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# taz.de -- Feiertage im Gazastreifen: „Ein trauriges Opferfest“
> Zum islamischen Opferfest haben dieses Jahr nur wenige Menschen ein Opfer
> dargebracht. Das Vieh sei zu teuer geworden, schreibt unser Autor in
> Gaza.
Bild: Trinkwassertransport in al-Fuchari im südlichen Gazastreifen am 17. Juni
[1][Esam Hani Hajjaj] (27) kommt aus Gaza-Stadt und ist Schriftsteller und
Dozent für kreatives Schreiben für Kinder. Nach Kriegsausbruch floh er in
den südlichen Gazastreifen nach al-Fuchari.
Das Opferfest hat sich verändert. Früher wachten wir mit den Geräuschen der
Kinder auf, die mit den Kälbern und Schafen spielen, bevor sie geschlachtet
werden. Am Opferfest schlachten die, die es sich leisten können, ein Tier
und verteilen das Fleisch an die Bedürftigen. Es gab immer einen
Verwandten, der das Opfer darbrachte, und wir sahen zu, beim Schlachten,
beim Zerteilens des Fleisches und dem anschließenden Verpacken und
Verteilen an Verwandte und Bedürftige.
Abends traf ich mich mit meinen Freunden zum Grillen, jeder von uns brachte
ein Kilo Fleisch mit. An diesem Tag hatten oft viele Menschen ihre Opfer
erbracht, jeder Haushalt mehr als ein Kilo Fleisch erhalten. Am Tag nach
dem Schlachten versammelten wir uns am Meer, grillten, spielten, sangen und
tanzten.
In diesem Jahr fühlen wir uns an Eid al-Adha wie tot. Nur wenige Menschen
haben Opfer dargebracht, weil alles so teuer geworden ist. Durch die
Bombenangriffe wurden viele der Farmen in Gaza zerstört, sodass nur noch
wenige übrig sind. Nur wenige Menschen halten noch Vieh.
Für mich ist es ein trauriges Eid al-Adha. Vor fünf Tagen wurde mir
Hepatitis diagnostiziert. Ich bin fünfmal ohnmächtig geworden, habe meinen
Appetit und mein Gleichgewicht verloren, meine Augen und mein Körper sind
ganz gelb geworden.
Ich habe keinen meiner Verwandten gesehen oder besucht. Seit mehr als fünf
Tagen liege ich auf dem Rücken. Etwas essen kann ich kaum. Tue ich es
dennoch, muss ich mich übergeben – sogar, wenn ich nur Wasser trinke. Ich
konnte nicht einmal meinen Vater begrüßen, ich habe Angst ihn anzustecken,
so wie mein Bruder mich angesteckt hat. Viele Menschen in Gaza sind krank –
Eid al-Adha zu feiern versuchen sie trotzdem.
Kinder tragen neue Kleidung, doch sie wird von Blut durchtränkt. Freude
schlägt in Trauer um. Vor zwei Tagen wurde [2][ein vorläufiges
Waffenstillstandsabkommen] verkündet, alle jubelten vor Freude. Doch dann
passierte nichts, und unsere Hoffnungen wurden enttäuscht. Seit mehr als
240 Tagen sind wir mit dem Tod konfrontiert, verlieren Kinder, Frauen und
unsere Seelen. Wie können wir da das Opferfest feiern?
Übersetzung: Lisa Schneider
In der Reihe „Gaza-Tagebuch“ berichten unsere Autor*innen von ihrem
Leben im Gazastreifen. Alle Beiträge der Reihe [3][finden Sie hier].
18 Jun 2024
## LINKS
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[2] /-Nachrichten-im-Nahost-Krieg-/!6017339
[3] /Kolumne-Gaza-Tagebuch/!t5999816
## AUTOREN
Esam Hajjaj
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Israel
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Gaza
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