# taz.de -- In Luhansk an der Front: Scharfschützen unter Beschuss | |
> Lange waren sie für die Ukraine an der Front besonders wichtig. Der | |
> Einsatz russischer Drohnen hat ihre Arbeit verändert. | |
Bild: Scharfschütze in Luhansk | |
AUS DEM GEBIET LUHANSK taz | In der Ukraine hat das | |
Verteidigungsministerium die Scharfschützen der Streitkräfte mit neuen | |
Gewehren und [1][ausreichend Patronen] ausgerüstet. Doch das zählt weniger, | |
als man sich wünschen würde. „In Filmen sieht es oft so aus, als ob | |
Scharfschützengewehre wie Laserwaffen schießen: dort, wo hingezielt wird, | |
wird auch getroffen. Aber so ist es nicht“, sagt Alexei, 20-jähriger | |
Nachtscharfschütze und Gruppenführer der 81. ukrainischen Luftlandebrigade. | |
Er steht auf einem Truppenübungsplatz im Donbass. Es weht ein starker, fast | |
orkanartiger Wind. Hier trainieren sie Scharfschießen auf 600, 800 und | |
1.000 Meter. Seit er 18 ist, kämpft Alexei im Krieg und befand sich bereits | |
im Feuergefecht mit feindlichen Schützen. Der junge Mann war an mehreren | |
Hotspots der russisch-ukrainischen Front im Gebiet Luhansk im Einsatz, etwa | |
in Sjewjerodonezk und Rubischne. [2][Aktuell ist er im Bezirk Bilohoriwka, | |
der ebenfalls in der Region liegt und wo russische Einheiten seit Monaten | |
immer wieder in die Offensive gehen]. | |
Die Scharfschützen sind die wichtigsten Soldaten der bewaffneten | |
Streitkräfte der Ukraine. Ihre Ausbildungszeit beträgt mindestens 45 Tage. | |
Auch danach trainieren sie weiter. Neben der Standardausrüstung aller | |
Soldaten haben Scharfschützen zusätzliche teure Ausrüstungsgegenstände, | |
darunter Scharfschützengewehr, Sichtgerät, Zielfernrohre und | |
Dreibein-Stativ im Gesamtwert von 17.000 Dollar. Eine Patrone allein kostet | |
etwa 17 Dollar. | |
Der Gruppenführer zeigt eine kleine Wetterstation, die Windgeschwindigkeit | |
und -richtung, Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit anzeigt. Ohne | |
Berücksichtigung dieser Informationen sind präzise Treffer auf große | |
Entfernungen unmöglich. | |
## Viele Faktoren beeinflussen einen Schuss | |
„Das ist ein schwerer Job. Es reicht nicht, körperlich fit zu sein, man | |
muss auch technisch etwas können. Man muss wissen, wo man sich am besten | |
hinlegt, wo sie dich nicht vermuten und nicht suchen“, erklärt Alexei und | |
schießt ein paar Mal auf 800 Meter. Wegen des starken Windes ist erst der | |
fünfte Schuss ein Treffer. Wäre dies ein echter Kampf, wäre Alexeis | |
Position bereits entdeckt und er mit einem Mörser oder einer Drohne | |
angegriffen worden. | |
Die Arbeit der Scharfschützen an der Frontlinie habe sich im vergangenen | |
Jahr wegen des umfassenden [3][Einsatzes von Drohnen] stark verändert, | |
erzählt der Soldat. Eingesetzt werden sowohl Wärmebilddrohnen, die Ziele | |
auch nachts aufspüren, als auch Drohnen, die bei Tag Munition abwerfen. „Es | |
herrscht jetzt ein Technologie-Krieg.“ Es gebe viele Faktoren, die die | |
eigene Position aufdecken könnten. | |
„Selbst wenn du eine Wärmebildtarnung hast oder anderweitig gut getarnt | |
bist, wirst du sofort abgeschossen, wenn du keine Deckung hast und eine | |
Drohne dich aufspürt. Und wenn man am Boden liegt, ist es noch schlimmer“, | |
sagt der Alexei. Heute müssen Scharfschützen sehr oft ihre Position | |
wechseln. Die Zeiten, in denen sie tagelang an einem Ort liegen und auf das | |
richtige Ziel warten konnten, sind vorbei. | |
## „Drohnen verändern Strategie des Krieges“ | |
Auch der ehemalige Trainer und Lehrer, jetzt Scharfschütze der 81. Brigade, | |
Dmytro, spricht von einer erschwerten Situation. „Die Drohne ist ein Feind, | |
der einfach die Strategie des Krieges verändert hat“, sagt er. Dennoch | |
bleibe trotz der technologischen Kriegsführung die Prioritätensetzung bei | |
den Zielen unverändert: „Ein Scharfschütze sucht einen Scharfschützen“, | |
sagt der ehemalige Trainer. Dann nach Offizieren, Kommandeuren. „Wir suchen | |
nach Hubschrauberpiloten, Granatwerfern und Mörsergeschützen. Unsere | |
Aufgabe ist dieselbe: kommen, trainieren, gehen und überleben.“ | |
Die mediale Darstellung des russischen Militärs als schlecht ausgerüstet, | |
unqualifiziert und unmotiviert stimmt aus Alexeis Sicht nicht. Man dürfe | |
die russische Armee auf keinen Fall unterschätzen, das räche sich grausam. | |
In Bilohoriwka lasse der russische Druck nicht nach, sagt Alexei. Die | |
Besatzer hätten riesige Reserven und brächten immer neue Soldaten an die | |
Front. | |
Dmytro sagt, dass die Russen mehr Männer und Waffen haben. Jedoch steht die | |
Ukraine in der Defensive, sodass sie das militärische Potenzial der Russen | |
reduzieren kann. „Wenn sie 100 Prozent haben, haben wir 15 Prozent davon, | |
das ist meine Meinung“, sagt der Kämpfer über das Ressourcenverhältnis. | |
Dennoch könne ein Scharfschütze einen Angriff mit einem oder zwei präzisen | |
Schüssen im Alleingang unterbrechen und unter den Gegnern Angst verbreiten. | |
Trotz der großen Zahl russischer Drohnen. | |
Aus dem Russischen: Gaby Coldewey | |
6 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Juri Larin | |
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