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# taz.de -- Karneval der Kulturen: Millionen für kulturelle Vielfalt
> Die traditionsreiche Großveranstaltung startet am Freitag und setzt auf
> Sicherheit und Diversität. Sie gestalten über 3.500 Leute und 59 Gruppen.
Bild: Eine Darstellerin in Aktion beim Karneval der Kulturen 2023
Berlin taz | Knallig, schrill und laut. Ab Freitag zieht der Karneval der
Kulturen trommelnd und bunt durch Kreuzberg. „Wir stellen uns gegen eine
Welt, in der immer weiter polarisiert wird“, sagt Aissatou Binger von der
Karnevalsleitung. „Gerade in Zeiten von öffentlichen Debatten um
‚Remigration‘ ist es umso wichtiger, eine Plattform zu schaffen, die
Gemeinsamkeiten, Begegnung und Austausch fördert.“ So versteht sich das
vier Tage dauernde Fest selbst als Bekenntnis zur Toleranz, Respekt und
Solidarität.
Nach Angaben der Veranstalter*innen werden mehr als 3.500
Akteur:innen und 59 Gruppen den Umzug mitgestalten. Damit erreicht das
Festival fast einen Umfang wie vor der Pandemie. [1][Im vergangenen Jahr
waren mehr als eine Million Zuschauer:innen gekommen], die
Veranstalter*innen erwarten dieses Jahr ähnlich viele.
Geschichtlich entwickelte sich der Karneval Anfang der 90er Jahre rund um
das multikulturelle Kulturzentrum „Werkstatt der Kulturen“ in Neukölln.
Heute werden die Jahre rückblickend „Baseballschlägerjahre“ genannt. Der
Karneval war damals eine öffentliche Reaktion und ein Zusammenschluss gegen
aufkeimenden Rechtsextremismus.
„Das Erstarken der AfD und offene rechte Tendenzen in der Gesellschaft
machen es auch heute gefährlich, sich öffentlich zu positionieren, speziell
aus einer nichtweißen und postmigrantischen Perspektive“, sagt Binger. Sie
sieht den Karneval damals wie heute als ein „Forum der Begegnungen“ für
Berliner Communities mit verschiedenen kulturellen Bezügen, die nicht nur
herkunftsbezogen sind. „Es geht uns darum, dass der Karneval nicht
ausschließlich als Folklore-Event missverstanden wird“, ergänzt Co-Leiterin
Geraldine Hepp.
## Veranstaltung soll nicht missbraucht werden
Inwiefern die Auseinandersetzungen um den Nahostkonflikt auch auf dem
Karneval eine Rolle spielen werden, ist auch für die
Veranstalter*innen noch unklar. Die Karnevalsorga wählt die Gruppen
für den Umzug nicht aktiv aus, sondern agiert als koordinierendes und
schützendes Organ. „Alle Gruppen müssen den Teilnahmebedingungen und dem
Verhaltenskodex zustimmen“, sagt Hepp.
„Darin heißt es unter anderem, dass keine religiösen, parteipolitischen
oder extremistischen Inhalte wiedergegeben werden dürfen.“ Wenn
Teilnehmer:innen oder Besucher:innen das nicht einhielten, werde
man dagegen vorgehen. [2][Ein offizielles Nationalfahnenverbot soll es aber
nicht geben.] Geraldine Hepp räumt allerdings ein, dass „ein Missbrauch der
Plattform“ passieren könne. „Das war bedauerlicherweise auch schon immer
Teil des Karnevals“, sagt sie, in der Vergangenheit sei es eher um
Auseinandersetzungen wegen etwa kultureller Aneignung gegangen.
Etwas skurril und abschreckend wirkten beim Umzug im vergangenen Jahr die
Überwachungstürme entlang der Strecke mit dem Namen „Prefender Pro“. Auch
dieses Jahr werden die futuristisch wirkenden Säulen, die mit Kameras und
Megaphonen bestückt sind, entlang der Strecke stehen. Sie sollen den
Zuschauer:innen ein größeres Sicherheitsgefühl vermitteln. Die Türme mit
der Aufschrift „Next Level Control“ werden vom Veranstalter selbst
aufgestellt, sagt Binger.
