# taz.de -- Ex-Spieler Ramelow über Meisterkusen: „Leverkusen ist hübscher … | |
> Carsten Ramelow war einst ein prägender Spieler des ewigen Zweiten Bayer | |
> Leverkusen. Er erklärt, warum das Werksteam nun Fußball-Meister wird. | |
Bild: Bereitschaft, alles reinzuhauen: Carsten Ramelow war bei Leverkusen als A… | |
taz: Herr Ramelow, sind Sie denn am Sonntag im Stadion, wenn Bayer | |
Leverkusen gegen Werder Bremen seine erste Deutsche Meisterschaft feiern | |
kann? | |
Carsten Ramelow: Nein, ich war schon lange nicht mehr im Stadion. Das | |
letzte Mal war ich [1][beim Pokalspiel gegen den VfB Stuttgart] nach langer | |
Zeit wieder einmal da. | |
Sind Sie nicht eingeladen worden? | |
Nein. Aber das ist auch nicht so wichtig. Der Kontakt ist nicht mehr so da, | |
eigentlich nur noch über die Traditionsmannschaft, für die ich aber nicht | |
mehr so oft spiele. Ich habe mich ein bisschen zurückgezogen. Ich bin ja | |
auch schon wieder 16 Jahre raus, [2][und der Verein hat sich | |
weiterentwickelt.] | |
Am letzten Spieltag sind Sie dann vermutlich dabei. | |
Man wird sehen, aber das ist auch nicht so wesentlich. Der Verein hat | |
momentan eine schöne Phase, und da gibt’s dann wahrscheinlich genügend zu | |
feiern. Ob wir dann dabei sind, das ist nicht so wichtig. | |
Mit den entsprechenden TV-Abos schauen Sie doch bestimmt die Spiele von | |
Bayer Leverkusen? | |
Nein, das mache ich schon länger nicht mehr. Ich habe relativ früh nach | |
meinem Karriereende gemerkt, dass es noch viele andere schöne Sachen | |
gibt. Natürlich kann auch ich den Fußball nicht ganz aus meinem Leben | |
streichen. Ich schaue auch immer mit einem Auge, was die Hertha macht, weil | |
ich dort gespielt habe und Berliner bin. Aber ich habe für mich meinen | |
Abstand gefunden. Andere ticken da anders, das ist auch völlig okay. Die | |
sollen in Ruhe feiern mit allen Mitarbeitern und allen Angestellten. Das | |
ist wunderbar, was dieses Jahre dort geleistet wurde. | |
Der greifbare Meistertitel ist so besonders, weil der Verein während Ihrer | |
aktiven Karriere [3][zu einer Marke namens Vizekusen] geworden ist. Ist | |
die Häufung dieser zweiten Plätze bloßer Zufall, oder hat sich damals auch | |
etwas in den Köpfen festgesetzt, was den ganz großen Erfolg schwer gemacht | |
hat? | |
Nein, natürlich ist man im Moment einer Finalniederlage enttäuscht und | |
traurig. Bei mir hielt das aber allenfalls ein paar Wochen an, dann muss | |
man den Kopf wieder aufrichten und nach vorne schauen. Das haben wir immer | |
versucht. Der Eindruck, den man hinterlässt, ist entscheidend. Den Leuten | |
hat das gefallen, sie sind heute noch begeistert von unseren Spielen | |
damals. Vizekusen war für die Medien ein ganz toller Begriff. Ich gebe zu, | |
am Anfang hat man sich ein bisschen darüber geärgert, aber dann standen wir | |
drüber. Was sollst du dagegen auch ankämpfen? Wir haben alles reingeworfen, | |
was ging, aber letztlich hat vielleicht ein bisschen das Können gefehlt, | |
auch das Quäntchen Glück. Das ist anders diese Saison mit dieser | |
Wahnsinnsserie. | |
Bei der letzten Titelfeier von Bayer Leverkusen waren Sie hautnah dabei. | |
Als Spieler der Hertha-Amateure beim Pokalfinale 1993 … | |
Das hat schon fast eine tragische Note. Den ersten Ihrer acht Vize-Titel | |
haben Sie ausgerechnet im Duell gegen das spätere Vizekusen „gefeiert“. | |
Das hat für mich nichts mit Tragik zu tun. Für mich war die Amateurzeit in | |
Berlin mit die schönste Zeit. Dieses Wir-Gefühl, dieser Teamgeist in der | |
Gruppe, das habe ich danach nie wieder erlebt. Und wir haben so gefeiert, | |
als wären wir Pokalsieger geworden. Das war auch total schön, dieses | |
Entspannte, was ich in der Bundesliga so nicht mehr erlebt habe. Deshalb | |
bin ich überhaupt nicht traurig, dass wir damals verloren haben. | |
Was war denn der schönste Vize-Titel in Ihrer Karriere? | |
