# taz.de -- Die Wahrheit: FDP bildet Minderheitsregierung | |
> Das freiheitliche „Kommando Regierungswechsel“ fordert im Bund die | |
> sofortige Machtablösung für sich. Jetzt und gleich. | |
Die Besuchergruppe, die den Parlamentssaal des Deutschen Bundestages | |
betritt, ist überrascht. Der Guide, der die Touristen durch das sogenannte | |
Herz der Demokratie führt, ist es nicht minder. „Hier sehen Sie …“, begi… | |
er, bricht dann aber ab, weil er sich nicht sicher ist, was es da | |
eigentlich zu sehen gibt. | |
„Weg mit der Ampel! Weg mit der Ampel!“, rufen die etwa 30 Männer und | |
Frauen, die sich auf die Sitze der Regierungsbank geklebt haben. Wie sich | |
schnell herausstellt, sind es Parlamentarier, Mitglieder der 90-köpfigen | |
FPD-Fraktion. | |
„Wir sind das ‚Kommando Regierungswechsel‘“, erklärt der Rädelsführe… | |
innenpolitische Sprecher der FDP, Peter Pannach, der namentlich nicht | |
genannt werden möchte. „Wir wollen, dass Bundeskanzler Scholz die Regierung | |
auflöst, zurücktritt und die demokratiefeindlich Blockadepolitik der Grünen | |
beendet.“ | |
„In der woken, grünregierten Bundesrepublik gibt es immer nur zwei | |
Extreme“, unterbricht ihn ein FDP-Hinterbänkler, „entweder Zwang oder | |
Verbot. Verbot oder Zwang. Aber keine Freiheit für Deutschland, keine | |
Selbstbestimmung. Zum Beispiel beim Autofahren.“ | |
„Genau“, ruft der verkehrspolitische Sprecher dazwischen, „bald darf man | |
überhaupt nicht mehr Autofahren wegen des Klimawandels oder wenn doch, gibt | |
es immer wieder neue Geschwindigkeitsverbote, Einschränkungen und fehlende | |
Parkmöglichkeiten. Oder man wird gezwungen, nachzuweisen, dass man | |
überhaupt Autofahren kann, man muss Tests ablegen, Prüfungen, nachweisen, | |
dass man nicht zu alt dafür ist oder zu jung. Nur weil es da ein paar | |
Unfälle gegeben hat, bei denen ein paar Senioren durch ungünstige | |
Witterungsbedingungen ein paar Arbeitslose umgefahren haben. Wir müssen die | |
Fahrprüfung generell abschaffen. Wir müssen zu einem Deutschland | |
zurückkehren, in dem man sich ganz zwanglos ein Auto kaufen und sofort | |
losfahren kann. Ohne vorher zu zwei Ämtern und drei Versicherungen zu | |
müssen, ein Kennzeichen besorgen, überteuerte Fahrschulkurse zu belegen und | |
schließlich eine Prüfung abzulegen, die so schwer und kompliziert ist, dass | |
90 Prozent aller Deutschen beim ersten Versuch durchfallen.“ | |
Der medienpolitische Sprecher der Liberalen fährt fort. „Oder das | |
Fernsehen: Schlimm genug, dass wir für ARD und ZDF diese Zwangsgebühren | |
bezahlen müssen, wollen die Grünen wahrscheinlich bald bestimmen, dass man | |
auch nichts anderes mehr schauen darf als den öffentlich-rechtlichen | |
Rundfunk. BILD TV hat den Sendebetrieb schon eingestellt, welcher | |
Privatsender wird der nächste sein?“ | |
„Oder, oder …“, ruft aufgeregt und fingerschnipsend der arbeitspolitische | |
Sprecher, „der Zwang zum Mindestlohn! Es geht doch nicht an, dass große | |
Wirtschaftsunternehmen und vor allem mittelständische Familienunternehmen | |
gezwungen werden, Arbeitnehmern Geld für die Arbeit zu zahlen. Das muss | |
doch jeder Arbeitgeber selbst entscheiden dürfen, ob und wie viel. Das darf | |
doch nicht vom Staat einfach so bestimmt werden. Das ist doch Aufgabe der | |
Gewerkschaften. Die Arbeitgeber stellen doch schon kostspielige | |
