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# taz.de -- Töten von Straßenhunden in der Türkei: Exzesse von Hundehassern
> Seit Kurzem ist in der Türkei das Töten von Straßenhunden erlaubt.
> Tierschützer versuchen, so viele Vierbeiner zu retten wie möglich.
Bild: Protest gegen das Gesetz, das die Tötung von Straßenhunden erlaubt: Tie…
Istanbul taz | Die Fotos und Videos in den sozialen Medien sind grausam. Zu
Tode geprügelte Hunde, Hundekadaver, die in einen Graben geworfen wurden,
schwer verletzte Hunde, die verzweifelte Tierschützer noch zu retten
versuchen.
Vor gut [1][zwei Wochen wurde in der Türkei ein neues Gesetz
verabschiedet], das die massenhafte Tötung von Hunden erlaubt, wenn diese
krank oder aggressiv sind, aber auch, wenn in einer Gemeinde angeblich
durch streunende Hunde die allgemeine Sicherheit bedroht ist. Jetzt sind
die Ergebnisse des [2][höchst umstrittenen Gesetzes] zu besichtigen. Viele
Hundehasser betrachten das Gesetz offenbar „als Lizenz zum Töten“, wie der
prominente Schriftsteller Ahmet Ümit feststellte.
So wurden im westtürkischen Uzunköprü, einer Kleinstadt in der Nähe der
bulgarischen Grenze, 15 tote Hunde in Müllsäcken auf einer illegalen
Müllhalde gefunden. In Nigde, einer Kreisstadt in Kappadokien, sollen
Mitarbeiter eines Tierschutzheims massenhaft Hunde getötet, in ein
Massengrab geworfen und mit Kalk abgedeckt haben.
Tierschützer sprechen von bis zu 100 Tieren. Auch in einem Tierheim in
einem Vorort von Ankara soll es zu einer Massentötung von Hunden gekommen
sein. Von Tierschützern engagierte Anwälte versuchten in Ankara den
Vorkommnissen in dem Tierheim nachzugehen. Sie forderten die zuständige
Gendarmerie auf, das Tierheim zu kontrollierten. Dort konnte angeblich
nichts mehr festgestellt werden. Die Staatsanwaltschaft in Ankara weigerte
sich, weiter zu ermitteln.
Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die meisten Tierheime sind bereits
hoffnungslos überfüllt. Entgegen einem Tierschutzgesetz, das im Zuge der
Reformen zur EU-Kompatibilität bereits 2004 verabschiedet wurde, sind viele
Gemeinden ihrer Pflicht nicht nachgekommen, ein Tierheim aufzubauen.
Auch per Gesetz geforderte Sterilisierungskampagnen wurden nur sehr
schleppend umgesetzt. Das hat die [3][regierende AKP von Präsident Recep
Tayyip Erdoğan] nun zum Anlass genommen, um mit den „streunenden Hunden“
Tabula rasa zu machen.
In seiner islamischen Anhängerschaft kommt das gut an. Hunde gelten als
„unrein“, sie sollen aus den Städten verschwinden. Beispielhaft für die
Haltung vieler Gläubiger ist die des Islamdozenten Ahmet Emin Seyhan.
Er schrieb auf Facebook: „Wachhunde und Hirtenhunde auf dem Dorf gehören
dazu, aber streunende Straßenhunde in den Städten, die eine Gefahr für
unsere Kinder sind, lieben wir nicht und können wir nicht mehr dulden.“
Gegen die KritikerInnen des „Massenmord“-Gesetzes sagte Erdoğan im
Parlament: „Diesen Leuten, die nun wegen der Hunde weinen, sind die toten
Kinder in Gaza gleichgültig“. Solidarisch mit Hunden seien die Ungläubigen,
aber für die islamischen Brüder und Schwestern in Gaza hätten sie kein
Herz.
## Tierschützer retten Hunde
Doch selbst Mitgliedern der eigenen Regierung und Abgeordneten seiner
Fraktion ist es mittlerweile unheimlich, was durch das Gesetz ausgelöst
wurde. So sagte der zuständige Forst – und Agrarminister İbrahim Yumaklı,
das Gesetz zur Tötung von Straßenhunden rechtfertige nicht solche Vorfälle
wie in Ankara, Nigde und Uzunköprü. Der AKP-Abgeordnete Vahit Kirişci
sagte, das Gesetz sei nicht verabschiedet worden, „um unschuldige Tiere zu
töten. Es soll das Leben von Tieren retten. Es ist kein Gesetz für
Massenmord“.
Die größte Oppositionspartei CHP hat bereits angekündigt, das Gesetz vor
dem Verfassungsgericht anzufechten. „Die fürchterlichen Fotos von
erschossenen, vergifteten und totgeprügelten Hunden, die in Massengräbern
verscharrt werden, hat unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt“, sagte
der Vizepräsident der CHP, Burhanettin Bulut. „Wir hoffen, dass sich das
Verfassungsgericht des Problems nun schnell annimmt.“
Bis die Gerichte reagieren, versuchen TierschützerInnen in der Türkei und
aus dem Ausland, so viele Straßenhunde zu retten wie möglich. Sie werben
für Patenschaften für Straßenhunde, damit die Tiere registriert werden
können und nicht mehr als „herrenlos“ gelten.
Tierschutzvereine sammeln Geld, damit ärmere Leute unterstützt werden
können, die gerne einen Hund aufnehmen würden, aber kein Geld für Futter
haben. In einigen Städten werden sogenannte „Schutzhöfe“ eingerichtet, auf
denen Hunde auf einem gesicherten Gelände untergebracht und versorgt werden
können.
## Die meisten Tierheime sind überfüllt
Der Bund der türkischen Veterinäre hat sich von Anfang an gegen das Gesetz
zur Massentötung von Straßenhunden ausgesprochen. Er wirbt nun dafür, dass
zügig eine Kampagne zur Sterilisation von Straßenhunden durchgeführt und
die illegale Hundezucht unterbunden wird. Tatsächlich werden nach wie vor
massenhaft Hundewelpen über das Internet verkauft, die häufig nach wenigen
Wochen auf der Straße landen.
Die meisten Tierheime, in denen eingefangene Hunde abgeliefert werden, sind
bereits überfüllt. Der englische Tierschutzverein „Happy Paws Puppy Rescue�…
berichtet, er habe massenhaft Anfragen von türkischen Tierschutzheimen, die
gerne besonders pflegebedürftige Hunde ins Ausland abgeben würden.
Auch der deutsche [4][Tierschutzverein „Care-4–live“] setzt sich für die
Rettung von Straßenhunden ein. Er unterstützt die Einrichtung von
„Schutzhöfen“ und sammelt Spenden für den Einkauf von Hundefutter, sagte
die Vereinsvorsitzende Silvia Greene der taz.
Über befreundete TierschützerInnen soll Leuten geholfen werden, die einen
Hund aufnehmen wollen, aber kein Geld für Futter haben oder notwendige
Behandlungen durch Tierärzte nicht bezahlen können. „Es gibt so viele
engagierte TierschützerInnen in der Türkei“, sagte Greene, „aber die
meisten brauchen etwas Unterstützung, weil viele Leute in der Türkei ja
kaum genug Geld für das eigene Essen haben“.
21 Aug 2024
## LINKS
[1] /Gesetz-fuer-Toetung-von-Strassenhunden/!6024036
[2] /Hundefaenger-in-der-Tuerkei/!6024409
[3] /Die-Tuerkei-unter-Erdoan/!6010525
[4] https://care-4-life.de/
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Türkei
Hunde
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Türkei
Kolumne Stadtgespräch
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