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# taz.de -- Die Wahrheit: Olympische Sabotage mit Hindernis
> Weiße Unterhemden mit irischer Trikolore: Vor über 50 Jahren nun lief ein
> olympisches Radrennen einst hochinteressant aus dem Ruder.
Am Samstag fand das olympische Straßenrennen im Radfahren statt. Das war
mir egal, Radrennen interessieren mich nicht, ich bin ja kein Pharmazeut.
Nur einmal, bei den Olympischen Spielen 1972 in München, wurde mein
Interesse an dieser öden Sportart geweckt. Das lag daran, dass das Rennen
nicht nach Plan verlief. Das war das Verdienst der Iren. Nach der Gründung
des irischen Staates 1922 war der Radsport in drei verfeindete Fraktionen
zersplittert, die sich mit Sabotage, mit Reißzwecken und Öl auf den
Rennstrecken bekämpften.
Es gab zwei international anerkannte Verbände – einen nordirischen und
einen südirischen. Ein weiterer Verband, die National Cycling Association
(NCA), eine gesamtirische Organisation, war vom internationalen Verband
nicht anerkannt. Deren Mitglieder planten eine Aktion, um auf den
britischen Besatzungsterror in Nordirland aufmerksam zu machen.
Sieben NCA-Radsportler und drei Betreuer reisten im August 1972, etwa eine
Woche vor Beginn der Olympischen Spiele, als Fußpassagiere in den
belgischen Hafen Ostende. Von dort brachte man sie mit Autos zu einer
geheimen Adresse in München. Die Wohnung lag in der Implerstraße 49, wo
heute Berufsbekleidung und Brötchen verkauft werden. Hier trainierten sie
unauffällig bis zum Termin des Straßenrennens.
Ihr Plan war einfach: das Rennen stören, Chaos verursachen, verhaftet
werden und Schlagzeilen über die Rolle Großbritanniens in irischen
Angelegenheiten machen. Vier Fahrer sollten sich unter die anderen
Teilnehmer mischen, in der Hoffnung, nicht aufzufallen. Die drei anderen
Fahrer sollten sich in einer Baumgruppe weiter draußen auf der Strecke
verstecken und sich zu den Rennfahrern gesellen, sobald das Peloton
vorbeikam.
## Etwas stimmte nicht
Die Mannschaft hatte aber in ihrem Versteck die Nachricht von dem Anschlag
auf das israelische Team nicht mitbekommen. Das Straßenrennen war um 24
Stunden verschoben worden, die sieben Iren warteten vergeblich vier Stunden
lang, bis ihnen klar wurde, dass etwas nicht stimmte.
Am nächsten Tag klappte es besser. Vier Fahrer gingen in weißen
Unterhemden, auf denen die irische Trikolore prangte, an der Start. Weiter
unten auf der Straße schlossen sich die anderen Drei, die sich seit sieben
Uhr morgens in einem Graben versteckt hatten, dem Rennen an, und einer von
ihnen sorgte für absolute Verwirrung, als er die Hauptgruppe einholte und
einen Vorsprung von zehn Metern herausfuhr.
Die Kommentatoren waren vorübergehend sprachlos, weil der führende Fahrer
keine Nummer trug. Er wurde nach acht Kilometern von Motoradpolizisten
gewaltsam abgedrängt, während die anderen noch zwei Runden weiterfahren
konnten. Der Belfaster Fahrer, der 19-jährige Brian Holmes, wurde nach
seiner Heimkehr verhaftet und verbrachte drei Jahre im Gefangenenlager Long
Kesh.
29 Jul 2024
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Rennrad
Irland
Nordirland
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