| # taz.de -- Bundesregierung beschließt Postreform: Briefe erst nach drei Tagen | |
| > Die Ampel will bei der Deutschen Post für Entschleunigung sorgen. Die | |
| > Gewerkschaft Verdi hingegen fürchtet um Tarif-Jobs. | |
| Bild: Eile mit Weile: das neue Motto der Post | |
| Berlin taz | Es ist eine ungewöhnliche Reform: Nicht etwa schneller, | |
| sondern langsamer soll die Novelle des Postgesetzes die Zustellung von | |
| Briefen machen. Bislang gilt, dass die [1][Post] 80 Prozent der Briefe am | |
| nächsten Werktag zustellen muss, am übernächsten muss sie die | |
| 95-Prozent-Marke treffen. Künftig soll es erst für den dritten Werktag nach | |
| dem Einwurf in den Briefkasten einen Mindestwert geben – und zwar 95 | |
| Prozent. Am vierten Werktag sollen 99 Prozent der Briefe beim Adressaten | |
| sein. | |
| „Mit unseren Reformvorschlägen sichern wir eine flächendeckende und | |
| erschwingliche Versorgung der Menschen mit Briefen und Paketen – in der | |
| Stadt und auf dem Land“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu | |
| seiner Postreform, die am Mittwoch das Kabinett passierte. Durch den | |
| geringeren Zeitdruck könne die Post Kosten senken, indem sie beispielsweise | |
| auf Nachtflüge zur Briefbeförderung verzichtet, betonte Habeck. | |
| Als das aktuelle Postgesetz 1998 in Kraft trat, spielte das [2][Internet] | |
| noch eine Nebenrolle. [3][Bei Onlinehändlern zu bestellen,] war eine | |
| exotische Sache, Briefeschreiben noch üblich. Heute dominieren E-Mails und | |
| Chats die schriftliche Kommunikation – und die Briefmengen sinken. | |
| Der Gewinn des Bonner Konzerns sank in den ersten neun Monaten im Brief- | |
| und Paketgeschäft in Deutschland um fast die Hälfte, der Umsatz stagnierte. | |
| Das einstige Staatsunternehmen Deutsche Post ist als | |
| „Universaldienstleister“ streng reguliert. Im Gegenzug erhält es | |
| Steuererleichterungen. Dafür ist der gelbe Riese im Briefsegment mit einem | |
| Anteil von 85 Prozent weiterhin führend am Markt, im Paketbereich hat die | |
| Post mehr als 40 Prozent Marktanteil. | |
| ## Gefahr für 10.000 Arbeitsplätze | |
| Kritik am neuen Gesetz kommt von den Gewerkschaften: Habecks Plan | |
| verschlechtere „nicht nur das Dienstleistungsangebot für die Kundinnen und | |
| Kunden der Post deutlich, sondern führt auch zu einer [4][massiven | |
| Gefährdung von tarifierten Arbeitsplätzen bei der Deutschen Post AG]“, | |
| sagte Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis. | |
| Etwa 10.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr, erklärte Gesamtbetriebsratschef | |
| Thomas Held im Oktober bei einer Postlerdemonstration in Berlin. Derzeit | |
| hat das Unternehmen rund 116.500 Zustellerinnen und Zusteller, inklusive | |
| weiterer Mitarbeiter sind 190.000 Menschen im Bereich Brief & Paket in | |
| Deutschland tätig. | |
| Auch die Verlage sind nicht froh: Habecks Pläne hätten negative Folgen für | |
| die Zustellung von Tageszeitungen, heißt es vom Bundesverband | |
| Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Es handele sich um einen | |
| „aktiven Angriff der Bundesregierung auf die Zukunft der Zeitungen“. Der | |
| Bonner Konzern soll im Zuge der Reform eine Steuererleichterung bekommen, | |
| der Konkurrenten wie kleinere Verlage, die Zeitungen und Firmenpost | |
| austragen, in Existenznöte bringen könnte. | |
| Positiv sieht es der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff. Auch | |
| künftig müsse an allen sechs Werktagen der Woche zugestellt werden, | |
| außerdem sei der Montag als Zustelltag nicht weggefallen. Auch die | |
| Beibehaltung der Filialnetzpflicht in Gemeinden mit mehr als 2.000 | |
| Einwohnern findet SPD-Mann Roloff gut. | |
| Die CDU hingegen fordert, dass das neue Postgesetz „seinen Anteil an der | |
| Entbürokratisierung in Deutschland erbringt und durch regelmäßig | |
| stattfindende Marktanalyseverfahren die Regulierung des Postwesens am | |
| tatsächlichen Bedarf ausrichtet“. | |
| Mit der Novelle, der Bundestag und Bundesrat noch zustimmen müssen, werden | |
| auch Arbeitsbedingungen in der Branche verbessert. So soll eine | |
| Kennzeichnungspflicht für Pakete über 10 Kilogramm eingeführt werden, und | |
| Pakete über 20 Kilogramm müssen nicht mehr allein getragen werden. Außerdem | |
| soll bei der Bundesnetzagentur eine Beschwerdestelle eingerichtet werden, | |
| an die etwa Mindestlohnverletzungen in der Branche gemeldet werden können. | |
| Die Regeln zum Einsatz von Subunternehmern sollen verschärft werden. | |
| Auf das Briefporto hat die Reform nur indirekt Auswirkungen. Der Preis für | |
| den Briefversand wird separat festgelegt, das Gesetz soll den Preisanstieg | |
| aber dämpfen. Das aktuelle Briefporto – derzeit kostet ein Standardbrief | |
| innerhalb Deutschlands 85 Cent – gilt bis Ende 2024, Anfang 2025 wird es | |
| wahrscheinlich teurer | |
| 20 Dec 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kai Schöneberg | |
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