Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Automobilisierung der Olympia-Sprache: Handbremse lösen und Gang e…
> Wenn KommentatorInnen über den olympischen Sport in Paris reden, nehmen
> Metaphern aus dem motorisierten Individualverkehr Überhand.
Bild: Jetzt aber fix „Gas geben“: Kanute Anton Winkelmann in Paris
Unglaublich oder unfassbar. Das sagen sie immer wieder, die Reporter, die
Sportlerinnen und die neuen Fluten an beisprechenden ExpertInnen in ARD und
ZDF. Unglaublich sei dies oder unfassbar jenes, was auch passiert, immer
wieder, überall, als schwebe dauersoufflierend der limitierte Sprachakrobat
Bastian Schweinsteiger wie das olympische Feuer über Paris.
Am Montag war es in der Stadt „unglaublich heiß, 29 Grad“. Heiß? Ja. Aber
ist das unglaublich? Unfassbar! Nach wissenschaftlich nicht gesicherten
Zählungen führt (Stand heute Mittag) „unfassbar“ mit 1.133 Nennungen auf
Goldkurs vor „unglaublich“ mit bislang 964.
Doch die wahre Kernkompetenz der KommentatorInnen ist eine andere: Er oder
sie muss mehr „Gas geben“, heißt es beständig, auch mal [1][„richtig Gas
geben“ oder „endlich Vollgas geben“]. Manchmal hört man auch die Analyse,
es gelte „jetzt endlich die Handbremse zu lösen“, ersatzweise „von der
Bremse zu gehen“, egal ob Fußballerin, Läufer oder Schwimmerin.
Danach muss man „den Vorwärtsgang einlegen“, ersatzweise „einen Gang hö…
schalten“ oder „einen Gang zulegen“. Gemeint ist immer: schneller sein,
schneller werden. Willkommen bei Auto-Olympia.
## „Turbo einschalten“
Wir erleben Paris als eine Art Motorsportveranstaltung. Autosprech überall,
als hätten die Aktiven, aus welcher Disziplin auch immer, ein
Verbrenneraggregat inside. „Jetzt muss er auf die Überholspur kommen.“ Wer
schwächelt, möge bitte „Energie nachtanken“. Und dann bitte „den Turbo
einschalten.“
Selbst beim Bahnradfahren war zu hören: „Sie wollen immer nur Vollgas
geben.“ Aber leider: „Sie kriegen noch nicht alle PS auf die Bahn.“ Ja, d…
PS, die gibt es auch immer wieder. „Sie müssen mehr PS auf den Platz
bringen.“ Alles ist Auto. Bald werden die Wassernebelanlagen noch zur
Autowaschanlage erklärt.
All diese Modernismen macht einer wie Carsten Sostmeier nicht mit. Der
Pferdemann der ARD kommentierte aus Versailles in einer anderen Liga im
Duktus der 50er Jahre und mit mähnigen Sprachspielereien, bei denen das
Stechen zum „hippologischen Elfmeterschießen“ wurde.
Würde Sostmeier, dieser Werner Hansch aus der Welt der Wasseroxer, [2][der
Ringelnatz der Hufeisen, dieser Piaffenpoet], ein Ross zu Vollgas
auffordern? Nie! Oder PS in seinen Pferdekosmos einwechseln, um Himmels
willen. Er erzählt lieber vom vorolympischen Hausherrn des Schlosses,
Ludwig XIV. Der hatte noch kein Auto. Unfassbar.
7 Aug 2024
## LINKS
[1] https://www.lesegefahr.de/2015/06/02/durchstarten-und-gas-geben-der-zug-fue…
[2] https://www.carsten-sostmeier.de/
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kolumne Front Sportif
ZDF
Kolumne Press-Schlag
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Apokalypse in den Sportnachrichten: Krach, bumm, kawumm!
Ein Trainer-, Liga- und TV-Beben! Diese Sportwoche ist wieder einmal
gefüllt von Katastrophen. Und Rettung ist weit und breit nicht in Sicht!
Gaga-Sport bei Olympia: Fast wie bei „Takeshi’s Castle“
Manchmal erinnern die Olympischen Sommerspiele an die japanische Spielshow
„Takeshi's Castle“, die hierzulande in Spartensendern lief. Endlich!
Deutsche Hockey-Männer kämpfen um Gold: Mit vielen Fehlern ins Finale
Trotz ihres schlechtesten Olympiaauftritts bezwingen die deutschen
Hockeymänner Indien. Mental stark findet das Bundestrainer André Henning.
Französischer Nationalrausch: Wo bleibt der Sportsgeist?
In der Euphorie über die eigenen Erfolge ignoriert das heimische Publikum
in Paris gern auch mal Olympiasieger aus anderen Ländern.
Gold für deutsche Basketballerinnen: „Die perfekte Gemeinschaft“
Im Finale gegen Spanien lassen sich die deutschen 3x3-Basketballerinnen von
nichts beirren. Die Frauen gewinnen erstmals eine Medaille im Basketball.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.