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# taz.de -- Das politische System Lesothos: Der lange Weg zur Reform
> Die Verfassung des afrikanischen Königreichs Lesotho muss dringend
> überarbeitet werden. Dafür sollte sich das Land genug Zeit nehmen.
Bild: Parlamentswahl in Lesotho, 7.10.2022
Der Mpilo Hill hat eine flache Spitze und bietet einen atemberaubenden
Blick auf das geschäftige Maseru, die Hauptstadt von Lesotho. Am Fuße des
Hügels erhebt sich der steinerne Justizpalast, das wichtigste
Gerichtsgebäude des Landes, in dem sich auch das Berufungsgericht befindet.
Lesotho ist eine kleine, von Südafrika eingeschlossene, konstitutionelle
Monarchie, in der gut zwei Millionen Menschen auf einer Fläche leben, die
kleiner als das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen ist.
Am 17. November 2023 stand im Justizpalast am Mpilo Hill eine wichtige
Entscheidung an. Denn ich persönlich hatte vor dem Berufungsgericht gegen
die Verabschiedung eines Gesetzespakets geklagt, das als „Omnibus
Constitutional Bill“ bekannt ist und das eigentlich den politischen
Reformprozess in Lesotho voranbringen soll.
Mein Name ist Kananelo Boloetse, ich bin Journalist und Bürgerrechtler. Ich
sah es als notwendig an, gegen das Gesetz in der vorliegenden Form zu
klagen. Dass das politische System Lesothos reformiert werden muss, steht
dabei außer Frage. Immer noch ist zum Beispiel das „Floor crossing“
(deutsch etwa: „Überqueren des Fußbodens“ – im Sinne von die Seite
wechseln) bei uns gang und gäbe. Darunter versteht man die Möglichkeit,
dass Parlamentsabgeordnete die Partei wechseln und dabei ihren Sitz
behalten können. Das öffnet Korruption natürlich Tür und Tor – und es ist
wenig verwunderlich, dass Lesotho auf dem Korruptionsindex von Transparency
International von 2022 im hinteren Mittelfeld auf Platz 99 von 180 Staaten
landete.
Doch in meinen Augen ist es wichtig, welche Reformen wie umgesetzt werden
und wer daran beteiligt wird.
## Ein Plan für Verfassungsreformen im Gange
Zum besseren Verständnis muss ich etwas ausholen: Schon 1970 kam es zu
einem ersten Staatsstreich, es folgte eine Ära der Zwangsherrschaft, bis
1986 das Militär putschte. Erst mit den Wahlen von 1993 änderte sich das.
Doch auch nach der Verabschiedung einer neuen Verfassung blieben
Unzugänglichkeiten, etwa was die Unabhängigkeit der Justiz betraf oder die
Wirksamkeit des Parlaments, die Exekutive zur Rechenschaft zu ziehen. 2014
gab es einen weiteren Putschversuch, politische Morde und Turbulenzen.
Die SADC (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika) und die
internationale Gemeinschaft unterstützten Reformen – nicht zuletzt um den
Einfluss des Militärs auf die Politik zu begrenzen und die gewalttätigen
Sicherheitskräfte zu bändigen. Nach den Wahlen 2017 legte die Regierung
einen Fahrplan für Verfassungsreformen vor. Doch es gab berechtigte Kritik
an dem Top-down-Vorgehen: Mangelnde Inklusivität und ein elitärer Unterton
wurden bemängelt, eine Vielzahl von Interessengruppen war nicht
berücksichtigt worden. Immerhin wurde danach ein nationaler Dialog
eingeleitet und eine Versammlung mit über 800 Personen einberufen, die
erheblich mehr gesellschaftliche Stimmen abbildete.
Doch 2022 kam alles anders: Eigentlich sollte erst das inzwischen
ausgearbeitete Omnibus-Gesetz beschlossen und dann das Parlament aufgelöst
werden, um Neuwahlen zu ermöglichen. Doch das scheiterte und am Ende
erklärte das Verfassungsgericht das ganze Gesetzespaket für nichtig.
