# taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz: Zwei Demos, ein Gegner | |
> Mehrere Tausend Menschen protestierten am Samstag getrennt gegen die | |
> Münchner Sicherheitskonferenz. Aber alle wollen „Frieden mit Russland“. | |
Bild: Am Odeonsplatz trafen am Samstag Pro-Ukraine- und Anti-Nato-Demonstranten… | |
MÜNCHEN taz | Am Stachus sammeln sich am Samstagmittag die altlinken Kämpen | |
verschiedenster Schattierung. Wie jedes Jahr bei der Münchner | |
Sicherheitskonferenz (Siko). Manche Demoteilnehmer sind schon seit eh und | |
je dabei. Das Motto diesmal: „Kriegstreiber unerwünscht!“ Erstaunlich, dass | |
das nicht schon früher mal verwendet wurde. Die „Machtinteressen der Nato“ | |
werden kritisiert, ein Redner meint: „Hier trifft sich die Lobby des | |
Krieges.“ Mit ziemlich harter E-Leadgitarre spielt eine Band den | |
Antikriegsklassiker „Hiroshima“ von Wishful Thinking. | |
Plakate mit „Schwerter zu Pflugscharen“ – einst das Motto der unabhängig… | |
Friedensbewegung in der DDR – ragen in die Höhe. Der maoistische | |
„Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD“ verteilt Flugblätter für die | |
Errichtung einer „Arbeiterregierung“. Alte verbünden sich mit etlichen | |
jungen Menschen, die irgendwo zwischen Punks und Autonomen einzuordnen | |
sind. Die SDAJ, Jugendorganisation der DKP, schwenkt viele rote Fahnen. Die | |
Polizei zählt insgesamt etwa 3.000 Teilnehmer. Das könnte hinkommen. | |
Ist das die Linke? Oder: Welche Linke ist das? Die Grünen, die früher mal | |
dabei waren, haben sich bei diesem Protest schon lange ausgeklinkt und | |
sitzen heute lieber auf den Podien der Siko. Ein Häuflein Linksparteiler | |
ist zwar mit einem Banner zu sehen. „Die Waffen nieder“, steht darauf. Auch | |
ein paar Gewerkschafter sind da, ebenso wie klassische | |
Friedensorganisationen wie die DfG/VK oder Pax Christi. | |
Aber ansonsten haben sich hier vor allem jene Linksaußenkleingruppen | |
versammelt, die mehr Parolen als Mitglieder haben. Und davon gibt es immer | |
noch erstaunlich viele. Ihr Weltbild scheint nicht einmal durch einen | |
imperalistischen Angriffskrieg Russlands erschütterbar zu sein: Schuld sind | |
am Ende immer die USA und die Nato. | |
„Schluss mit der NATO-Expansion“, prangt auf einer Papptafel, die ein | |
älterer Herr mit rotem Che-Guevara-T-Shirt hochhält. „KEIN Geld, KEINE | |
Waffen für die US-Marionetten in Kiew!“ steht auf der Tafel eines anderen | |
in die Jahre gekommenen Demonstranten. „Frieden mit Russland“ ist auf einem | |
Plakat zu lesen. Wer führt hier bloß Krieg gegen wen? | |
Anders als im vergangenen Jahr scheint der Ukraine-Krieg allerdings für den | |
Großteil der Demonstranten ohnehin nur noch eine Nebensache zu sein. Ein | |
militärischer Konflikt in einer anderen Weltregion ist nunmehr zum Objekt | |
der Begierde geworden: Im Gaza-Krieg stellt sich das Aktionsbündnis ganz | |
klar auf die Seite der Palästinenser und gegen Israel. | |
Eindrucksvoll ist ein 20 Meter langes Papierband, das auf dem Stachus | |
entrollt wird. Darauf stehen laut den Erstellern 5.000 Namen von im | |
Gazakrieg getöteten Palästinensern mit Todesdatum. „Es sind insgesamt | |
30.000 Tote“, sagt der Mann, der das Ende des Bandes hält, „aber hier haben | |
nur 5.000 drauf gepasst.“ Viele Palästina-Fahnen wehen. Immer wieder | |
ertönen laute Sprechchöre: „Free, free Palestine.“ Auf einem großen | |
Transparent ist zu lesen: „Nato und Israel Hand in Hand beim Genozid in | |
Gaza.“ | |
Die Münchner Palästina-Aktivistin Rihm Hamdan sagt in ihrer Rede: „Alle | |
Nachbarn haben sich mit diesem Staat gezwungenermaßen abgefunden.“ Ob das | |
auch für die Demonstranten hier gilt? Vorsorglich hat das Münchner | |
Kreisverwaltungsrat die Parole „From the river to the sea“, gemäß der | |
Israel von der Landkarte ausgelöscht werden soll, untersagt. Sie ist auch | |
nicht zu hören oder zu lesen. Immerhin. | |
## Auch Querdenker veranstalten Demo gegen die Siko | |
Einen knappen Kilometer entfernt und eine Stunde später versammelt sich auf | |
dem Königsplatz eine zweite Demonstration gegen die Siko. Unter dem Motto | |
