Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Finale der Segel-Bundesliga: Das Ende der Materialschlacht
> Athlet*innen der Segel-Bundesliga trafen sich in Hamburg zum Finale im
> Regen. Sorgen macht den Veranstaltern noch der Frauenanteil in der Liga.
Bild: Am Limit: Finale der Segel-Bundesliga in Hamburg
Hamburg taz | Oliver Schwall hat sich mit grauer Mütze, blauem Overall und
dicken Schuhen warm eingepackt, als er am Samstagnachmittag aus einem der
Begleitboote steigt. Er staunt manchmal selbst, wie weit sich das Format
entwickelt hat. In dieser Saison gab es sechs Spieltage der Deutschen
[1][Segel-Bundesliga] (DSL). Vom Mai-Event auf dem Wannsee bis zum Finale
an diesem Wochenende in Hamburg beim Norddeutschen Regatta-Verein (NRV).
Den Saison-Abschluss bildet am ersten November-Wochenende der DSL-Pokal;
auch dies bewusst eine Analogie zur liebsten Sportart der Deutschen. „Wir
haben uns 2013 gedacht, wir brauchen Liga-Sport im Segeln“, sagt Schwall,
Organisator und Begründer der Segel-Bundesliga. „Wir haben damals eine
Null-Linie geschaffen. Wir wollten weg von der Materialschlacht, die Segeln
sonst ist. Dazu war uns wichtig, dass die Liga auf dem fußt, was das
Rückgrat unseres Sport ist: die Klubs. Das haben wir geschafft. Unser
Format hat das Segeln verändert.“
Schwall kann das beurteilen; als Erfinder der Segel-Bundesliga und
mittlerweile im elften Jahr als ihr Geschäftsführer unterwegs, hat der
frühere Spitzensegler vom Jahrgang 1967 genug Vergleichswerte.
Von vielen Segler*innen hatte es zuvor immer geheißen, sie wollten ihren
Klubs etwas zurückgeben für Jahre der Ausbildung und Materialversorgung.
Nun können sie das – indem sie für ihre Vereine um den Titel kämpfen und
die Namen der Klubs hinaustragen. „Die Segel-Bundesliga vereint den
Wettkampf und das Wir-Gefühl“, sagt Schwall, und seine Kollegin Anke Nowak
aus der Geschäftsführung ergänzt: „Es geht hier um die Vereine. Jeder will
deutscher Meister werden! Das hat die ganze Community zusammengeführt. Man
trifft alte Freunde wieder.“
## Norddeutscher Regattaverein holt Meisterschaft
Bei fisseligem Dauerregen nutzte die vierköpfige Crew des Norddeutschen
Regattavereins mit Steuermann Tobias Schadewaldt ihren Heimvorteil und
holte sich zum siebten Mal die deutsche Meisterschaft der Segelvereine vor
dem Münchner Yacht-Club: Nord gegen Süd, Hamburg gegen München, da passte
vieles zusammen auf dem engen Kurs.
Der Kurs wirkt auf das Publikum wie eine Arena, weil die Action bei diesen
knackigen Rennen, bei denen immer sechs Boote gegeneinander fahren und die
nur jeweils zwölf Minuten dauern, bis an Land strahlt. Dabei waren die
Voraussetzungen am Freitag schwierig: „Das war am Limit“, sagt Oliver
Schwall, „Wind, Kälte, Fallböen.
Die Segler waren alle durchgefroren und glücklich, wieder drinnen zu sein.
Wir hatten noch nie so harte Bedingungen.“ Alle, die später aus den Booten
auf die Stege beim NRV stiegen, hatten zufriedene Minen, diese Winde
gemeistert zu haben. Am Abend wurden dann eifrig Segel geflickt.
In der Segel-Bundesliga nutzen alle Klubs die gleichen Boote der Klasse
J/70. Sie werden an den jeweiligen Spieltagen vom Veranstalter gestellt, am
Tag vor dem Start von den Vereinen auf den Kursen probegefahren. Gesegelt
wird nach dem sogenannten Low-Point-System. Dabei erhält jedes Boot in
jeder der bis zu 16 Wettfahrten einer Regatta die Anzahl an Punkten der
Platzierung, mit der es die Wettfahrt beendet. Das Boot mit den wenigsten
Punkten gewinnt.
Die Rennen werden im Web-TV live kommentiert und übertragen – aus einem
braunen Bus auf dem Gelände des NRV, gesteckt voll mit der nötigen
Ausrüstung. Der Technik-Partner sorgt für Daten und Ergebnisse in Echtzeit.
Etwa 25.000 Fans schauen pro Spieltag im Netz zu.
## Das Durchschnittsalter ist von 30 auf 25 Jahre gesunken
Die Segel-Bundesliga bietet hochklassiges Regattasegeln im
Breitensportbereich und das mit namhaften Seglern – NRV-Steuermann
Schadewaldt nahm beispielsweise 2012 im 49er an den Olympischen Spielen
teil. 27 Juniorenteams drängen in einer eigenen Liga von unten; das
Durchschnittsalter ist seit 2013 von 30 auf 25 Jahre gesunken.
Durch die Champions League ist das Format international. Inzwischen gibt es
in 24 Ländern nationale Ligen – verhandelt wird gerade mit Indien, den USA
und China. Sorgen macht nur [2][der Frauenanteil]. Der könne höher sein,
sagt Anke Nowak, und schiebt nach, dass Frauen lieber unter sich segelten,
weil sie für gewöhnlich leichter seien, und mehr Gewicht an Bord von
Vorteil sei. Was meist zwangsläufig zu vier Männern pro Boot führt.
Deutlich mehr tun wollen die Organisatoren in Sachen Nachhaltigkeit. Oliver
Schwall sagt: „Es ist schon mal gut, dass nicht pro Spieltag 36 Teams mit
36 Booten auf 36 Anhängern durch Deutschland cruisen. Aber im Kontext der
Nachhaltigkeit gibt es Luft nach oben.“ Die benötigten Motorboote mit
E-Antrieben ausstatten, Boote und Segel aus recycelten Werkstoffen
benutzen, klimaneutrale Spieltage veranstalten: Es gibt viele
Möglichkeiten, diese Sportart grüner zu machen, die von den Kräften der
Natur lebt.
Die Vereine spüren den Druck, etwas verändern zu müssen, haben aber nicht
die finanziellen Möglichkeiten. Bislang fehlt ein Sponsor, der die
Segel-Bundesliga auf einen nachhaltigeren Weg führt. Schwall ist
zuversichtlich, ihn bald zu finden.
23 Oct 2023
## LINKS
[1] /Weltmeisterin-im-Inklusionssegeln/!5875040
[2] /Segeln-ohne-Cis-Maenner/!5944143
## AUTOREN
Frank Heike
## TAGS
Segeln
Deutsche Meisterschaft
Hamburg
Segeln
FLINTA*
Märchen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Segler mit Fluchterfahrung: Flüchtling im Regattafieber
Kyaw Soe ist Videojournalist aus Myanmar – nach dem Putsch 2021 musste er
sich verstecken. Sein Steuermann erzählt, wie er zum Segeln gekommen ist.
Segeln ohne Cis-Männer: Eine Seefahrt, die ist weiblich …
… und lesbisch, trans, inter, nonbinär, agender. Unterwegs mit einer
FLINTA*-Crew auf einem Segeltörn vor der Küste Schwedens.
Kinderbuchverfilmung von Pietro Marcello: Die Welt der Magie retten
Der italienische Regisseur Pietro Marcello verfilmt mit „Die Purpursegel“
ein russisches Kinderbuch. Er inszeniert es als märchenhafte Befreiung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.