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# taz.de -- Kulturort in Frankfurt (Oder) bedroht: Eine pandemische Spätfolge
> In Frankfurt (Oder) ringt ein besonderer Begegnungsort ums Überleben. Der
> Konflikt wurzelt in der Corona-Zeit und den Ausgangsbeschränkungen.
Bild: Bunter Begegnungsort in Frankfurt (Oder): die Kulturmanufaktur Gerstenberg
Frankfurt (Oder) taz | In diesem schattigen Ziegelhof am Grenzflussufer
scheint alles für alle möglich zu sein: vom Tanzabend über Konzerte zu
politischen Diskussionen, Kino und Lesung, von Liederwerkstatt und
Spielenachmittag über Co-Working zu Praktika und FSJ. In der kuscheligen
Bar zwischen Theatersaal und Ausstellungsflur treffen Menschen aus allen
Ecken der Stadtgesellschaft aufeinander. In Nachbarräumen probt ein
Musikkollektiv. Rentnerpaare tanzen zwischen Studierenden. Vielsprachig
genießen bürgerliches und alternatives Publikum gemeinsam den einzigen so
freien Kulturraum [1][in Frankfurt (Oder)] unterm zarten Summen der
Oder-Mücken: die Kulturmanufaktur Gerstenberg, kurz Kuma.
Früher befand sich hier in den Ziegelhallen eine Möbelmanufaktur, heute
beleben das Industrieensemble eine kubanische Bar, eine Kletterhalle, ein
Puppentheater und Wohnungen. Die Gerstenberger Höfe sind eine Art
kulturelles Wollknäuel der Stadt.
Und einer ihrer Knoten, die Kuma, wird in diesem Jahr fünf Jahre alt. Doch
Raum und Jubiläum sind in Gefahr, seit der Betreiberin Linda Pickny eine
Nachzahlungsforderung mit Kündigungsandrohung ins Haus flatterte. Datiert
auf den 3. Januar, habe sie das Schreiben aber erst Mitte Februar erreicht,
sagt Pickny, die die Kuma heute allein betreut. Bis Mitte März sollte sie
mehr als 19.000 Euro Miete nachzahlen, die ihr zu Coronazeiten die Mutter
des Besitzers, die jahrelang als Vermieterin und Stellvertreterin vor Ort
war, vorläufig und schriftlich erlassen hatte.
Denn die Lockdowns waren für das damals noch dreiköpfige Kuma-Team ein
harter Schlag − nach bereits fast 100 Veranstaltungen im ersten halben
Kuma-Jahr. Konzerte wurden online gestreamt. Neugierige kamen zum Schwatz
am Fenster, als persönliche Treffen untersagt waren. Die Kuma war bereits
zu einem Begegnungsort gewachsen in der Region. Aber weder Förderung noch
Corona-Hilfe gab es − weil die Kuma zu jung, zu klein, noch ohne Verein
war.
## Bedrohliche Zahlungsforderung
Doch sie überstand die Pandemie, baut ihre Community wieder auf, weitet das
Programm aus. Seit Januar zahlt sie wieder volle Miete. Trotzdem kam die
bedrohliche Zahlungsforderung. Pickny hat sie mit einem Anwalt geprüft und
angefochten. Doch erst nach Verstreichen der Frist habe der Besitzer
geantwortet, ohne auf das Anwaltsschreiben einzugehen: Die Kuma sollte bis
Ende März ausziehen.
„Wir bewerten den Mietvertrag offensichtlich sehr unterschiedlich“, so
Pickny, „wir haben Gesprächs- und finanzielle Angebote gemacht, auch die
IHK ist um Vermittlung bemüht. Aber der Besitzer lehnte ab.“ Auch die Stadt
könne hier nur gut zusprechen.
Der Besitzer hat auf taz-Nachfrage seine Sicht dargelegt: Die
Kuma-Betreiber hätten schon länger von der Nachzahlung gewusst, seien auf
seine Gesprächsangebote nicht beziehungsweise mit der Vermittlung erst nach
Verstreichen der Frist eingegangen. Mittlerweile lese er den Schriftzug
„Kuma für alle, sonst gibt es Krawalle“ über dem Eingang als Aufruf zu
Gewalt und sagt: „Da hört der Spaß auf.“ „Wir würden hier gerne weiter…
die Räume mit Kunst füllen“, sagt er, aber man spreche auch schon mit neuen
Interessenten.
Nun sei die Lage „hochgradig eskaliert“, so Pickny. Der Besitzer hat
Hausverbote gegen sie und einen Unterstützer ausgesprochen, außerdem eine
Anzeige wegen Hausfriedensbruchs angedroht. Doch noch ist die Kuma da und
[2][ruft zu einer Benefizwoche], Pickny will nicht aufgeben: „Wir wünschen
uns so sehr ein sachliches und juristisch fundiertes Gespräch, um hier tief
im Osten diesen Raum erhalten zu können, in dem sich so viele Menschen
begegnen können.“
14 Apr 2024
## LINKS
[1] /Zuwanderung-in-Frankfurt-Oder/!5937402
[2] https://kuma-gb.de/
## AUTOREN
Peggy Lohse
## TAGS
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