Die Versuche, es zu verabschieden, gingen allerdings weiter – auch weil die
EU und die UN allein mit ihrem Lesotho National Dialogue and Stabilization
Project (LNDSP) seit 2018 dankenswerterweise rund 15 Millionen US-Dollar in
die Umsetzung des Reformprozesses investiert haben – und nun Ergebnisse
sehen wollen.
„Das Königreich Lesotho befindet sich jetzt in einem bedeutenden Moment,“
sagte Nessie Golakai-Gould, die Vertreterin des UN-Entwicklungsprogramms
UNDP in Lesotho, als das Omnibus-Gesetz das Parlament erreichte. Das gebe
Hoffnung für einen „Aufbruch für die Justiz und Lesotho“. Man wolle dazu
beitragen, ein „rechenschaftspflichtiges Justizsystem“ aufzubauen, das eine
entscheidende Komponente für die Erreichung der Ziele für nachhaltige
Entwicklung darstelle, so Golakai-Gould.
Die EU-Botschafterin Paola Amadei sagte, der EU sei zu Unrecht vorgeworfen
worden, Lesotho „ausländische Richter“ aufzuzwingen, als sie die
Aufarbeitung des versuchten Staatsstreichs 2014 unterstützte. Dabei habe
die Regierung Lesothos zugestimmt, ausländische Richter aus der SADC-Region
mit der Leitung der Verfahren zu betrauen – und die EU hatte für diese
gezahlt. Nun aber gehe es vor allem darum, die Rechtsprechung für alle
Menschen in Lesotho zu verbessern, sagte Amadei. Der Zugang zu einer
starken, effizienten und unparteiischen Justiz sei „der Eckpfeiler einer
funktionierenden Demokratie“.
Doch im Laufe des Reformprozesses wurden am Omnibus-Gesetz-Entwurf
Änderungen vorgenommen, die meines Erachtens nicht hinnehmbar sind: So
wurden etwa Bestimmungen zum Schutz der Pressefreiheit und des Rechts auf
Zugang zu Informationen gestrichen. Daraufhin habe ich die Verabschiedung
des Gesetzes rechtlich angefochten.
Am 17. November 2023 wurde das Urteil zum Omnibus-Gesetz schließlich vom
Berufungsgericht Lesothos verkündet – und tatsächlich entschieden die
Richter, dass die Umsetzung des Gesetzes rückgängig gemacht werden muss.
Ich halte das für einen großen Erfolg.
Gegenwärtig versucht die im Oktober 2022 gewählte Regierung unter dem neuen
Premierminister Sam Matekane, das Gesetzgebungsverfahren wiederaufzunehmen
– jedoch ohne die Änderungsanträge zur Pressefreiheit und zum Zugang zu
Informationen. Ich bin darum der Meinung, dass das Parlament das Verfahren
ganz neu einleiten sollte.
Manche Experten teilen meine Auffassung – und begrüßen die Entscheidung des
Berufungsgerichts. Hoolo 'Nyane, Professor für Verfassungsrecht an der
Limpopo-Universität in Südafrika, nennt dies „Glück im Unglück“, denn n…
habe das Land die seltene Gelegenheit, gründlich über seine Verfassung
nachzudenken. Ähnlich sieht es der Sakoane Sakoane, oberster Richter
Lesothos. Für ihn liegt ein Teil des Problems darin, dass der Reformprozess
Lesothos „geberorientiert“ sei – und die internationalen Geber die Reform…
möglichst zügig umsetzen wollen. Nur sei das nicht unbedingt unser eigenes
Interesse. So fragt auch Sakoane: „Warum haben wir es so eilig? Wen wollen
wir damit beschwichtigen?“ Er betont zu Recht, dass das Volk Urheber jeder
Verfassung sein muss, während Gesetze von den politischen Repräsentanten
ausgearbeitet werden. „Die Verfassung gehört dem Volk“, sagt Sakoane.
[1][Hier] erfahren Sie mehr über den Afrika-Workshop der taz Panter
Stiftung und das 54-seitige Magazin.
24 Jan 2024
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## AUTOREN
Kananelo Boloetse
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