# taz.de -- Die Wahrheit: Antreten zum zapfigen Zapfenstreich | |
> Bundeswehr von innen: Strammstehen mit General Brüll und Schütze Arsch | |
> beim morgendlichen Appell. Ein allerletzter Rapport vor Dienstende. | |
Bild: Der Durchblick ist bei der Bundeswehr mit eingebaut | |
Aufrecht und straff marschor der General aus der Kaserne auf den Hof. | |
Scharf überblack er die Lage und nickte innerlich. Das Regiment war in Reih | |
und Glied. Stolz wolb sich die Brust des Generals beim Anblick der jungen | |
Soldaten seiner Truppe. | |
„Stillstann’! Blick ’radeaus!“, erschall des Korporals Stimme. „G’w… | |
präääs’tiert!“ | |
Es klopp wie am Schnürchen. Der General schratt die Front ab. Stramme | |
Haltung, dachte es zufrieden in seinem Kopf, dachte der. Zackig. Knackig. | |
Und stramme Haltung! Er hobte seine rechte Hand am Ende des Uniformärmels | |
bis in Kopfhöhe und grüßelte. Auch das klopp wie am Schnürchen! | |
Vor-züg-lich! | |
„Aung links! Aungechts! Aung’ra’aus!“, kommandierte der Korporal stark … | |
zimmermann-strack. Es war eine Lust zu leben. Soldatsein war herrlich, also | |
war es herrlich, Soldat zu sein. Und eine Lust zu leben, was eine Lust! Mit | |
Donnerhall und Büchsenknall, Schwertgeklirr und … und … Donnerhall! Erhaben | |
hobte der General das Haupt beim Anblick. Er selbst hatte die Kerls | |
ausgebildet, damals, vor Dings, vor 50 Jahren. | |
„Spindkontrolle!“, befohl der General und sah, wie Unordnung in die Reihen | |
der Rekruten schosste, Unruhe in den Augen flackte und Unordnung in die | |
Reihen kam. „Stillstann!“, donnerte der Korporal, nein, der General. Hatte | |
er wirklich „Spindkontrolle“ geruft? Dann musste es richtig. Aber nicht | |
erst Stubendienst einnorden … anordnen?! Und Hemdenfalten auf DIN A4! | |
Er musterte das Viereck der zum Appell Angetretenen. Hatten die sich | |
überhaupt ordnungsgemäß? Der General nomm einen Schluck aus der | |
Feldflasche, sein Gehirn auf Vordermann bringen. Das machte der Dienst, der | |
anstrengende, seit 50 Jahren, seit bald 60, vielleicht 70 Jahren! In seinem | |
Kopf war es heiß wie im Arsch einer Kuh. Musste er wirklich in der | |
Mittagshitze auf den Arsch gehen, Marsch gehen, auf dem Zahnfleisch? | |
Zahnfleisch, jawoll! Jetzt war er wieder in der Spur und tat, was zu sagen | |
getan sein musste. „ABC-Alarm! Sprühangriff! Gasmasken auf!“ Er worf den | |
Helm ab, reißte die Maske aus der Tasche, wurf den Helm ab, entrullte die | |
ABC-Schutzplane, stolpte sie über, stulp die Maske über und kauerte hin. | |
Aber er bekam keine Luft bekommen! War er vielleicht schon tot? | |
## Im Laufmarsch, marsch | |
Auch das Regiment rührte nicht. War es ebenfalls? Also erst mal zur | |
Essensausgabe! „Im Laufmarsch, marsch!“, kommandidierte der General markig | |
und übernahm die Führung des Spähtrupps im Laufschritt, marsch, marsch. Und | |
ducken! | |
Er robbte durchs Gas, Gras, hatte Halme zwischen den Zähnen und Halme. | |
Kugeln pifften knapps über seinen Halm, seinen Helm, zum Donnerhall, nein, | |
zum Don, zum Donnerwetter! Aus seinem Hintern ragte ein Zweig. Tarnung war | |
alles, war es! | |
Wenn nur diese Kopfschmerzen in seinem Kopf nicht wären. Er sitzte gestern | |
Abend in der Kantine mit den Kameraden und trank ein Bier. Und zum Bier | |
noch ein Bier! Wie viele Biere waren es wohl gewesen waren? | |
„Latrinenparole!“, krisch der Uffz, und er musste. | |
Der Kompaniechef hatte ihn trotzdem beordert gehabt. Unbefangt trat er rein | |
und wurde sofort hinaus, hinausgeworfen. „Raus! Anklopfen! Reinkommen! | |
