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# taz.de -- Journalistin Alsu Kurmasheva: Vorwurf unbekannt
> Die russisch-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva wurde in Russland
> zu 6,5 Jahren Gefängnis verurteilt. Ein Schlag gegen die Pressefreiheit.
Bild: Journalistin Alsu Kurmasheva mit ihrem Rechtsanwalt im Gericht in Kasan a…
Moskau taz | Es verlief im Verborgenen. Keine öffentliche
Gerichtsverhandlung, [1][Vorwürfe unbekannt]. Am Ende fiel das Urteil gegen
Alsu Kurmasheva: sechseinhalb Jahre Haft. Es ist ein weiterer politischer
Schuldspruch nach einem kurzen Prozess gegen eine Journalistin mit
US-Staatsbürgerschaft.
Nur auf der Homepage des Obersten Gerichts in der russischen Teilrepublik
Tatarstan lässt sich Kurmashevas „Vergehen“ einsehen. „Paragraf 207.3, F…
geprüft am 19. Juli, Schuldspruch“, steht da.
Hinter diesen Zahlen verbirgt sich die sogenannte „Verbreitung von
Falschinformationen über die russische Armee“. [2][Jegliche öffentliche
Kritik] am Kreml und dem Überfall der Ukraine im Februar 2022 zieht in
Russland mittlerweile solche „Fakes“-Vorwürfe nach sich.
Russische Medien meldeten, die Anklage gegen Kurmasheva speise sich aus
ihrem 2022 veröffentlichten Buch „Nein zum Krieg. 40 Geschichten über
russische Bürger, die sich der Invasion in der Ukraine widersetzen“. Was
der 47-Jährigen konkret zur Last gelegt wird, ist auch nach dem
Gerichtsentscheid nicht bekannt.
## Ähnlichkeiten und Unterschiede zum Fall Gershkovich
Das Urteil gegen die Journalistin war in Kasan, der Hauptstadt von
Tatarstan, am selben Tag gefallen wie auch das gegen den
[3][US-Korrespondenten Evan Gershkovich] in Jekaterinburg am Ural. Ein
Gericht hatte den 32-jährigen vergangenen Freitag wegen angeblicher
Spionage zu 16 Jahren Strafkolonie „strengen Regimes“ schuldig gesprochen.
Ebenfalls nach nur drei Prozesstagen, ebenfalls in einer geschlossenen
Verhandlung, ebenfalls unter fadenscheiniger Begründung.
Gershkovich, der für das Wall Street Journal schrieb und wie alle
Auslandskorrespondent*innen beim russischen Außenministerium
akkreditiert war, soll – so folgte das Gericht den Vorwürfen des russischen
Geheimdienstes FSB und der Staatsanwaltschaft – „im Auftrag der CIA geheime
Informationen über Herstellung und Reparatur von Militärtechnik durch den
Rüstungsbetrieb Uralwagonsawod gesammelt und dabei Methoden der
Konspiration beachtet“ haben.
Der in den USA als Sohn sowjetischer Emigranten geborene Gershkovich
bestritt jegliche Schuld, wie die in der kasachischen Sowjetrepublik
geborene Alsu Kurmasheva. Menschenrechtler*innen und
Politikbeobachter*innen sprechen in Russland von einem sogenannten
Austauschfonds westlicher Staatsbürger*innen – vor allem amerikanischer
–, damit das russische Regime im Westen verurteilte russische Verbrecher
freipressen könne.
Die Fälle von Kurmasheva und Gershkovich sind dennoch unterschiedlich,
obwohl sie zeigen, dass unabhängige Berichterstattung aus Russland immer
schwerer gemacht wird, dass Journalist*innen, inländische wie ausländische,
immer stärker ausloten müssen, wie es um ihre Sicherheit steht, wenn sie
aus dem Kriegsland berichten wollen, das den Krieg in der Ukraine im Alltag
negiert und doch täglich seine Söhne zu Grabe trägt.
Kurmasheva ist Radiojournalistin und arbeitete für das russischsprachige
Internetmedium Idel.Realii, einen Ableger des vom US-Kongress finanzierten
Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), in Russland als „unerwünschte
Organisation“ gebrandmarkt. Alle russischen Bürger*innen, die für eine
solche arbeiten, machen sich strafbar.
## Gefährliche Doppelstaatsbürgerschaft
Aus Prag in Tschechien informiert Idel.Realii über die Wolga-Region und
ethnische Minderheiten und Menschenrechte in den russischen Teilrepubliken
Tatarstan und Baschkortostan. Auch Kurmasheva war aus Kasan nach Prag
gezogen, kam aber wegen eines „familiären Notfalls“ im Mai 2023 zu ihrer
Mutter zurück nach Tatarstan. Als sie wieder wegfliegen wollte, wurde sie
an der Grenze festgehalten. Der Vorwurf: Kurmasheva habe ihren US-Pass
nicht offiziell gemeldet.
In Russland ist es eine Straftat, die doppelte Staatsbürgerschaft vor den
Behörden zu verheimlichen. Der Geheimdienst entzog ihr, deren Mann und zwei
Töchter in Tschechien leben, beide Pässe. Im Oktober warfen die Behörden
ihr vor, sich nicht als „ausländische Agentin“ registriert zu haben und
setzten sie fest.
Die Journalistin, die auf Russisch berichtete, soll Informationen über das
russische Militär gesammelt haben, die „gegen die Sicherheit der Russischen
Föderation genutzt werden könnten“, so die Vorwürfe.
Die Doppelstaatsbürgerschaft wurde Kurmasheva zum Verhängnis. Für die
russischen Behörden ist sie eine Russin, keine Ausländerin wie der
Amerikaner Gershkovich. Sie kann nicht einmal auf Beistand der US-Botschaft
hoffen, denn Russlands Offizielle lassen das nicht mehr zu.
Kurmasheva wird in den Augen der Geheimdienste erst zur Amerikanerin, wenn
sie mit ihr – wie auch mit Gershkovich – ihre Tauschgeschäfte machen
können.
23 Jul 2024
## LINKS
[1] /Verbot-von-mehreren-russischen-Medien/!6011030
[2] /Medien-in-Russland/!5979068
[3] /Verurteilung-von-Evan-Gershkovich/!6024783
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
Russland
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