# taz.de -- Neuer Köln-“Tatort“: Weihnachten kills Paketlieferanten | |
> Zeit ist Geld, besonders im Zustellbusiness und gerade im Vorfeld der | |
> Stillen Zeit. Wenn dann noch jemand ermordet wird, kann es hektisch | |
> werden. | |
Bild: Natalie Förster (Tinka Fürst, r) ermittelt verdeckt in der Spedition �… | |
Beschaulich sollte sie sein, die Vorweihnachtszeit. Zur Ruhe sollte sie | |
einen bringen, doch nur allzu oft ist das genaue Gegenteil der Fall. | |
Besonders unter Druck stehen die sowieso schon chronisch [1][überlasteten | |
Paketlieferanten], die den Menschen die Produkte ihrer Onlineshoppingorgien | |
bequem bis nach Hause schleppen und dafür dann oft nicht mal ein müdes | |
„Danke schön“ zu hören bekommen. | |
Auch Milan Strasser (Dennis Svensson) ist einer dieser Logistikmalocher, | |
und für ihn nimmt eine Vorweihnachtstour ein besonders tragisches Ende, als | |
er von einem maskierten Weihnachtsmann erstochen wird. Ein großer Verlust | |
nicht nur für seine Frau, die nun mit dem gemeinsamen Baby schauen muss, wo | |
sie bleibt, sondern auch für seine Zigarillo rauchende Chefin Sybille Jäger | |
(schön verlebt und undurchsichtig verkörpert von Susanne Bredehöft). | |
Schließlich fehlt ihr nun eine wichtige Arbeitskraft. | |
„Zeit ist Geld, besonders in diesem Business!“, bescheidet sie den | |
altgedienten Kommissaren [2][Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy | |
Schenk (Dietmar Bär)]. Und dass es für sie als Chefin [3][eines kleinen | |
Logistikunternehmens schwer sei], sich gegen die mit osteuropäischen | |
Arbeitskräften besetzte Konkurrenz mit noch schlechteren Löhnen | |
durchzusetzen. | |
## Keine Prämien Nebensache | |
Damit der Wiedererkennungswert ihrer Firma steigt, müssen ihre Angestellten | |
nun Weihnachtsmannkostüme tragen. Das gibt auch mehr Trinkgeld, das die | |
Leute sogar behalten dürfen – man ist ja kein Unmensch. Dass es keine | |
Prämien gibt, wenn das Kostüm nicht getragen wird: Nebensache. | |
Eine Befragung der angestellten Paketboten bringt für Ballauf und Schenk | |
auch keine weiteren Erkenntnisse; alle sagen nur, die Arbeitsbedingungen | |
seien gut und es gebe keine Probleme – jedoch sieht man ihren blassen, vom | |
Stress gezeichneten Gesichtern an, dass die Wahrheit eine ganz andere ist. | |
Als mögliches Motiv rückt für die Kommissare zunächst ein Raubmord in den | |
Fokus, denn wer jeden Tag mindestens 200 Pakete durch die Stadt fährt, ist | |
ja ein leichtes Ziel für einen Überfall. | |
Um einen besseren Einblick in das verschwiegene Geflecht dieser Firma zu | |
finden, starten die Ermittler eine Undercover-Aktion: Die | |
Kriminaltechnikerin Natalie Fürst (Tinka Fürst) heuert als Paketbotin an | |
und trifft auf ein Team von Menschen, die von der Gesellschaft abgehängt | |
wurden, sich aber dennoch nicht unterkriegen lassen wollen und sich mit | |
diesem Job irgendwie über Wasser halten. Der Kriminalfall rückt hierbei in | |
den Hintergrund, was der Story keinen Abbruch tut. | |
Die Geschichten der Menschen reichen vom „Sandalen-Klaus“ (Hans-Martin | |
Stier), einem Rentner, der seiner arbeitsunfähigen Tochter helfen will, bis | |
zu Jenny Wegner (Paula Kober), einer ehemaligen Medizinstudentin, die sich | |
nun hier abrackern muss und widerwillig Natalie einarbeitet. Nur langsam | |
taut Jenny auf und lässt Natalie an sich heran. Die Szenen zwischen den | |
beiden Frauen sind die wichtigsten und stärksten in diesem Film – auch wenn | |
Natalie natürlich ihren Überwachungsjob macht, hegt sie Sympathien für | |
Jenny, hinter deren tougher Fassade eine verletzte Seele steckt. | |
Sozial- und konsumkritisch führt der [4][Kölner „Tatort“] uns in den Adve… | |
und wirbt um Empathie gegenüber all jenen Menschen, die als Dienstleistende | |
ihr Brot mehr als hart verdienen müssen. Drehbuchautor Paul Salisbury | |
betrachtet das Bibelzitat „Einer trage des anderen Last“ als Aufruf zu mehr | |
Solidarität. Und das kann ja nun wirklich nicht verkehrt sein. | |
3 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Almuth Müller | |
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