Zügig Meldung machen, Schweinehund! Abtreten!“ | |
Der General hatte das und sich im Griff wie das. Er selbst war ja der | |
Kompaniechef! Dem Schützen Arsch würde er schneidig Hören und Sehen | |
vergehen gemacht. In den Bau! „Wenn Sie nicht in einer Sekunde, verpisse | |
ich mich! Vergesse ich mich!“ | |
Hatte er sich wirklich verpissen? Vergessen? In seinem Kopf kreiste es. | |
Simserim, sim, sim, sim, sim … Was war los mit ihm, ganz los! Und wer war | |
schuld? Der Feind! Der Iwan! Wo? Wo?! | |
Dort! Der General strolch durch das Gelände, schloch durch den Wald, | |
Gewehre kanallten, Schüsse karachten, Garanaten palatzten, splissten Bäume | |
der Länge nach gespaltet. Da! Ein schwerer Knall, war er selbst das? Es | |
ronn über seine Beine in die Stiefel und wärmte, wärmte warm und schön! | |
„Ein Lied!“, rufte der General. Er war Zugführer. Bei jedem Schritt schwupp | |
die Dings in seinem Dings, in seinem Schädel, in seinem Stiefel, schwapp. | |
Es ging auf und ab, ab und auf und schobte Wachdienst. Wie lange schon? | |
Seit 80, 90 Jahren? Nein. Er nahm auf dem Flur Aufstellung, die Fußspitzen | |
berührten die zweite Fuge der fünften Steinplatte von links. Oder rechts, | |
egal. Nein, nicht egal! Und warum? Darum, Himmelarschundzwirn! Er war | |
Rübenschwein, Rotarsch und Kamerad Schnürschuh, aber er war General war er | |
doch! | |
Plötzlich war er auf seiner Stube und reinte die Braut, seine Braut! Sein | |
Gewehr mit Waffenöl, Docht und Kette, als ihm auch schon, als die Sirene | |
erschrillte. Einsatz! Er rob sich die Augen aus dem Schlaf und sprung aus | |
dem Biwak. Halb sieben! Um sechs zur Musterung sein musste er, wo der | |
Stabsarzt ihm in die Leisten groff. Umpf! | |
Und brrrmmm! Aufheulte der Motor und sprang, sprang an. Die Panzer | |
dröhnten, dass Himmall und Eherde wawackelten. Manöver! Sturmangriff! Er | |
rannte los, die Hühner stobten auseinander, er kriegte keines zu fassen | |
kriegen. In der Tür zum Hof stand sein Vater und lachte lachend. „Reißt | |
euch zusammen!“, broll er. „Ich will Soldaten sehen, echte Krieger! Und | |
keine Hühner bei Gewitter nicht!“ | |
Balitz und Tonner! Der Gefechtslärm klingelte dem General in den Ohren. | |
Brüllend umwolk ihn der Dampf der Geschütze, zuckend umspuckten ihn | |
prasselnde Zitze, ach was, Blitze. Zawomm! Mit einem Schlag war er wach und | |
strich mit dem Zeigefinger die Fußleiste entlang. Staub, zum Donnerkeil! Wo | |
war der Stubenälteste?! Verdammte Hacke, er war der Stubenälteste! | |
## Re’ment in Reihunglied! | |
Jetzt nur kein Anschiss! „Konfliktvermeidung!“, krakeelte es im Kopf, und | |
mit einem Mal wusste er wieder alles. Das Herz schwall ihm vor Freude. | |
„Stillstann’! Rührn! Sitz! Platz! Fass!“, scholl seine Stimme über den | |
sonndurchfluten Kasernenhof. Nein Bauernhof. Doch Kasernhof. Das Re’ment in | |
Reihunglied. Die Stimme des Korporals war ihm seine! Stolz wolb sich die | |
Brust beim Anblick seiner Truppe, dass seine Brost sich nur so wolbte. Die | |
Brost mit den Orden sein, ihm dem General! | |
Ja, manchmal war es, als hätte ihm die Sonne ins Gehirn. Keinen klaren | |
Gedanken konnte er dann unter keinerlei Umständen nicht fassen! Er musse | |
sich lagern, legen. Oder lag er schon seit 100 Jahren hier im Unterstand, | |
in diesem Graben, im Bett, im Hauptquartier? Leise spielte die Marschmusik | |
leiser, und es dämmerte, dass es ihm dümmerte. Das war der Zapfenstreich, | |
war es das? Abendrot, Abendrot! Leuchtest ihm zum … | |
30 Apr 2024 | |
## AUTOREN | |
Peter Köhler | |
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