Arbeitsplätze wie Büroraume, Fabriken und Arbeitsmaterial zur Verfügung.“ | |
Jetzt ergreift wieder Peter Pannach, der Sprecher des Kommandos das Wort. | |
„Ja, wenn es nur die Löhne wären! Natürlich müssen wir in einem freien | |
Deutschland auch weg von den Zwangssteuern für Firmen und zurück zu einem | |
wirtschaftssolidarischen System, in dem jedes Unternehmen so viel zahlt, | |
wie es das für angemessen hält. Bei den hohen Steuerquoten, die es in | |
Deutschland gibt, zwingt Deutschland die Unternehmen ja geradezu, | |
Schlupflöcher zu suchen. Forschungsergebnisse und Studien zeigen immer | |
wieder, das Menschen mehr Geld geben, wenn sie es freiwillig tun, nicht | |
wenn sie gezwungen werden.“ | |
„Das stimmt doch gar nicht“, ruft eine der Besucherinnen erbost aus, wird | |
aber sofort vom Tourguide ermahnt: „Sie dürfen sich im Bundestag nicht | |
politisch einmischen.“ | |
„Das stimmt wohl! Das ist genau wie bei dem unerträglichen links-grünen | |
Zwang zum Gendern. Wenn ich eine Person treffe, möchte ich selbst frei und | |
eigenverantwortlich entscheiden dürfen können, als was ich diese Person | |
sehe und ansprechen will. Als Mann, als Frau oder ganz was anderes“, sagt | |
Peter Pannach, der auf seinem Instagram-Profil als Pronomen mich, mir und | |
meins angibt, und ruft das neue Motto der Partei: „Freiheit für | |
Deutschland! Von der Küste bis zu den Alpen.“ –„Weg mit der Ampel!“, | |
beginnen erneut einige der Sitzkleber zu skandieren. „Weg mit der Ampel! | |
Freiheit für Deutschland!“ | |
Zwei vom Sicherheitsdienst des Bundestages gerufene Haustechniker betreten | |
den Plenarsaal und beginnen damit, die Sitze vom Boden abzuschrauben. „Wir | |
gehen hier nicht weg!“, sagt Klebekommandosprecher Pannach und klebt jetzt | |
seine Hände mit an den Sitz fest. | |
„Erst geht die Ampel, dann gehen wir!“, skandieren die anderen Sitzkleber. | |
„Bis zur nächsten regulären Bundestagswahl 2025 sind wir von der FDP | |
bereit, eine Minderheitsregierung zu stellen, die von allen demokratischen | |
Kräften des deutschen Bundestages unterstützt werden kann“, erklärt | |
Pannach. „Lieber allein regieren, als gar nicht regieren!“ | |
## Sitze zum Wegschmeißen | |
„Ick weeß nich, wie wa die Typen von den Polstern abkriegen solln. | |
Wahrscheinlich müssen die sich die Hosn ausziehn“, brummelt einer der | |
Techniker. „Und die Sitze könnwa wahscheinlich wegschmeißen. Und wer zahlt | |
ditte? Der Steuazahla.“ | |
Dann legt er den ersten abgeschraubten FDP-Abgeordneten vorsichtig auf ein | |
Rollwägelchen und fährt ihn aus dem Saal. Gemeinsam mit seinen | |
Mitaktivisten findet er im Keller eine neue Heimstatt, bis entschieden ist, | |
wie schnell die anderen Regierungsparteien und der Rest der FDP mit den | |
Protestlern das Gespräch suchen und den Forderungen nachgeben werden. | |
„Weg mit der Ampel!“, rufen die Abgeschraubten, als sie zum nächsten Aufzug | |
gefahren werden. „Free Germany! From the Coast to the Alps.“ | |
„Ja“, sagt der Tourguide zu seiner Gruppe, „da sehen Sie, wie eine | |
wehrhafte parlamentarische Demokratie heute funktioniert. Wir gehen jetzt | |
in die Kuppel zum Restaurant. Dort stehen Kaffee und Kuchen für Sie | |
bereit.“ | |
Leise verlässt die Besuchergruppe den Plenarsaal. Die letzten Sitzkleber | |
werden abgeschraubt. | |
2 Mar 2024 | |
## AUTOREN | |
Michael-André Werner | |
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