrauter des Königshauses: | |
Fünf Tage nach der Wahl des neuen Parlaments [1][hat Jordaniens König, | |
Abdullah II., den zukünftigen Premierminister ernannt]. Der neue | |
Regierungschef heißt Jafar Hassan und arbeitet derzeit als Chef des | |
Königsbüros. Seine Karriere hat Hassan im Auswärtigen Amt begonnen, unter | |
anderem an der jordanischen Botschaft in Washington. Auf seinem Curriculum | |
stehen ein Master in Öffentlicher Verwaltung an der prestigeträchtigen | |
Harvard University in den USA, und ein Doktorat in Politikwissenschaften am | |
Graduate Institute im schweizerischen Genf. | |
Der 56-Jährige arbeitet seit etwa drei Jahrzehnten im öffentlichen Dienst. | |
In den turbulenten Jahren zwischen 2009 und 2013, als der arabische | |
Frühling Nordafrika und die Nahost-Länder wie eine Welle überrollte, war er | |
Minister für Planung und internationale Kooperation. | |
2018 wurde er zum Vize-Premierminister für wirtschaftliche Angelegenheiten | |
ernannt. Und zwar beim verzweifelten Versuch, die Wut der Massen zu | |
beruhigen nach Protesten, die einer Reihe von Austeritätsmaßnahmen folgten. | |
Diese waren Bedingung für weitere finanzielle Hilfen des Internationalen | |
Währungsfonds und führten zu einem Anstieg der Steuern, Lebensmittel- und | |
Treibstoffpreise. Hassan sollte das Sparprogramm zum Schuldenabbau | |
betreuen. Der Versuch blieb erfolglos. Tausende Jordanier*innen gingen | |
wenige Monate später erneut auf die Straßen und zwangen den damaligen | |
Regierungschef Hani Mulki zum Rücktritt. | |
## „Sieg der Protestwähler“ in Jordanien | |
Am vergangenen Dienstag waren Jordanier*innen an die Urnen gegangen, um | |
ein neues Parlament zu wählen. Trotz demokratischer Reformen war jedoch nur | |
knapp ein Drittel der Wahlberechtigten erschienen. Die Gewinner dieser | |
spärlich besuchten Wahl war sicherlich [2][die religiös-konservative | |
Islamische Aktionsfront (IAF), der politische Arm der Muslimbrüder], die | |
sich zwar keine absolute Mehrheit, jedoch 22 Prozent der Parlamentssitze | |
sicherte. Einen Sieg der „Protestwähler“ nannte es die jordanische | |
Politikexpertin Katrina Sammour. | |
Hassans aktuelle Ernennung zeigt indes eher den Willen, den Status quo | |
voranzutreiben. „Es wird von ihm nicht so viel mehr erwartet, als dasselbe | |
Regierungsführungsmodell fortzusetzen“, urteilt der jordanische Analyst | |
Amer Al-Sabaileh. „Es wird erwartet, dass er pragmatischer handelt, vor | |
allem bei der Außenpolitik, doch es ist mit keiner bedeutsamen Veränderung | |
zu rechnen.“ | |
Hassan gehört keiner Partei an, gilt jedoch als Vertrauter des Königs und | |
hatte bereits in vergangenen Jahren die Stabschefstelle inne. „Er ist eher | |
ein Funktionär“, so Al-Sabaileh, aber weder eine politische Figur noch beim | |
Volk besonders beliebt, nach den Reformen 2018. Ob dies ihm zum Verhängnis | |
werden könnte – jetzt, wo die Wirtschaft in Jordanien unter den Folgen des | |
Krieges im Nachbarland leidet und die Oppositionspartei der IAF eine | |
größere Macht im Parlament genießt – bleibt eine offene Frage. | |
## Die Hälfte der Bevölkerung hat palästinensische Vorfahren | |
Seine Aufgabe ist gerade nicht leicht: [3][Der Konflikt in Gaza] hat | |
[4][eine deutliche Abnahme der Touristenzahlen] und weitere negative Folgen | |
für die Wirtschaft des Landes mit sich gebracht, die Staatsverschuldung | |
beträgt etwa 50 Milliarden US-Dollar, die Arbeitslosigkeit liegt bei 21 | |
Prozent, Proteste mit Pro-Hamas-Parolen finden inzwischen wöchentlich | |
statt. Mindestens die Hälfte der Jordanier*innen hat Schätzungen | |
zufolge einen palästinensischen Vorfahren, das Land gilt jedoch als | |
Verbündeter des Westens und unterhält Abkommen mit Israel. | |
Jordanien ist laut Verfassung eine Erbmonarchie mit parlamentarischem | |
System, der König spielt aber im politischen Geschehen eine erhebliche | |
Rolle. In seinem Auftragsbrief an Hassan betonte Abdullah II. die Aufgabe | |
der künftigen Regierung, die Modernisierungsprozesse bei Wirtschaft, | |
Politik und Verwaltung fortzusetzen, die in der auslaufenden Legislatur | |
begonnen haben. Diese waren vom Königshaus stark gewollt. | |
Noch muss der frisch Nominierte seine Regierung zusammensetzen und die | |
Minister*innen vorschlagen. Das neue Kabinett muss dann am Ende das | |
Vertrauensvotum des Unterhauses im Parlament passieren. | |
17 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Serena Bilanceri | |
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