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# taz.de -- Besuch in einem Waffle House: Eingeladen im echten Amerika
> Ich war in einem Waffle House in North Carolina, um das Land und die
> Leute vor Ort kennen zu lernen. Ich wurde reich beschenkt.
Bild: Nicht die Filiale aus der Geschichte, aber eine ähnliche: Waffle House i…
Manchmal wird man mit Geschenken überhäuft. Oft passiert das plötzlich und
an unerwarteten Orten. North Carolina. Das Davidson College hat mich
eingeladen, hier meinen [1][Film „Die Ecke“] zu zeigen. Ich habe ihn an
einer Straßenecke in Thüringen gedreht. Und auf erstaunliche Weise hat mich
der Film nun von dort über den Atlantik in den Osten der USA gebracht.
„Wenn du in North Carolina bist, musst du unbedingt in ein Waffle House
gehen“, hatte mir eine Freundin in Hamburg gesagt. In den Waffle Houses
seien die Locals, dort lerne man das echte Amerika kennen. Als mich am
letzten Abend ein paar Studierende auf Einladung des Colleges in ein gutes
Restaurant in Davidson ausführen sollen, frage ich, ob wir nicht lieber in
ein Waffle House gehen können.
Die Studierenden sind begeistert. Zu viert fahren wir los, Richtung
Großstadt Charlotte. Die Straße liegt vor uns im goldenen Abendlicht.
Irgendwann sehen wir am Rand der Straße das Waffle-House-Zeichen, schwarze
Lettern auf gelbem Grund.
Waffle Houses gibt es überall in Amerika, sie haben rund um die Uhr
geöffnet. Immer. Sie sind eine Art [2][Späti] der Vereinigten Staaten. Der
Ort, der Betrunkene um drei Uhr morgens aufnimmt, wo Frühaufsteher und
Truckerfahrer Waffeln oder gebratene Eier und Burger essen können. Es gibt
sogar einen sogenannten Waffle-House-Index. Demnach wird die Stärke von
Sturmschäden daran gemessen, in welchem Zustand die jeweiligen
Waffle-House-Fillialen sind. Wenn nach einem Tornado ein Waffle House
schließt, ist Alarmstufe Rot. Dann ist wirklich Krise.
Drinnen ist das Waffle House simpel eingerichtet. Ein silberner Tresen, nah
an den Bratstellen, an denen zwei schwere Männer Burger umdrehen. Es gibt
Tischnischen mit Plastikbänken.
Ein anachronistisch anmutendes Inventar, das an die Bilder von Edward
Hopper erinnert. Wir lassen uns auf Bänke nah an den Waffeleisen nieder und
erzählen dem Mitarbeiter, dass zwei von uns das erste Mal in einem Waffle
House sind. Er schweigt und reicht uns lächelnd gelb-schwarze Papiermützen,
auf denen Waffle House steht.
Die erste Waffel gibt er uns für umsonst: Aus dickem Teig mit viel
Erdnussbutter, die wir uns teilen. Wir lesen in der Karte. Es ist alles
günstig, fast nur Fleisch. Wir bestellen. Wir setzen die Hüte auf und
lachen, der Ausflug ins Waffle House stimmt uns auf unbestimmte Weise
ausgelassen.
Dann betritt eine Mutter mit einem kleinen Jungen den Laden und bestellt am
Tresen. Der Junge ist neugierig, er kommt auf uns zu, bewegt sich
unkoordiniert. Er erklärt, dass er Geburtstag habe, dass ihm seine Mutter
deswegen etwas kaufen werde. Seine Stimme ist verwaschen und
unverständlich. „Du hast heute Geburtstag?“, fragen wir. Er nickt und
strahlt.
„Wo er hingeht, schließt er Freundschaft“, sagt die Mutter und lächelt. S…
erzählt uns, dass sie aus [3][Puerto Rico] sei. An ihren Händen und Beinen
sind überall weiße Farbsprengsel. „Haben Sie gemalt?“, frage ich. „Ja, …
habe den ganzen Vormittag ein Haus gestrichen.“ Sie habe eine Firma, mache
alles. Malerarbeiten, Reinigung. Sie lächelt.
Wir machen zusammen mit ihr und ihrem Sohn Fotos. Der Junge umarmt uns alle
dabei. Als sie mit ihrem Sohn den Laden verlässt, sagt die Mutter zu uns:
„Er hat euch eingeladen“, und zeigt auf den Jungen.
„Was?“ Ja. Die Mutter hat unsere Rechnung beglichen, unsere vier Gerichte
und Getränke.
„Nein, nein“, sagen wir. „Unser Essen ist gedeckt. Es wird vom College
gezahlt.“
„Doch.“ Sie lächelt. „Ihr seid eingeladen.“
Später schenkt mir der Mitarbeiter noch eine Tasse. Wir können es nicht
fassen. Alles haben wir geschenkt bekommen.
Wir beschließen, die 35 Dollar, die unser Essen gekostet hätte, dem
Mitarbeiter als Trinkgeld zu geben. Als wir das Waffle House verlassen,
geht die Sonne im satten Rot unter, wie ein Abbild dieses großzügigen
Abends. Bis in die Nacht hinein tragen wir noch unsere Papierhüte.
22 Oct 2023
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## AUTOREN
Christa Pfafferott
## TAGS
Kolumne Zwischen Menschen
Reiseland USA
Großzügigkeit
Restaurant
Essen
Schwerpunkt Rassismus
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