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# taz.de -- Platz nach Kommunistenjäger benannt: Hamburg ehrt den Falschen
> Der Bezirk Mitte benennt einen Platz nach dem ehemaligen Bürgermeister
> Peter Schulz. Der SPDler ließ 1971 das erste Berufsverbot exekutieren.
Bild: Ein Ölgemälde im Rathaus gibt es schon von Peter Schulz: Olaf Scholz ha…
Ein Platz in der Hamburger Innenstadt heißt seit gestern nach Peter Schulz.
Sein Name solle damit „im kollektiven Gedächtnis unserer Stadt erhalten“
bleiben, heißt es im Antrag von SPD, CDU und FDP in der Bezirksversammlung
Mitte dazu.
Wer war Peter Schulz und was macht ihn für das kollektive Gedächtnis der
Stadt so wertvoll? Am 9. Juli 1971 war der Jurist Schulz als Nachfolger von
Herbert Weichmann Erster Bürgermeister geworden. Vorher war er erst Senator
für Justiz, dann für Schule und Jugend gewesen.
In einer Mischung aus frappierender Offenheit und grenzenloser Arroganz
schreibt er dazu in seinen 2009 veröffentlichten Memoiren „Rostock, Hamburg
und Schanghai“: „Mein schulpolitischer Sachverstand ging über den des
gewesenen Schülers und jungen Vaters nicht hinaus. Weder bei den Jusos noch
im SDS oder in der Parteiarbeit noch in der Bürgerschaft hatte ich mich mit
Bildungspolitik beschäftigt – und nun Schulsenator?“ -
„'Mut ist Mangel an Fantasie’ lautet ein kluges Bonmot; war es diese Art
von Mut, die mich Ja sagen ließ? Unsere schöne und listenreiche Sprache
nutzt den Begriff 'Mut’ ja auch als Brücke, als Verbindung zwischen Demut
und Hochmut. In mir war damals wohl von allem ein bisschen: vom Hochmut
desjenigen, der sich ohne große Selbstzweifel jede Aufgabe zutraut, von der
Demut dessen, der aus Pflichtgefühl bereit ist, jede Aufgabe zu übernehmen,
die auferlegt wird, und schließlich auch vom Mangel an Fantasie, der die
Vielzahl der Schwierigkeiten vor dem Ahnungslosen gnädig verbirgt.“
## Das eigene Handeln verharmlost
Zum Glück dauerte die Amtszeit des ahnungslosen Hochmütigen nur, bis er ein
Jahr später Bürgermeister wurde. Peter Schulz hatte damit noch mehr Macht
gewonnen, die sich verhängnisvoll auswirken sollte. [1][Schulz entschied
maßgeblich mit, 1971 das erste Berufsverbot in Hamburg zu exekutieren] und
am 28. Januar 1972 den [2][sogenannten Extremisten-Beschluss] der
Ministerpräsidenten [3][mit Bundeskanzler Willy Brandt] zu fassen.
In seinen Memoiren marginalisiert er seine Rolle verfälschend. Er schreibt:
„Ende 1971 teilte mir der Schulsenator Günter Apel mit, ein Funktionär der
DKP habe sich um die Einstellung in den Hamburgischen Schuldienst als
Lehrer beworben; seine Behörde neige dazu, den Bewerber unter Hinweis auf
die Treuepflicht der Beamten gegenüber der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung abzulehnen.“
Auch hier trog die Erinnerung. Es handelte sich nicht um einen Funktionär
der DKP, sondern um die 28-jährige Lehrerin Heike Gohl, die seit 1967 als
Beamtin auf Probe an einer Grundschule ohne Beanstandung gearbeitet hatte.
Sie war allerdings mit dem Lehrer Peter Gohl verheiratet. Der war zwar
[4][in der DKP aktiv], aber als Beamter auf Lebenszeit nicht kündbar. Seine
Frau wurde stattdessen in Sippenhaft genommen. Mit ihrem Berufsverbot
begann eine lange Geschichte politischer Diskriminierung.
Nach herben Verlusten der SPD bei der Bürgerschaftswahl 1974 musste Schulz
als Bürgermeister zurücktreten. Hans-Ulrich Klose folgte ihm nach, der als
Innensenator die Berufsverbote noch mitgetragen hatte, nun aber ins
Zweifeln kam und schließlich mit dem neuen Schulsenator Joist Grolle ihr
Ende einläutete – ein Paradigmenwechsel. Besser sollte der Platz nach dem
kürzlich verstorbenen Hans-Ulrich Klose benannt werden.
19 Sep 2023
## LINKS
[1] /Peter-Schulz-als-Schul-Namenspatron/!5831403
[2] /50-Jahre-Radikalenerlass/!5821215
[3] /Kommentar-Aufarbeitung-Radikalenerlass/!5367709
[4] https://dkp.de/
## AUTOREN
Hans-Peter de Lorent
## TAGS
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