# taz.de -- Nachwahlen in Schottland: SNP sieht rot | |
> Labour holt den ersten Sieg seit 2015 gegen die Schottische | |
> Nationalpartei. Die Nachwahl lässt SNP bangen und Labour hoffen. | |
Bild: Labour-Politiker Michael Shanks und Labour-Vorsitzender Anas Sarwar | |
LONDON taz | „Ab jetzt ist eine Veränderung möglich“, versprach Michael | |
Shanks, der Kandidat der linken Labour-Partei im schottischen Wahlkreis | |
Rutherglen and Hamilton West am südöstlichen Rand Glasgows, in den frühen | |
Morgenstunden am Freitag. Der Lehrer, der bisher vor Ort mit behinderten | |
Menschen gearbeitet hatte, erhielt 17.845 abgegebenen Stimmen in der | |
Nachwahl, das entspricht 58,6 Prozent. Das Resultat verdoppelt das Aufgebot | |
der schottischen Labours im Westminster Parlament: Statt einem bekommen sie | |
nun zwei Sitze. | |
Für [1][Labour aber nur ein kleiner Schritt] zurück. Bis 2015 war sie die | |
traditionell dominierende Partei. Dann verlor sie, ein Jahr nach dem | |
schottischen Unabhängigkeitsreferendum, 40 ihrer ehemals 41 schottischen | |
Sitze an [2][die Schottische Nationalpartei (SNP)]. Daran konnte sie bei | |
den Nationalwahlen 2019 nichts ändern. | |
Trotzdem sind die 58,6 Prozent für Labour ein Grund zur Freude. Das letzte | |
Mal, dass die Partei im Wahlkreis Rutherglen and West Hamilton ein solches | |
Ergebnis verbuchen konnte, liegt inzwischen 13 Jahre zurück. 2010 | |
entschieden sich 60,8 Prozent der Wähler:innen für Labour. | |
Laut dem Labour-Vorsitzenden in Schottland, Anas Sarwar, verändert der | |
Wahlerfolg seismisch und fundamental die schottische Politik. Er führt das | |
auf jahrelange Arbeit der schottischen Labour-Partei zurück. Auch | |
Labourchef Keir Starmer sprach von harter Arbeit und darüber hinaus von der | |
Demut der vergangenen dreieinhalb Jahre. Es sei eindeutig: Die Menschen in | |
Rutherglen and Hamilton West glaubten, dass die veränderte Arbeiterpartei, | |
die von ihnen erhoffte Veränderung herbeiführen könne. Sie könne Distanz | |
zur Spaltung, zum Chaos und zu den Machtkämpfen der SNP-Regierung in | |
Schottland und der konservativen Regierung in Westminster liefern, sagte | |
Starmer. | |
## SNP leidet unter einer Krise | |
Das Ergebnis der Nachwahl ist zudem das Urteil schottischer Wähler:innen | |
zu zahlreichen Problemen innerhalb der SNP. Dabei geht es auch um die | |
generelle Unzufriedenheit mit der SNP-Regierung, welche die Verantwortung | |
oft auf Westminster schob. Auch nicht, dass es zur Nachwahl in Rutherglen | |
und Hamilton West überhaupt nur wegen schwerer Covid-Regel-Verstößen der | |
vorherigen SNP-Abgeordneten kam. | |
Vor allem ging es zuletzt um die polizeiliche Untersuchung zu verschollenem | |
Geld der Partei. Inzwischen wurde dazu die zurückgetretene Regierungschefin | |
Schottlands und Parteichefin der [3][SNP Nicola Sturgeon und ihr Ehemann | |
Peter Murell] befragt. | |
Zudem entbrannte ein [4][Kampf um die Nachfolge von Sturgeon], mit | |
regelrecht bösen und persönlichen Zügen. Außerdem schadete der Streit über | |
eine [5][versuchte Gesetzesänderung], die Notwendigkeit ärztlicher | |
Gutachten zum Geschlechtswechsel abzuschaffen, der Partei. | |
So erntete Katy Loudon, eine Grundschullehrerin, die bisher | |
Bezirksabgeordnete in der Regionalvertretung war, nur 8.399 Stimmen, 27,6 | |
Prozent. Das sind 16,6 Prozentpunkte weniger als bei der Nationalwahl 2019. | |
Eine Enttäuschung für die Partei, die aktuell [6][unter Humza Yousafs | |
Führung] steht. | |
Keith Brown, der stellvertretende Vorsitzende der SNP, gab an, seine Partei | |
werde daran arbeiten, das Vertrauen der Wähler:innen wiederzuerlangen. | |
Er erklärte, das Ergebnis sei unter Beihilfe der konservativen | |
Tory-Wähler:innen zustande gekommen. | |
SNP-Parteiführer Yousaf bezeichnete das Ergebnis der schottischen | |
Konservativen sogar als Kollaps. 2019 stimmten noch 15 Prozent [7][der | |
Wähler:innen für die Tories], nun kamen sie auf 3,9 Prozent. Trotzdem | |
zeigte sich der konservative Kandidat Thomas Kerr zuversichtlich: Er könne | |
die Stimmen zurückgewinnen. Das Resultat sei als Botschaft an die SNP zu | |
verstehen, betonte er wiederum. | |
Die britischen Nationalwahlen im nächsten Jahr kann Labour aber nur | |
gewinnen, wenn die Partei noch mehr Wahlkreise in Schottland für sich | |
entscheidet. Den Linken bleibt also zu hoffen, dass sie das Wahlergebnis | |
von Rutherglen and Hamilton West anderorts wiederholen können. | |
6 Oct 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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