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# taz.de -- Die Wahrheit: Rumpelkumpel gegen penible Puppen
> Manche Influencerinnen wollen als Tradwives zurück in dienende Rollen,
> aber vielen Männern sind sogar solche Frauen zu herausfordernd.
Bild: Ist der Tradwife-Hype nur ein Cosplay im reaktionären Gewand?
Kinder, Küche, keine Karriere und das Umsorgen des Ehegatten: Als
rückwärtsgewandte „Tradwives“ präsentieren sich junge Frauen heute im
Internet. Im Look der fünfziger Jahre lassen die perfekten Hausweibchen
traditionelle Rollenbilder auferstehen und machen Tiktok-Videos übers
Backen, Kochen und die Unterordnung der Frau. Das bisschen Haushalt machen
die Traditionsgattinnen nebenbei – natürlich auf Instagram.
Aber was steckt wirklich hinter dem Trend? Sind Tradwives der Pixel
gewordene Traum rechter Parteien weltweit? Oder ist die reaktionäre
Rückbesinnung nur ein Fake, mit dem zynische Influencerinnen Millionen
von Klicks einsammeln? Meint es das Tradwife im Glockenrock gar nicht so
genau mit der Tradition? Und vor allem: Was sagt ihr Mann dazu?
Apropos Mann: Wie gefährlich ist der Tradwife-Hype für den
durchschnittlichen, mittelalten Muffelkopp von Mann? Danach fragt mal
wieder niemand, außer wir natürlich.
## Gefährdete Männlichkeit
„Wahrscheinlich ziemlich gefährlich, irgendwie“, meint Gordon W. Patzek,
selbst ernannter Teilzeitkurator sozialer Medien. Er hat sich unlängst eine
gute Viertelstunde mit dem Thema beschäftigt. Währenddessen hat der
sympathische Tagedieb einen digitalen Schutzschirm gebastelt, mit dem er
Leidensgenossen helfen will, die sich sogar von servilen Weibchen am Herd
in ihrer Männlichkeit angegriffen fühlen.
Seine Geschäftsidee entwickelte Patzek in einer Garage, die sich laut
Aussage des Entrepreneurs nahe Pasadena, Kalifornien, befindet. Dort lebt
der passionierte Bademantelträger seit 23 oder 49 Jahren – je nachdem, wer
fragt.
Überprüfen konnten wir die Richtigkeit seiner Angaben leider nicht. Gleich
zu Beginn unseres Videocalls hat uns Patzek mit seiner Lässigkeit so
angesteckt, dass wir hauptsächlich mit dem Joint beschäftigt waren, den wir
uns auf sein Anraten reinziehen mussten.
Auf diese Weise entstand folgendes Gedächtnisprotokoll von Patzeks Monolog,
den er auf einer professionell durchgesessenen Couch in Kalifornien mit
einem beachtlich authentisch wirkenden Ruhrpottdialekt hielt:
## Lümmelig auf Jagd
„Hömma, Fakt ist, sach ich mal: So ’n Typ, so ’n normaler, klar will der,
dass zu Hause alles tippitoppi aussieht. Die Wohnung, die Frau, meinetwegen
auch die Kinder. Aber halt nicht immer. Weil dann die Komplexe hochkommen,
ganz schnell. Sprich: Was nutzt dir ’ne top gestylte Perle, die sogar die
Controller von der Playstation putzt, wenn du in der ganzen Pracht dann
aber so ’n bisschen lümmelig daherkommst? Und das tut ja jeder Kerl ganz
automatisch, wenn der nicht täglich in die Muckibude rennt und sich am Ende
noch pflegt mit Creme und so. Das kost’ ja auch wieder Zeit, die du dann
ganz umsonst gespart hast. Und wir Männer, wir lieben ja die Jagd, also
instinktiv, theoretisch. Die ist dann aber auch vorbei.“
Bedeutungsschwer schließt Patzek die Augen, als horche er nach einer
tiefen, inneren Wahrheit, aber dann schnarcht er.
An dieser Stelle erinnern wir uns dunkel, sehr laut gefragt zu haben, was
seine Ausführungen mit dem Tradwife-Hype und Patzeks Geschäftsidee zu tun
haben sollen. „Komm, geh wech. Ist doch klar“, bölkt der wieder erwachte
Ausnahmeunternehmer und baut noch eine Tüte.