„Es geht nicht darum zu überwachen, sondern darum, einzuschätzen“, sagt
sie. Grund dafür seien Vorfälle wie der terroristische Anschlag am
Breitscheidplatz 2016 oder die Massenpanik bei der [3][Duisburger
Loveparade 2010]. In Absprache mit dem Sicherheitsdienst wird im
„Crowdmanagement“ darauf geachtet, wie bestimmte Besucherströme verlaufen,
um bei einer Überfüllung einen Besucherstopp oder Sicherheitsmaßnahmen
einzuleiten.
## Alles auf Sicherheit
In den vorherigen Jahren wurden dafür immer Personen, sogenannte
Crowdspotter, eingesetzt. „Mit den Kameratürmen können wir situativ viel
schneller entscheiden“, sagte Binger. Die Kamerasysteme werden dabei zur
Live-Einschätzung benutzt und nicht dazu verwendet, Daten zu speichern oder
Personen zu identifizieren. „Die Polizei hat keinen Zugriff auf die
Aufnahmen“, sagt sie.
Um eine Anlaufstelle für Betroffene zu schaffen, setzt der Karneval der
Kulturen auf ihr Awarenessteam. „Wer sich auf einer emotionalen oder
körperlichen Ebene unwohl fühlt oder beispielsweise rassistisch belästigt
wird, kann sich bei dem Awarenessteam melden, diese seien an festen Spots
und teils auch mobil an der Strecke zu finden.
Neben dem Umzug am Sonntag treten beim Straßenfest am Blücherplatz rund 700
Musiker*innen und Künstler*innen auf – unter anderem auf der neuen
Listen To Berlin Live-Bühne auftreten werden. Auf dem Parkplatz an der
Zentral- und Landesbibliothek Berlin ist der neue Treffpunkt
„Zukunfts(T)raum“ zu finden. Dort haben Festgäste die Möglichkeit, Projek…
von Kunstkollektiven und der Zivilgesellschaft zu entdecken.
Im Gegensatz zum letzten Jahr wurde die Umzugsstrecke aus Sorge um
Überfüllung für dieses Jahr wieder verlängert. Der Umzug startet am
Mehringdamm und führt über Gneisenaustraße und Hasenheide zum Hermannplatz.
Rund um den Umzug und den Festplatz gibt es großräumige Straßensperrungen
und Halteverbote.
## Suche nach weiteren nachhaltigeren Lösungen
Insgesamt steht dem Karneval ein Budget von 2,3 Millionen Euro zur
Verfügung, von dem mehr als die Hälfte vom Senat kommt und der andere Teil
durch Lizenzgebühren und Sponsoring finanziert wird. Um der
Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken, werden die kulinarischen Stände
mit Essensretter:innen kooperativ zusammenarbeiten. Außerdem werden
zwei Drittel der Gruppen keine Verbrennungsmotoren verwenden. Um Wiesen und
Parkanlagen zu schützen, wird der Zugang über die Hasenheide zum Umzug
dieses Jahr nicht möglich sein.
Fürs Aufräumen danach hat sich ALBA ein Recycling- und Glasflaschenkonzept
überlegt. Die Veranstalter:innen rufen außerdem für Montag zu einer
„Clean-Up Aktion“ auf. Dabei sollen Anwohner:innen zusammen mit
Karnevalsmitarbeiter:innen den Mittelstreifen der Gneisenaustraße
wieder fit machen.
15 May 2024
## LINKS
[1] /Berliner-Karneval-der-Kulturen/!5933256
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[3] /Loveparade-Prozess-endgueltig-eingestellt/!5677574
## AUTOREN
Kai Liesegang
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