# taz.de -- Irritation auf dem Spielplatz: Der befremdliche Mann | |
> Da war dieser Mann, der so hastig und unentspannt auf dem Spielplatz | |
> herumsuchte. Ich verstand sein Verhalten nicht. Dann gingen meine | |
> Alarmglocken an. | |
Bild: Ein Spielplatz ist ein entspannter Ort – eigentlich | |
Auf einem Spielplatz stehe ich und telefoniere. Meine Ohren hören etwas | |
anderes als das, was meine Augen parallel sehen. Ich höre die Stimme einer | |
Freundin und sehe Kinder, Bäume, die Anzeichen des Herbstes, der sich wie | |
eine dünne Haut über alles legt. Und immer wieder gerät ein Mann in mein | |
Sichtfeld. Er ist auffällig gekleidet mit einem Hut, Sakko, einer Anzughose | |
und einer Papiertüte in der Hand. | |
Ein Mann mit einem zackigen Schnitt, der in dieser entspannten | |
Spielplatzwelt auffällt. Seine Kleidung hat etwas anachronistisch, | |
sorgfältig Ausgesuchtes, wie aus einer anderen Zeit, in der er vielleicht | |
lieber gelebt hätte oder die er schick findet. | |
Am auffälligsten an ihm ist aber sein Gebaren. Von ihm geht etwas Unruhiges | |
aus: Er tritt in ein Gebüsch, schaut von dort auf den Spielplatz, umrundet | |
die Sandfläche, blickt über die Spielgeräte, dreht sich abrupt um, geht | |
wieder zurück. Er scheint kein Ziel zu haben, sein Tun folgt keiner Logik, | |
aber er geht auch nicht entspannt umher wie die Menschen um ihn herum. | |
Er schaut, läuft, wendet sich um, guckt wieder. Es sind hastige Blicke. | |
Will er nicht bei etwas ertappt werden? Etwa, wie er hier Kinder anschaut? | |
Blickt er deswegen nur so kurz? | |
Ich verstehe sein Verhalten nicht. Mit seinem Hut und den feinen Kleidern | |
sticht er hervor, sodass man sich leicht an ihn erinnern und ihn | |
beschreiben könnte – er wirkt fast so auffällig wie Gert Fröbe mit seinem | |
schwarzen Hut und Mantel im Film „Es geschah am helllichten Tag“. | |
Meine Gedanken gleiten zu einem Winterabend in einer Kneipe zurück, in der | |
ich mit einem Freund saß. Die zwei Töchter der Wirtin, im Alter von etwa | |
elf, zwölf Jahren, servierten im Spaß das Bier, was bereits ein | |
unbehagliches Gefühl in mir auslöste. Ein älterer, etwa sechzigjähriger | |
Mann scherzte mit einem Kind, bei dem sich die ersten Zeichen von Brüsten | |
unter dem T-Shirt abzeichneten. | |
Irgendwann wurde mir bewusst, dass er flirtete. Er fragte, ob sie zusammen | |
Eis essen gehen wollten, ob die etwa Elfjährige eine Handynummer hätte, die | |
sie ihm geben könnte. Da fragte ich ihn, was das solle. Und als er sich als | |
Freund der Familie ausgab, relativierte und abstritt, rief ich die Polizei. | |
Es war ein Schritt. Aber es sind Kinder, die noch unbedarft sind. Die es im | |
Zweifel lieber mehr als zu wenig zu schützen gilt, bevor sie später etwas | |
Dunkles mit sich herumtragen, was sich vielleicht nie wieder auflösen wird. | |
Auf dem Spielplatz vor mir geht der Mann nun zum Weg, der zur Straße führt. | |
Er schaut die Straße hinauf, riecht kurz an einem Stofftaschentuch, das er | |
aus der Tasche zieht. Warum riecht er daran? Beruhigt er sich damit? Ich | |
kann mich nicht entscheiden, ob ich übertreibe oder ob meine Sorgen | |
berechtigt sind. | |
Dann dreht sich der Mann abrupt um und geht wieder zurück auf den | |
[1][Spielplatz]. In dem Moment bin ich alarmiert. Mit dem Telefon am Ohr | |
gehe ich ihm nach. | |
Der Mann tritt plötzlich in ein Gebüsch. Er zieht einen Jungen an seiner | |
Hand hinaus. Der Junge ist etwa fünf Jahre alt und weint. Ich erschrecke | |
kurz, dann realisiere ich, dass der Junge zu ihm gehören muss. Er weint | |
vielleicht, weil er verloren gegangen ist. Weil der Mann mit Hut nach ihm | |
gesucht hat und möglicherweise gerade geschimpft hat, als er ihn fand. | |
Der Junge trägt einen Strickpulli, der auch aus anderer Zeit zu sein | |
scheint. Der Mann hält ihn an der Hand, als sie vom Spielplatz gehen, aber | |
er spricht nicht mit dem Kind. Der Junge weint weiter. Sie haben kein | |
[2][Spielzeug], nichts anderes bei sich. Ich schaue ihnen nach. | |
Ich verstehe jetzt. Der Mann hatte [3][Panik] um sein Kind gehabt, deswegen | |
hat er sich so abrupt bewegt. Ich beruhige mich. Doch Fragen bleiben, als | |
ich ihnen nachblicke. Warum spricht er nicht mit dem Kind? Warum weint der | |
Junge? Warum haben sie nichts bei sich? Gehört das Kind wirklich zu ihm? | |
Ich denke, misch dich nicht ein. Und gleichzeitig schaue ich noch, in | |
welche Richtung die beiden laufen. | |
24 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christa Pfafferott | |
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