# taz.de -- Umstrittenes Aquarium Ocean Berlin: Freie Bahn für Coral World | |
> Das Unternehmen feiert zusammen mit der Bezirkspolitik den Baubeginn des | |
> umstrittenen Aquariums. Protestaktionen blieben aus. | |
Bild: Verspachteln den „Grundstein“: Bezirksbürgermeister Martin Schaefer … | |
BERLIN taz | Bei der symbolischen Grundsteinlegung auf der Baustelle an der | |
Rummelsburger Bucht am Donnerstagmittag ist Lichtenbergs Bürgermeister | |
Martin Schaefer (CDU) anzumerken, dass er besser mit Worten als mit der | |
Maurerkelle umgehen kann. „Wir sind in Lichtenberg stolz, dass wir der Ort | |
für Coral World sein dürfen. Aber es gehört auch zur Wahrheit, dass viele | |
es nicht sind.“ Anschließend verspachtelt Schaefer zusammen mit dem aus | |
Israel angereisten Coral-World-Manager Erez Ben Nun eine Betonplatte. | |
Nach vielen Verzögerungen beginnen jetzt die Bauarbeiten an dem | |
umstrittenen, nun „Ocean Berlin“ genannten Aquarium. Die Ausmaße des | |
Projekts werden gigantisch. Insgesamt 10 Millionen Liter sollen die Becken | |
der Anlage fassen. Allein 7,5 Millionen davon sollen auf das größte | |
Aquarium entfallen. Als „eines der größten Becken der Welt“ bezeichnet Ben | |
Nun die Anlage. Zum Vergleich: Alle Becken des Zoo-Aquariums fassen | |
zusammen rund 700.000 Liter. Das Ende 2022 in der Lobby des Radison Blu | |
Hotel zerborstene Aquadom hielt eine Million Liter. | |
Den Platz will Coral World nutzen, um verschiedene Unterwasserökosysteme | |
nachzubilden. Neben einem selbst gezüchteten Korallenriff sollen auch ein | |
Magrovengebiet und eine karibische Lagune entstehen. Außerdem will das | |
Unternehmen noch ein 3D-Kuppelkino unterbringen, „wo die Illusion von einem | |
Tauchgang mit lebenden Walen vermittelt wird“. Ben Nun schätzt das | |
Investitionsvolumen auf 90 Millionen Euro. | |
Gekommen ist eine illustre Mischung aus Vertreter:innen der | |
Bauwirtschaft und der Bezirkspolitik, dazu Anwohner:innen, die das Projekt | |
befürworteten. Für sie ist es der endgültige Sieg in einer jahrelang | |
erbittert geführten Auseinandersetzung um die Bebauung des Ufers der | |
Rummelsburger Bucht. | |
## Gegner:innen haben aufgegeben | |
2016 verkaufte der damalige rot-schwarze Senat das landeseigene Grundstück | |
deutlich unter Marktwert an Coral World mit der Auflage, ein „Wasserhaus“ | |
zu errichten. Die Aquariumspläne brachten nicht nur Anwohner:innen auf | |
die Palme, die sich lieber bezahlbaren Wohnraum und Schulen wünschten, | |
sondern auch die alternative Szene. Denn für die geplante Bebauung durch | |
Coral World und noch einige weitere Investor:innen mussten unter | |
anderem ein Techno-Club, zwei Wagenplätze und ein Obdachlosencamp weichen. | |
„Es ist ein falsches Projekt für den falschen Ort“, kritisiert der grüne | |
Stadtentwicklungspolitiker Julian Schwarze das Ocean. Statt | |
Touristenattraktion hätte der Senat die entstandenen Freiräume sichern | |
müssen. Die Coral-World-Gegner:innen ließen nichts unversucht: Mehrere | |
Großdemos, Petitionen und Klagen konnten den Baubeginn nicht aufhalten. | |
Nur: Von dem unermüdlichen Engagement, das die Coral-World-Gegner:innen | |
noch vor wenigen Jahren an den Tag gelegt haben, ist nichts mehr zu spüren. | |
Die Grundsteinlegung verläuft ohne Protest, die Initiative „Rummelsburger | |
Bucht für Alle“ ist inaktiv. „Der Kampf wurde mit Argumenten gewonnen, aber | |
wir sind von den Tatsachen überrollt worden. Das ist frustrierend“, sagt | |
Grünen-Politiker Julian Schwarze. | |
## Geänderte Verträge? | |
Nachdem im Januar 2021 der Bezirk Lichtenberg mit der Räumung eines | |
Obdachlosencamps das letzte Hindernis beseitigt hatte, passierte lange | |
nichts auf dem Grundstück. Die zweijährige Frist für den Bauantrag ließ das | |
Unternehmen fast verstreichen. Zwischenzeitlich kamen Spekulationen auf, | |
Coral World verzichte auf einen Bau. | |
Im Januar sorgte eine RBB-Recherche für Aufregung, die aufdeckte, dass die | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heimlich den Kaufvertrag mit Coral | |
World abgepasst hat, als klar wurde, dass die im Vertrag formulierte Frist | |
von „innerhalb von vier Jahren nach Eintreten der Bestandskraft einer (…) | |
Baugenehmigung, spätestens jedoch vor Ablauf von fünf Jahren ab | |
Übergabetag“ nicht einzuhalten sein könnte. Das nämlich wäre schon der 1. | |
Juni 2024. | |
Die Senatsverwaltung verlängerte dem RBB zufolge die Frist auf den 1. April | |
2026, indem sie den Passus, der sich auf den Übergabetag bezog, einfach | |
strich. Laut Kaufvertrag wäre beim Reißen der Frist eine Rückabwicklung | |
oder Strafzahlung möglich gewesen. | |
Auf Anfrage teilt ein Sprecher der Senatsverwaltung mit, es handelte sich | |
nicht um eine Änderung, sondern lediglich um die Anpassung „eines | |
missverständlichen Vertragstextes“. | |
## Politik hofiert | |
Für Kritiker:innen wie die Linken-Abgeordnete Hendrikje Klein ist die | |
Fristanpassung jedoch eine weiteres Zeichen dafür, dass der Senat Coral | |
World hofiert: „Es ist ein einmaliger Vorgang.“ Besonders schwerwiegend | |
sei, dass die Vertragsänderung ohne Wissen des Parlaments vonstatten | |
gegangen sei. | |
Auch Coral-World-Manager Ben Nun zeigte sich am Donnerstag zufrieden mit | |
der Unterstützung der Politik: „Wir haben uns immer von Senat und Bezirk | |
willkommen gefühlt.“ | |
25 Apr 2024 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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