Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Baustellen in Kroatien: Asphalt für Europa
> Im Sommer herrscht in Kroatien Baustellenstopp, um den Tourismus nicht zu
> stören. Ausnahmen gibt es trotzdem, wenn das Geld aus der EU fließt.
Bild: Eine neue Asphaltstraße ist immer ein schöner Anblick vor einer Wahl
Kritiker nennen die [1][EU eine Festung], erbaut zur Abwehr unerwünschter
Gäste aus Übersee. Kroatien hat viele berühmte und spektakuläre Festungen:
antike (erbaut von Illyrern zur Abwehr von Griechen und Römern),
mittelalterliche (erbaut von Venezianern zur Abwehr von Osmanen und von
Kroaten zur Abwehr von Venezianern) und [2][gegenwärtige] (gekauft von
arabischen Hotelbesitzern zur Abwehr konkurrierender Scheichs).
Die EU ist auch eine Baustelle, ein unfertiges Projekt, an dem ständig
etwas erweitert, eingerissen, oder übermalt wird. Im Kroatischen erinnert
„bauštela“ an die „Gastarbajteri“ und gebaut wird in diesem Land noch
immer, was das Zeug hält. Ob eine Baugenehmigung vorliegt, ist egal,
entscheidend ist die Frage, wie weit es zum Strand ist. Die kroatische
Küstenrandbebauung ist auf dem spanischen Weg.
Oft heißt es, Kroatien hätte von Spanien nicht gelernt, wo heute
massenweise riesige Bettenburgen die Küste nachhaltig geschädigt haben. Das
stimmt natürlich nicht ganz. Denn gelernt haben die Kroaten, dass sich mit
[3][Massentourismus] sehr schnell sehr viel Geld verdienen lässt. Und nur,
weil die Landschaft hinter den Häusern verschwindet, heißt das noch lange
nicht, dass die Touristen komplett ausbleiben.
Touristen sind in Kroatien geschützter als die spektakuläre Landschaft.
Daher darf ab 1. Juni für drei Monate nirgendwo mehr eine Baustelle sein,
damit sich der kostbare Reisende nicht gestört fühlt und nächstes Jahr sein
Sommerbett in der Türkei oder Tunesien reserviert. Ein Freund musste die
Renovierung seines Hauses deswegen letzten Samstag abbrechen. Am gleichen
Tag jedoch wurde im Nachbarort die komplette Hauptstraße aufgerissen, um
neuen Asphalt zu verlegen.
## Plötzlich auf der Baustelle
Wir spazierten dorthin, um diese unfassbare Dreistigkeit zu bestaunen, und
trafen auf kopfschüttelnde Anwohner. „Wie kann das sein? Wieso dürfen die
die Touristen mit Staub und Lärm bewerfen und ich nicht?“, regte sich der
Freund auf. „Wo ist die EU, wenn man sie mal braucht?“, fragte ein anderer
und meinte das nicht nur ironisch.
Die Gemeinde hatte acht Monate Zeit, die Straße neu zu asphaltieren, warum
ausgerechnet am ersten Tag, an dem die Touristenruhe gilt? Der Besitzer
einer Strandbar unterhalb der Straße liefert eine Erklärung: „Am Sonntag
sind Wahlen. Unsere Gemeinde hat sehr viel Geld aus Brüssel bekommen, und
jetzt reißt sie eben die Straße auf, damit die Touristen und die
Einheimischen sehen, dass wir auch was tun für das Geld und entsprechend
wählen.“ So absurd sich das anhört, so wahrscheinlich dürfte das sein.
5 Jun 2024
## LINKS
[1] /Migrationsabkommen-der-EU/!6004505
[2] /Bauplaene-in-Kroatien/!6005123
[3] /Touristensaison-in-Kroatien/!6011473
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Kolumne Vor der Tür
Schwerpunkt Europawahl
Kroatien
Tourismus
Baustelle
Schwerpunkt Europawahl
Schwerpunkt Europawahl
Kolumne Vor der Tür
Kolumne Vor der Tür
Kolumne Vor der Tür
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kroatiens Europabild: Eine Brücke zu Lidl
Die EU finanziert eine Verbindung auf die Insel Čiovo. Begeisterung über
Brüssel löst das nicht aus. Die Gemeinschaft wird seit je her skeptisch
gesehen.
Ukrainer in Irland: Alle Zimmer belegt
Der Tourismus in Ballyvaughan bleibt seit der Ankunft ukrainischer
Geflüchtete aus. Rechte Parteien missbrauchen den Unmut für ihre Zwecke.
Vor der Europawahl: Österreichs Quälerei mit der EU
Vor der Europawahl in Österreich sind sich viele noch im Unklaren, wen sie
wählen. Die Einheimischen beschäftigen sich lieber mit sich selbst.
Spaniens Fernbeziehung zur EU: Iberische Reisemuffel
In Spanien verstehen sich die Menschen größtenteils als Europäerinnen und
Europäer. Die anderen EU-Länder bleiben ihnen meisten dennoch fremd.
Austrittsfantasien in Schweden: Der hilfsbereite Nationalist
Er unterstützt bei Reparaturen, Ungeziefer und Glatteis: der schwedische
Nachbar zeigt sich von seiner besten Seite. Bis er über Politik spricht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.