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# taz.de -- Die Wahrheit: Mutter und die Maultaschen
> Der Knoten in den Akten. Eine Fortsetzungsgeschichte der etwas anderen
> Art (Teil 2). Heute in der Wahrheit-Sommerserie: Wie es eskalierte …
Bild: Die Einzelteile des Falls werden immer komplizierter
Was bisher geschah: Rechtsanwalt Doktor Schrunz sollte für seinen einzigen
Klienten, Röder, so schnell wie möglich einen Knoten auftreiben. Diesmal
hatte Röder sich offensichtlich mit den chinesischen Triaden angelegt, die
keinen Spaß verstanden, wenn es um Knoten ging …
Draußen vor der Terrassentür seines Büros donnerte es nun. Blitze zuckten
über seinem hauseigenen Schlosspark, den ihm einst der lukrative Streitfall
„Röder./. Papst Franziskus“ finanziert hatte. Und dann passierte mal wieder
genau das, was bei fast jedem heftigen Wetterwechsel geschah: Mutter
erschien.
In einem mit arteriellem Blut besudelten weißen Leichengewand schwebte
Theodora Schrunz, geborene Bundschuh, etwa einen Meter über den
Terrakottafliesen. Sie schenkte den Leuchtgartenzwergen aus Hartplastik,
die in Gruppen verschiedene Motive von Rembrandts „Nachtwache“ über
Picassos „Guernica“ bis hin zum „Wunder von Bern“ (Helmut Rahn mit einer
besonders kecken Zipfelmütze, in deren Krempe ein Flachmann steckte)
nachstellten, vernichtende Blicke. Der flapsig-ironische Umgang mit Kunst
und Kultur, den Schrunz’ junge Freundin Irmina Hornbach, eine
Nachwuchsarchitektin an der Bezahluniversität Nauen, im Hause Schrunz
etabliert hatte, war überhaupt nicht nach ihrem Geschmack.
Hohl heulte die alte Schrunz auf, als sie durch die Scheibe hindurch ihren
Sohn erblickte, der vergeblich versuchte, sich hinter seinem Ledersessel zu
verbergen: „Wie sieht es denn hier aus? Hast du immer noch die dämliche
kleine Kuh am Start? Und warum hast du mich getötet?“
Schrunz hatte Mühe, ein Gähnen zu unterdrücken. Immer dasselbe Lied. Kaum
tauchte die Alte auf, gab es nichts als lästige Vorwürfe. Kein „Ich hab
dich lieb“ oder „Weißt du noch, damals …?“ oder „Die Gitti von den H…
ist jetzt geschieden – die mochtest du doch in der Grundschule so gern“,
wie bei anderen Müttern, sondern immer nur: „Warum hast du mich umgebracht,
bla, bla, quak, quak …“ Es war zum Haareraufen.
„Heb dich hinweg, Mutter!“, rief Ferdinand Schrunz und hielt das für solche
Fälle stets bereitliegende Kreuz aus getrockneten Maultaschen hoch. Das
half eigentlich immer, und siehe da: Theodora Schrunz löste sich jaulend in
einer Rauchsäule auf, die nordwärts davonstob. Lediglich ein schwacher
Geruch von Buttersäure erinnerte an den kurzen Spuk.
## Das Grauen geht vorbei
Über sich selbst schmunzelnd erhob sich der feiste Winkeladvokat und
klopfte sich den Staub vom Anzug. Das ging jedes Mal so fix vorbei. Er
wusste kaum mehr, wovor er sich eben noch so sehr gegrault hatte.
Also zurück an die Arbeit. Er holte das Fax aus dem Briefumschlag, in dem
Röder es geschickt hatte, da Schrunz kein Faxgerät besaß, und las:
„Besorgen Sie den Knoten, sonst gibt es auf die Pfoten. Und dann noch auf
den Arsch – Knoten her, marsch, marsch!“
Sofort sprang ihm der Fehler ins Auge: Röder konnte nicht dichten, noch
nicht einmal einen einfachen Paarreim mit zwei völlig identischen Worten am
jeweiligen Zeilenende; er hatte eine schwere Dichtomie. Jemand musste ihm
die Worte diktiert und ihn anschließend gezwungen haben, das Fax zu
versenden, zum Beispiel an ein Faxgerät im Nebenraum, das Resultat
einzutüten und an ihn, Schrunz, zu schicken. Wurde Röder erpresst? Und
womit und warum? Steckten, wie der Brockhaus nahelegte, tatsächlich die
Triaden dahinter?
Plötzlich fiel es ihm siedend heiß wieder ein: Die Triaden hatten ihm
damals dabei geholfen, Mutter zu beseitigen. Oder waren es die Trichinen,
jene berüchtigte Untergrundorganisation aus dem ähnlichnamigen kleinen
Pazifikstaat, der nun zu verschwinden drohte, weil der deutsche
Verkehrsminister auf ein Termpolimit pfiff? Nein, es waren die Triaden. Und
zwar alle drei Brüder: Heinz Müller, Heinz Meier und Heinz Schulze.
Bis eben hätte der beleibte Anwalt mit dem markanten Magengeschwür nicht
geahnt, dass er mit seinem Mandanten Röder auf Gedeih und Verderb im selben
Boot saß, in das an zahllosen Stellen das Wasser eindrang. Doch so war es,
denn die kriminellen Brüder wollten nun bezahlt werden, und zwar mit einem
Knoten aus purem … ja, was eigentlich …? Ja, genau, ogottogottchen!
Schrunz hielt minutenlang den Atem an. Kaum traute er sich, den horriblen
Gedanken zu Ende zu denken …
7 Aug 2024
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Kriminalroman
Sommerserie
Verbrechen
Kriminalroman
Adele
Kriminalroman
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