# taz.de -- Nachruf auf Aktivistin Nora Cortiñas: Mutter der verschwundenen Ki… | |
> Nora Cortiñas ist tot. Zusammen mit den Madres de Plaza de Mayo | |
> engagierte sie sich für Aufklärung der Verbrechen der argentinischen | |
> Militärdiktatur. | |
Bild: Nora Morales de Cortiñas zum Internationalen Frauenstreik in Madrid, Spa… | |
Mehrere hundert Menschen versammelten sich am Abend spontan auf der Plaza | |
de Mayo in Buenos Aires, um Nora Cortiñas zu gedenken. Die Mitbegründerin | |
der argentinischen Menschenrechtsorganisation Madres de Plaza de Mayo, den | |
Müttern des Platzes der Mairevolution, starb am Donnerstag im Alter von 94 | |
Jahren. | |
„Ihre besondere Sensibilität und ihre unbestrittene Ideologie zur | |
Verteidigung derjenigen, die am wenigsten haben, haben ihr den | |
bedingungslosen Respekt und die Zuneigung der Menschen eingebracht“, heißt | |
es in einer Erklärung der Familie. | |
Am [1][24. März 1976 putschte sich in Argentinien das Militär an die | |
Macht]. Es folgte eine als „Prozess der nationalen Reorganisation“ | |
bezeichnete Herrschaft, unter der politische Gegner*innen gnadenlos | |
verfolgt wurden und eine radikal neoliberale Wirtschaftspolitik eingeführt | |
wurde. Menschenrechtsgruppen schätzen, dass bis zum Ende der Diktatur im | |
Jahr 1983 rund 30.000 Menschen ermordet wurden oder bis heute verschwunden | |
sind. | |
## Sohn wegen sozialen Engagements entführt | |
Wo immer Nora Cortiñas erschien, hatte sie sich das Foto ihres Sohnes vor | |
sich auf der Brust gehängt. Carlos Gustavo war 24 Jahre alt, als er am 15. | |
April 1977 von den Schergen der Militärdiktatur entführt wurde und spurlos | |
verschwand. | |
Er war Student, arbeitete nebenher im nationalen Statistikamt und war | |
[2][Mitglied der Peronistischen Universitätsjugend], war verheiratet und | |
hatte einen kleinen Sohn. Vielleicht, weil er sich auch im Armenviertel | |
Villa 31 sozial engagierte, könnte Carlos Gustavo ins Visier der Militärs | |
geraten sein. | |
Als ihr Sohn verschwand, machte sich Nora Cortiñas auf die Suche nach ihm. | |
Ihr Schwager erzählte ihr von Müttern, die ebenfalls auf der Suche nach | |
ihren verschwundenen Kindern waren und sich auf dem Platz vor dem | |
Präsidentenpalast trafen. Im Mai 1977 ging Cortiñas zum ersten Mal auf die | |
Plaza de Mayo und formte mit den anderen Müttern die nach ihnen benannte | |
Organisation. | |
## Kämpferin für Gerechtigkeit und gegen das Vergessen | |
Nora Irma Morales wurde am 22. März 1930 als eine von fünf Töchtern in | |
Buenos Aires geboren. Früh lernte sie ihren Mann Carlos Cortiñas kennen, | |
den sie mit 19 Jahren heiratete. 1952 kam Sohn Carlos Gustavo zur Welt, | |
später das Brüderchen Marcelo Horacio. Cortiñas arbeitete als Näherin, der | |
Vater im Wirtschaftsministerium. Später studierte sie Sozialpsychologie und | |
hatte einen Lehrstuhl für Wirtschaftsmacht und Menschenrechte an der | |
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Buenos Aires inne. | |
Cortiñas sagte einmal: „Der Verlust eines Kindes ist immer eine Tragödie, | |
aber man muss sich damit abfinden, damit man nicht in diesem Labyrinth | |
gefangen bleibt und denen helfen kann, die in der gleichen Situation sind.“ | |
Bis zuletzt ging sie jeden Donnerstag auf die Plaza de Mayo und machte mit | |
anderen Madres der Plaza de Mayo die Runde, um Aufklärung über das | |
Schicksal ihres Sohnes zu fordern. „Die 30.000 Verschwundenen werden in | |
Frieden ruhen, wenn der Kampf weitergeht, wenn wir [3][die ganze Wahrheit | |
über die Geschehnisse erfahren, wenn es Gerechtigkeit gibt mit lebenslangen | |
Haftstrafen für Völkermord], wenn wir nicht vergessen“, sagte sie. Was die | |
Militärs mit ihren Sohn gemacht haben, hat Cortiñas nie erfahren. x | |
31 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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