# taz.de -- Erdrutsch in der Türkei: Umweltgefahr Goldmine | |
> Nach einem Minenunglück droht eine Umweltkatastophe: Cyanidhaltiger | |
> Abraum könnte das Wasser über die Region hinaus verseuchen. | |
Bild: Nach dem Erdrutsch in der Mine suchen Helfer nach Vermissten | |
ISTANBUL taz | Im Osten der Türkei sind durch einen enormen Erdrutsch in | |
einer offenen [1][Goldmine] mindestens neun, nach Angaben von Experten aber | |
bis zu 50 Bergarbeiter verschüttet worden. Da das Gold in der Mine mithilfe | |
einer Cyanid-Lauge aus dem Gestein gewaschen wird, droht der abgerutschte | |
[2][cyanidhaltige Abraum] nun das Wasser der gesamten Region zu verseuchen. | |
Die Cöpler-Goldmine liegt in den Bergen unweit des Oberen Euphrat bei der | |
Kleinstadt Ilic, in der Nähe der Provinzhauptstadt Erzincan. Rund zehn | |
Millionen Kubikmeter Abraum kamen am Dienstagnachmittag am Rand der Mine | |
ins Rutschen und fluteten sowohl einen Teil der oberirdischen Mine wie auch | |
die Hänge unterhalb der Mine. Die Mine ist im Wesentlichen ein riesiges | |
Loch von der Größe von 200 Fußballfeldern, das in bis zu 1.200 Meter Tiefe | |
reicht. | |
Das in der Mine abgebaute Gestein wird zerkleinert und dann das Gold | |
mithilfe einer Cyanid-Lauge aus dem Gestein gewaschen. Die Lauge wird in | |
einem Rückhaltebecken aufgefangen, aber der verarbeitete Abraum rund um die | |
Mine aufgeschichtet. Dieser Abraum war offenbar schlecht gesichert und | |
stürzte jetzt, wie auf Handyvideos von Minenarbeitern zu sehen ist, sowohl | |
außen den Berg hinab wie auch in die Mine hinein. Dabei riss die Lawine | |
alles mit, was im Weg war. Auf dem Video ist zu sehen, wie Container und | |
ein LKW unter der Lawine begraben wurden. | |
Es dauerte, bis die abgelegen Mine von Rettungstrupps erreicht werden | |
konnte, aber bis zum Abend waren dann rund 800 Mann Katastrophenschutz und | |
Militär vor Ort, um nach den Verschütteten zu suchen. Die Rettungsarbeiten | |
dauerten die ganze Nacht von Dienstag auf Mittwoch an. | |
## Risiko cyanidhaltiger Abraum | |
Um überhaupt eine Chance zu haben, unter der riesigen Geröllhalde womöglich | |
noch überlebende Arbeiter zu finden, werden thermische Geräte eingesetzt, | |
die nach Wärmequellen unter dem Schutt suchen. Offiziell ist von 9 | |
vermissten Arbeitern die Rede, Vertreter der Gewerkschaft und der | |
Ingenieurs- und Bergwerkskammer befürchten jedoch, dass bis zu 50 Arbeiter | |
unter dem Schutt begraben wurden. | |
Umweltschützer und Bergwerksingenieure befürchten außerdem, dass der | |
cyanidhaltige Abraum das Wasser der Region verseuchen könnte und, falls er | |
bis zu dem nur 600 Meter entfernten Euphrat gelangt, das gesamte | |
Flusssystem bis nach Syrien und Irak verunreinigen würde. Der Vorsitzende | |
der Bergbaukammer von Izmir, Aykut Akdemir, sagte, das Wasser des Euphrat | |
würde die giftige Fracht bis nach Basra tragen, wo der Fluss in den | |
Persischen Golf mündet. | |
In den sozialen Medien wurden die Bewohner der Region aufgefordert, kein | |
Wasser mehr aus den Wasserleitungen zu nutzen. Der an den Ort des Unglücks | |
geeilte Gouverneur Hamza Aydogdu wiegelte zwar sofort ab, doch selbst das | |
Umweltministerium gab am Mittwoch bekannt, ein kleiner Fluss nahe der Mine | |
sei abgesperrt worden, um so zu verhindern, dass auch der Euphrat | |
kontaminiert wird. Von den verschütteten Arbeitern wurde bis | |
Mittwochnachmittag niemand gefunden. Die Staatsanwaltschaft hat | |
Ermittlungen aufgenommen. Vier Personen wurden vorläufig festgenommen. | |
Die Mine wird betrieben von der Firma „Anagold Madencilik“, die zu 80 | |
Prozent dem kanadischen SSR Mining und zu 20 Prozent der türkischen Calik | |
Holding gehört. Die kanadische Mutterfirma ist einer der größten | |
Bergwerkskonzerne weltweit, die Calik Holding ist ein mit der Regierung eng | |
verbundener türkischer Großkonzern. Die Goldmine ist die zweitgrößte der | |
Türkei. | |
## Lukrativer Betrieb | |
Die Betreiber werden deshalb vom Staat protegiert und konnten schon einmal, | |
vor zwei Jahren, einen schweren Unfall nahezu ohne Konsequenzen überstehen. | |
Damals platzte ein Rohr, durch das ein Cyanid-Gemisch geführt wurde. Das | |
Giftwasser gelangte schon damals in großen Mengen in den Euphrat. Dennoch | |
wurde die Lizenz nicht infrage gestellt, und nach einer dreimonatigen | |
Unterbrechung konnte Anagold Madencilik weitermachen. | |
Gegen heftigen Widerstand von Umweltschützern genehmigte der damalige | |
Umweltminister Murat Kurum, der zur Zeit für das Amt des Istanbuler | |
Oberbürgermeisters kandidiert, sogar danach noch den Ausbau der Mine um das | |
Dreifache. Gegen diese Entscheidung wurde geklagt, die Klage ist immer noch | |
vor Gericht anhängig. | |
Die Mine ist offenbar schon jetzt für die Betreiber sehr lukrativ. SSR | |
Mining soll in den Jahren von 2020 bis 2023 ausweislich ihrer in Kanada | |
vorgelegten Bilanz dort 334,6 Millionen Dollar Gewinn gemacht haben. Auch | |
die Calik Holding soll an der Mine gut verdient haben. | |
14 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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