# taz.de -- Sexualisierte Gewalt in Indien: Verwüstung in der Notaufnahme | |
> In Ostindien wurde eine Ärztin vergewaltigt und ermordet – in der Klinik. | |
> Landesweit protestieren nun Menschen und medizinisches Personal streikt. | |
Bild: Proteste am 16. August in Mumbai | |
Mumbai taz | „Wir wollen Gerechtigkeit“, prangt in roten und schwarzen | |
Lettern auf Plakaten. Seit Tagen rumort es in Kolkata (früher Kalkutta), | |
der Hauptstadt des ostindischen Bundesstaates Westbengalen. Seit die | |
brutale Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Ärztin in einem | |
angesehenen öffentlichen Krankenhaus bekannt wurde, ist wütender Protest | |
entbrannt. | |
Die 31-Jährige war am 9. August tot aufgefunden worden. Zunächst hieß es, | |
sie habe Suizid begangen, äußerte sich der Vater der Betroffenen. Am Tag | |
darauf kam die Gräueltat ans Licht, als Angehörige sie halb bekleidet und | |
mit blauen Flecken antrafen. Ihre Familie geht aufgrund der Befunde von | |
einer Gruppenvergewaltigung aus. Die Verwaltung geriet in die Kritik und | |
wurde verdächtigt, die Tat vertuschen zu wollen. Das Verbrechen war | |
besonders schockierend, da es sich offenbar im Seminarraum des | |
Krankenhauses ereignete, in dem die Frau schlief. | |
Das Entsetzen über die Tat und deren Umstände teilen viele. „Ich war | |
wirklich schockiert, als ich von dem Vorfall hörte“, sagt eine Studentin, | |
die ursprünglich aus Kolkata kommt, gegenüber der taz. „Die öffentlichen | |
Verkehrsmittel und der öffentliche Raum in Kolkata galten immer als sehr | |
sicher“, so die 22-Jährige. Doch dieser Mord ereignete sich am | |
Arbeitsplatz. Fälle zu verharmlosen, helfe nicht, sagt sie. | |
Landesweite Solidarität | |
Seitdem haben Ärzt:innen, Krankenschwestern und Beschäftigte im | |
Gesundheitswesen in verschiedenen Teilen Indiens landesweit Kerzenmärsche | |
abgehalten und Streiks angekündigt, so am Ort des Geschehens in Kolkata als | |
auch in den Megastädten Neu-Delhi und Mumbai. | |
Sie fordern neben der Bestrafung der Täter auch mehr Sicherheit in den | |
Krankenhäusern: sichere Aufenthaltsräume und Videoüberwachung. Die indische | |
Ärztevereinigung IMA rief für Samstag zu einer 24-stündigen „landesweiten | |
Arbeitsniederlegung der Dienste“ in Privatkliniken auf. Bereits am Montag | |
legten Beschäftigte staatlicher Krankenhäuser in mehreren Regionen Indiens | |
die Arbeit nieder. | |
Zusätzliche Empörung lösten Aufforderungen von Institutionen an Ärztinnen, | |
Studentinnen und Mitarbeiterinnen aus, „abgelegene, schlecht beleuchtete | |
und dünn besiedelte Gebiete zu meiden“ oder Wohnheime nachts nicht zu | |
verlassen. | |
In Kolkata gingen am Mittwoch Tausende auf die Straße. Die Demonstranten | |
warfen den Behörden vor, nicht genug gemacht zu haben. Bisher hat die | |
Polizei einen Verdächtigen festgenommen. Der Oberste Gerichtshof von | |
Kolkata wies auf die Möglichkeit der Zerstörung von Beweisen hin, falls die | |
Polizei ihre Ermittlungen fortsetze. Der Fall wurde daher an die | |
Ermittlungsbehörde CBI übergeben. Das sollte aber nicht dazu führen, dass | |
er still und leise begraben wird, fordert Derek O'Brien, Politiker des | |
lokal regierenden Trinamool Congress (TMC). Er verurteilte das | |
„abscheuliche Verbrechen“ zuvor. Die öffentliche Empörung über einen | |
solchen Fall in Kolkata sei völlig verständlich, so O'Brien. | |
## Festnahmen nach Vandalismus | |
Auch Indiens Regierungschef Narendra Modi meldete sich zu Wort: | |
„Abscheuliches Verhalten gegenüber Frauen sollte hart und schnell bestraft | |
werden“, so Modi. Seine hindunationalistische Volkspartei BJP versucht, aus | |
dem Vorfall politisches Kapital zu schlagen. | |
Und die Wut reißt nicht ab. Am Freitag organisierte die Ministerpräsidentin | |
des zugehörigen Bundesstaates, Mamata Banerjee, eine Kundgebung, der sich | |
viele Frauen anschlossen, um Gerechtigkeit für den Mord zu fordern. Der | |
[1][Ruf nach der Todesstrafe] für die Täter wird immer lauter. In dem | |
Krankenhaus, in dem der Mord geschah, kam es unterdessen zu Vandalismus. | |
Die Notaufnahme wurde verwüstet. Mehrere Beteiligte wurden festgenommen. | |
Laut Angaben des indischen Kriminalamtes NCRB wurden 2022 in Indien im | |
Schnitt fast [2][90 Vergewaltigungen pro Tag] gemeldet. Allerdings bleiben | |
viele undokumentiert. Frauen, die fast 30 Prozent der indischen Ärzteschaft | |
und 80 Prozent des Pflegepersonals ausmachen, gelten als besonders | |
gefährdet. Manche befürchten, dass sich dieser Vorfall nachteilig auf die | |
Karrieren von Ärztinnen auswirken könnte. | |
16 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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