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# taz.de -- Die Wahrheit: Mein Leben als Zugbindung
> Die Deutsche Bahn ist doch immer für eine Geschichte gut. Der Beweis,
> dass es mit der großspurig verkündeten Verkehrswende nie etwas wird.
Neulich stand wieder einmal der jährliche Besuch bei der väterlichen
Familie an, also bei meiner. Meine Familie wohnt am weit entfernten
Niederrhein, dies- und jenseits der niederländischen Grenze, und das
schließt eine lange Bahnfahrt mit ein, weil wir uns aus ökologischen wie
finanziellen Gründen keinen Flug leisten wollen beziehungsweise das auch
keine große Erleichterung wäre, da der Niederrhein zwar einen kleinen
Flughafen in Weeze hat, aber einen Direktflug Wien-Weeze gibt es nicht.
Selbstverständlich gibt es einen Flughafen in Düsseldorf, was man
spätestens merkt, wenn man im Regionalzug von Köln nach Duisburg sitzt. Der
fährt nämlich normalerweise über Düsseldorf-Flughafen, ist allerdings meist
schon vorher mit Menschen vollgestopft und darf dann noch mal ein bis zwei
Flugzeugladungen Passagiere in sich aufnehmen. Eine heitere Fahrt bis
Duisburg!
Oh, eigentlich sollte das eine Kolumne über die heilige Familie werden.
Aber die Bahn ist bekanntlich immer für eine Kolumne gut, so auch diesmal.
Die Deutsche Bahn ist, Stichwort Verkehrswende, tatsächlich die beste
Werbung für Auto und Flugzeug. Mittlerweile kann man sie herrlich
austricksen – schön im Voraus die billigste Verbindung buchen und dann am
Reisetag die schnellste nehmen; denn die Zugverbindung wird schneller
aufgelöst als der erste Zug fährt. Denn irgendeine Verspätung gibt es
immer. Isso.
Fährt man mit der Familie, lernt man unweigerlich andere Leute kennen,
dafür sorgt allein die kontaktfreudige Tochter. Auf der Hinfahrt begegnete
uns eine lustige Gärtnergruppe aus der Nähe von Wien, die nach Hamburg zum
Gartenfestival wollte. Oder nach Wietze, dort gibt es nämlich noch eins.
Was Gärtner auf einem Gartenfestival machen, weiß Gott allein. Gibt es
Unkrautjät-Happenings im Morgengrauen? Wird wettgepflanzt und „More Rain!“
geschrien? Werden auf den sanitären Anlagen heimlich illegale Samen
getauscht?
Einer der Gärtner trug meinen Vornamen und einen stattlichen Schnörres, der
jeden Karnevalskölner vor Neid erblassen ließe. Tätowiert waren die
Gärtnerinnen und Gärtner auch, also mögen auch sie, die sonst vielleicht
nicht besonders in der Öffentlichkeit stehen, es sei denn, es werden Mörder
gesucht, moderne Selbstdarstellung. Auf der Rückfahrt, eine Woche später,
saß die Gruppe fast komplett wieder im selben Zug. Bahn verbindet!
Außerdem lernten wir eine Texanerin kennen, die ein sehr gutes Deutsch
sprach, weil sie Tochter von deutschen Exilanten war, die in Texas eine
deutsche Bäckerei eröffnet hatten. Sie war mit Freundin zum
Taylor-Swift-Konzert in München unterwegs. Flugreise von Texas nach
Frankfurt plus Bahn und Übernachtung plus Karten kamen sie insgesamt
billiger, als ein Swift-Konzert in Santa Fé zu besuchen. Erstaunlich. Das
muss dieser komische Event-Kapitalismus sein, noch ein Grund, warum das mit
der Verkehrswende nicht funktioniert.
7 Aug 2024
## AUTOREN
René Hamann
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Deutsche Bahn
Familie
Zug
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