# taz.de -- Gemiedener Judo-Wettkampf gegen Israeli: Schwerwiegender Boykott | |
> Im Judo sollte der Algerier Messaoud Dris gegen den Israeli Tohar Butbul | |
> antreten. Doch er ging dem Duell durch Übergewicht aus dem Weg. | |
Bild: Ohne Gegner auf der Matte: der Israeli Tohar Butbul wartet vergebens auf … | |
Es sei ein epischer Kampf gewesen, hieß es nach dem Finale der Männer um | |
Judogold in der Gewichtsklasse unter 73 Kilo. Über 9.25 Minuten beharkten | |
sich die Gegner, bevor Hidayat Heydarov zum entscheidenden Wurf angesetzt | |
hat. Gejubelt wurde in der Halle am Marsfeld aber vor allem über den | |
Verlierer. Klar, ein Franzose war das. | |
Der Aserbaidschaner Heydarov ist amtierender Weltmeister und schon vier Mal | |
Europameister gewesen. Von seinem Gegner Joan-Benjamin Gaba hat man bis zu | |
diesem Tag noch nicht allzu viel gehört. In Frankreich gehört er nun zu den | |
zahlreichen Stars. | |
Das Verteidigungsministerium gratulierte flugs dem Mitglied der „Armée des | |
Champions“, in der die französischen Sportsoldaten dienen. Und am Tag | |
darauf hatte er dann seinen [1][großen Auftritt im Champions Park am | |
Trocadéro], bei dem die Medaillengewinner sich bei einem Gang über den | |
Laufsteg von über 10.000 Zuschauern noch einmal feiern lassen können. | |
Joan-Benjamin Gaba tat bei der Pressekonferenz nach seinem Wettkampf schon | |
mal alles, um sich so cool wie möglich zu präsentieren, auch wenn ihm die | |
Aufregung doch anzusehen war. „Ich habe größten Respekt vor meinem Gegner | |
im Finale“, sagte der 23-Jährige. „Und ich werde mich an die Arbeit machen, | |
um in vier Jahren Gold zu holen.“ Man soll sich seinen Namen also merken. | |
## Zum Märtyrer hochstilisiert | |
Ob der Name des algerischen Judokas, der am Tag vor dem Wettkampf von | |
vielen in der arabischen Welt zu einem wahren Märtyrer hochstilisiert | |
wurde, in Erinnerung bleiben wird, ist eher ungewiss. In den auch bei den | |
Spielen fast alles beherrschenden sozialen Medien wurde jener Messaoud Dris | |
jedenfalls von Anhängern der palästinensischen Sache vor dem Kampftag dafür | |
gefeiert, dass er aus Protest nicht gegen den Israeli Tohar Butbul antreten | |
wolle und dafür seinen Olympiatraum opfere. | |
Sein Name verschwand tatsächlich von der Startliste. Der Internationale | |
Judoverband klärte dann auf und teilte mit, dass Dris beim Wiegen 400 Gramm | |
zu schwer gewesen sei. Man werde den Fall weiter untersuchen, heißt es in | |
einem Statement des Internationalen Judoverbands, in dem auch stand: | |
„Leider werden Sportler oft Opfer weitreichender politischer Konflikte, die | |
gegen die Werte des Sports gerichtet sind.“ | |
Diese Erklärung hat die Spekulationen, ob es sich nicht doch um einen jener | |
[2][nicht untypischen Israelboykotte] gehandelt hat, die auch im Judosport | |
schon des öfteren vorgekommen sind, nicht beenden können. Unvergessen | |
[3][ist die Flucht des iranischen Ringers Saeid Mollaei] von der | |
Weltmeisterschaft 2019 in Tokio. Der iranische Verband unterstützt vom | |
Sportministerium des Landes wollte verhindern, dass er gegen einen Israeli | |
antritt. Hilfesuchend wandte er sich damals an die Veranstalter und setzte | |
sich danach ins Exil ab. | |
Und auch Tohar Butbul selbst hat schon mal alleine an der Matte gestanden | |
und vergeblich auf seinen Gegner gewartet. Bei den Spielen 2021 in Tokio | |
sollte er in der zweiten Runde gegen den Sieger der Paarung Fethi Nourrine | |
aus Algerien und Mohamed Abdalarasool aus dem Sudan antreten. Weil die | |
beiden nicht gegen einen Israeli kämpfen wollten, hatten sie sich vom | |
Turnier zurückgezogen. Nourrine wurde daraufhin vom Internationalen | |
Judoverband für satte zehn Jahre gesperrt und auch Abdalarasool hat man | |
seither bei keinem Auftritt auf der Matte bei internationalen Wettbewerben | |
gesehen. | |
Das Pariser Olympiapublikum fand es jedenfalls nicht so toll, dass zu | |
Beginn des Kampftages Tohar Butbul alleine an der Matte stand. Deutliche | |
Buhrufe waren zu hören. Auch für das israelische Team war der Rückzug von | |
Dris kein Versehen. „Tohars Gegner hat sich selbst aus dem Wettbewerb | |
verabschiedet“, heißt es in einer Mitteilung. „Die Delegation Israels wird | |
weiter im Sinne des olympischen Geistes am Wettbewerb teilnehmen. Wir sind | |
der Meinung, dass für ein derartiges Verhalten kein Platz ist im Sport.“ | |
Olympiasieger Heydatow zeigte seine Vorstellung von Sportsgeist auf eine | |
ganz eigene Weise. Er küsste seinen Gegner nach dem Finale auf die Stirn. | |
„Wenn du jemanden auf die Stirn küsst, zeigst du, dass du ihn | |
respektierst“, erklärte er später. Der vermeintliche Fressprotest von | |
Messaoud Dris war da schon beinahe wieder vergessen. | |
30 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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