„Einzige Alternative zur peniblen Puppe ist dann ein Rumpelkumpel. Also
einer, der noch weniger auf die Kette kriegt als du, und zwar ganz
offensichtlich, für alle sichtbar im Internet.“
Patzek schwenkt den kamerabestückten Laptop durch seine unaufgeräumte Bude.
Der Boden ist übersät mit Pizzakartons, alten Socken und Bierdosen. In der
Spüle bäumt sich ein bereits pelziges Geschirrmonster auf.
## Buddy für´n Fuffi
„Und diesen Service biete ich jetzt an, ich bin ‚Tradbuddy‘ “, triumphi…
Gordon W. Patzek, dem nichts Männliches fremd ist. Bei einem Kinobesuch in
Kindertagen will er sich ein ausgewachsenes Peter-Pan-Syndrom eingefangen
haben, weswegen er zeitlebens weder einen Beruf ergreifen noch eine
Beziehung führen oder gar abwaschen kann. Diesen Lifestyle will er nun
promoten.
„Ich lade sogar Videos auf Tiktok hoch, wenn ich es gebacken kriege, also
eher selten. Aber weil die ganze Angelegenheit eine echt reale Problematik
ist, biete ich auch Männerworkshops an. Einfach hier vorbeikommen, die
untere Klingel drücken, die Kohle im Voraus abgeben, aber nur Cash. Für ’n
schmalen Fuffi pro Stunde dürfen die Jungs dann mit mir abhängen und sich
besser fühlen, weil sie nicht so vollkommen verpeilt sind wie ich“, erklärt
Patzek und weist auf einen Klamottenhaufen in der Ecke.
„Die dürfen auch ruhig die Wäsche sortieren oder meine Rechnungen. So ’n
Machertyp hat letzte Woche meine Nebenkostenabrechnung auf Fehler
abgecheckt, mir zwei Vorstellungsgespräche und drei Dates organisiert, den
Müll rausgebracht und den Rasen gemäht. Hat extra gekostet, weil das
dauerte schon, bis ich alles wieder in den Naturzustand verwüstet hatte,
aber der Typ, der hat sich gut gefühlt, glaubt das mal. Das war für den
humanitäre Selbsthilfe, der konnte nach Hause und da dann richtig
entspannen mit dem ruhigen Gewissen, dass es mich gibt. Seinen Tradbuddy,
der alles wieder vermasseln wird, unter Garantie. Das ist auch gut für die
Gesellschaft insgesamt, ich mein, muss ja. Und bevor ihr fragt: Das ‚W.‘ in
meinem Namen steht für www. Und dann die Adresse halt.“
## Schlendrian oder Scharlatan?
An diesem uns erinnerlichen Ende des Gesprächs bleibt die Frage weiter
offen: Ist Gordon W. Patzek, ein visionäres Genie, Schlendrian oder
Scharlatan? Und wenn ja: Weiß er davon? Wir sind jedenfalls schwerer
verunsichert als vor unseren Recherchen, bleiben aber an dem Thema dran.
Denn fragwürdige Lifestylekonzepte reaktionären Zuschnitts gibt es überall
im Internet. Schon morgen sind wir online mit Montgomery von der Eichenhöhe
verabredet, der laut seinem tierärztlichen Gutachten nicht nur Trend-,
sondern auch reinrassiger Irish Setter ist. Der nach eigenen Angaben „ganz,
ganz Feine“ möchte uns seine von ihm ins Leben gebellte Bewegung „Traddog�…
vorstellen.
Dabei geht es dem unkastrierten Vollrüden vor allem um eine Abschaffung
der Leinenpflicht, freie Katzenjagd und die Möglichkeiten der
Rückverwolfung gegenüber dem Lassie-faire-Prinzips. Denn eingedenk unserer
journalistischen Pflicht springen wir nicht über jedes Stöckchen, das uns
hingehalten wird, sondern jagen diesem nach, wenn es geworfen wird.
15 Apr 2024
## AUTOREN
Katinka Buddenkotte
## TAGS
Anti-Feminismus
Geschlechterrollen
Soziale Medien
Die Wahrheit
Pflanzen
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Dschungelcamp
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