Schwierig zu sagen. Jeder Wettbewerb hat was für sich. Aber die | |
Weltmeisterschaft 2002 würde ich schon hervorheben. In so einem Kader dabei | |
zu sein, zu den besten Spielern Deutschlands zu gehören, in Japan und | |
Südkorea zu spielen und dann Zweiter zu werden in einem Endspiel gegen | |
Brasilien – das war eine superschöne Erfahrung, etwas Einzigartiges. Und | |
ganz generell, wenn wir jetzt über Vizekusen reden: Wer kann schon von sich | |
behaupten, in einem Finale gestanden zu haben. Ich glaube, viele würden | |
gern mit mir tauschen. | |
Warum läuft bei Bayer Leverkusen jetzt alles anders, gewinnt das Team | |
selbst Spiele, die schon verloren schienen? | |
Im Pokalspiel gegen Stuttgart war ich schon längst aus dem Stadion, dann | |
haben sie es doch noch gedreht. So viele Spiele, auch international, in | |
letzter Sekunde zu gewinnen, das zeugt schon von großer Qualität und auch | |
von Leidenschaft. Dazu brauchst du auch die entsprechenden Typen. Und | |
ausschlaggebend ist, dass das Xabi Alonso als Trainer auch vorlebt. Aber | |
wie sie es dann umgesetzt und konstant beibehalten haben, das ist wirklich | |
sensationell! | |
Wie tragfähig ist das für die nähere Zukunft? | |
Es ist etwas Schönes aufgebaut worden, die Mannschaft hat sich | |
weiterentwickelt, und super ist natürlich auch, dass der Trainer bleibt. | |
Wenn man den Kader zusammenhält, kann man vielleicht den nächsten Schritt | |
machen und die nächsten zwei, drei Jahre stabil um die Meisterschaft | |
mitspielen. Also, die Chancen sind sehr gut. | |
Haben Sie einen Lieblingsspieler im derzeitigen Bayer-Team? | |
Wirtz wird immer gern genannt. Mich überzeugt vor allem das Kollektiv. Das | |
funktioniert einfach von vorne bis hinten. Diese Bereitschaft, alles | |
reinzuschmeißen und kein Spiel aufzugeben. Wer selbst mal gespielt hat, der | |
weiß: Das macht richtig Bock, wenn sich alle vor, hinter und neben dir | |
einbringen. Die sind auch taktisch gut aufgestellt. Aber wenn du nicht | |
alles probierst und nicht alles gibt, dann bringt dir auch die ganze Taktik | |
nichts. | |
Leidenschaftlich geht es in Leverkusen nun auch auf den Tribünen zu. | |
Da haben auch die Fans Spaß. Ich spreche ja mit vielen Leuten, die | |
regelmäßig ins Stadion gehen, und die sind einfach nur begeistert. Seit | |
Monaten ist es sehr schwierig, Karten zu bekommen. Das gab es ja auch | |
selten in Leverkusen. Das ist alles schon irre. | |
Was hat Sie damals als 20-Jähriger von Berlin nach Leverkusen gezogen? | |
Bayer zählte schon zu meiner Zeit zu den Top-5-Klubs in der Liga. Ich wäre | |
gern in Berlin geblieben, aber die haben auch damals Zweite Liga gespielt. | |
Leverkusen war gut aufgestellt. Die ersten Gespräche mit Reiner Calmund und | |
Andreas Rettig waren beeindruckend. | |
Als Standort ist Leverkusen nicht besonders attraktiv. | |
Das war klar, dass Leverkusen jetzt nicht besonders sexy ist. Für mich war | |
das aber nicht wichtig. Aber Leverkusen ist in den letzten Jahren schöner | |
und hübscher geworden. Wenn der Name fällt, denken viele an Qualm und | |
Schornsteine, aber es gibt auch sehr schöne, ruhige, ländliche Ecken. | |
Waren Sie abends mit Teamkollegen in Leverkusen unterwegs? | |
Das hat man schon auch mal gemacht. Wir sind auch mittags mal gemeinsam | |
zwischen den Einheiten in der Stadt etwas essen gegangen, das gibt’s ja | |
heute gar nicht mehr. Das Gemeinschaftliche ist ziemlich verloren gegangen. | |
Das finde ich schade. | |
Sie haben schon gesagt, Sie sind am Sonntag nicht im Stadion. Aber schauen | |
Sie es sich dieses eine Mal ausnahmsweise im Fernsehen an? | |
Nein, ich bin jetzt ein paar Tage im Ausland. Aber ich habe wieder | |
zurückgefunden zum Radio. Das ist toll, und gerade wenn schönes Wetter ist, | |
sitze ich draußen und mache das Radio an. Das wird auch am Sonntag so sein. | |
12 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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