„Macht Frieden!“ hat dazu ein aus der Querdenker-Szene stammendes Bündnis | |
aufgerufen. Auch im vergangenen Jahr war es schon da. Damals kamen noch | |
rund 10.000 Menschen, diesmal sind es laut Polizei nur noch 2.000. Blaue | |
Friedenstaubenfahnen wehen neben Deutschland- und Palästinafahnen über den | |
Platz. | |
Es ist eine krude Mischung aus Unzufriedenen, die sich in ihrer Wut, ja in | |
ihrem Hass auf die Politik irgendwie verbandeln. Die eine fühlt sich noch | |
irgendwie links, der andere war schon immer rechts und die Coronaleugner | |
verstehen sich blendend mit den Verschwörungsfantasten, weil sie selbst | |
welche sind. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie eine sehr eigentümliche | |
Vorstellung von Demokratie haben und ganz eindeutig pro russisch sowie pro | |
palästinensisch sind. | |
Verkörpert wird die Art von „Querfront“ von kaum einen besser als von | |
Diether Dehm, der als einer der Hauptredner auftritt. Der 73-jährige | |
Ex-Linken-Bundestagsabgeordnete, Musikmillionär und glühender Symphatisant | |
von Sahra Wagenknecht sticht durch immer absurdere Ansichten hervor. Würden | |
Rechte (womit er Rechtsaußen meint) unter „Medienverfolgung“ leiden, meint | |
Dehm in seiner Rede, so sei es Pflicht von Linken, sich vor sie zu stellen. | |
Und umgekehrt auch. In einem großen und wortklingelnden Bogen sagt er, dass | |
Rechte die guten Ansinnen des Kommunismus anerkennen sollten und Linke die | |
Heimatliebe und „Verteidigung des Nationalen“ der Rechten. | |
In einem unglaublich geschmacklosen und nebenbei auch schlechten Gedicht | |
„Sophie Scholl 2.0“ äfft er mit hoher Stimme eine erfundene junge | |
Teilnehmerin der großen Demonstrationen gegen rechts nach: „An meiner | |
Meinung, meinem Wesen, da soll die ganze Welt genesen“, heißt es darin. | |
„Wer macht mit, wenn wir“, lässt er die fiktive Person fragen, „unwertes | |
Leben rechts beenden“? Und er schließt mit der Zeile: „Seit wir neu gegen | |
Moskau zogen, erstrahlt das Heer im Regenbogen.“ | |
Dem steht Jürgen Todenhöfer, Ex-CDU-Bundestagsabgeordneter und Aktivist vor | |
allem in eigener Sache, kaum nach. Der 83-Jährige meint zu wissen: „Die | |
Ukraine hat diesen Krieg längst verloren“, sie werde „nur noch sinnlos | |
verheizt von den Amerikanern“. Denn das sei „ein Krieg Amerikas“, wettert | |
er. „Um Russland zu besiegen, muss man früher aufstehen als diese debile | |
Vogelscheuche Joe Biden“, spottet Todenhöfer. Das läge auch ohnehin nicht | |
im Interesse Deutschlands, sondern die „Partnerschaft mit Russland“. Dessen | |
Rohstoffe kombiniert mit europäischer Technologie würden „so viel Tolles | |
bringen“. | |
Auffällig ist, dass ein Mensch und sein Schicksal weder von Todenhöfer noch | |
überhaupt auf einer der Demos erwähnt wird: der russische Regimekritiker | |
Alexei Nawalny, Erzfeind Putins, dessen Tod in russischer Haft am Freitag | |
bekanntgegeben worden war. Dass der russische Präsident ihn auf dem | |
Gewissen hat, ist offenkundig. Aber das interessiert hier keinen. | |
Für die Palästinenser wirft sich Todenhöfer hingegen mächtig in die Bresche | |
und meint am Ende über die Ampelkoalition: „Der Teufel soll diese | |
Bundesregierung holen, und Herrn Netanjahu kann er dabei gleich mitnehmen.“ | |
Für die Berliner Bundestagsnachwahl vor einer Woche hatte seine Partei, das | |
„Team Todenhöfer“, kräftig plakatiert: „Die einzige Partei, die GAZA ni… | |
verraten hat!“ | |
Schaut man sich ein bisschen um, ist sowohl die rechtsextreme als auch die | |
verschwörungsgläubige Beteiligung bei dieser Demo nur schwer übersehbar. An | |
den Infoständen findet sich Material zu den Klassikern wie die Verteufelung | |
der WHO, Falschinfos über Corona-Impfungen oder die Ablehnung des | |
Rundfunkbeitrags. Das Verschwörungshetzblatt Demokratischer Widerstand ist | |
ausgelegt. Und die Leute des extrem rechten österreichischen Senders „Auf1“ | |
sind vor Ort. Sie verteilen Material, ihr blauer Transporter ist mitten auf | |
dem Königsplatz geparkt – in Sichtweite des Münchner | |
NS-Dokumentationszentrums. | |
18 Feb 2024 | |
## AUTOREN | |
Patrick Guyton | |
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