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# taz.de -- DFB suspendiert Bundestrainer Flick: Erdrückende Indizien
> Nach der 1:4-Niederlage des DFB-Teams gegen Japan wird nicht nur in
> Verbandskreisen über die Nachfolge von Ex-Bundestrainer Hansi Flick
> diskutiert.
Bild: Ende einer Ära: Hansi Flick wird als Bundestrainer freigestellt
Berlin taz Es kommt nicht so oft vor, dass sich an einem Sonntagmorgen im
Wolfsburger Hauptbahnhof eine lange Schlange glücklicher Japaner vor der
einzigen Backstube bildet. So mancher brachte zum Leidwesen der
Verkäuferinnen im Kauderwelsch noch Sonderwünsche vor, aber wer konnte es
ihnen verdenken?
Am Sitz des größten deutschen Autobauers hatten die Japaner bemerkenswerte
Fortschritte aufgeführt und gleichzeitig ganz Deutschland vor die große
Sinnfrage gestellt: Ist die Fußball-Nationalmannschaft gerade das
Spiegelbild dafür, wie der Anschluss in vielen Bereichen an die Weltspitze
verloren geht?
Die gellenden Pfiffe in der Autostadt für die Demontage des vierfachen
Weltmeisters gegen die schon bei der WM siegreichen Japaner gaben Zeugnis
für die Endzeitstimmung, die neun Monate vor einer EM im eigenen Land zu
herrschen scheint. Hansi Flick konnte nach dem 1:4 von Wolfsburg nicht mehr
bleiben, [1][folgerichtig wurde er am Sonntagnachmittag vom DFB
freigestellt]. Aktuell verkörpert die Mannschaft nicht mal mehr Mittelmaß.
Es ist ein Team, das sich gegen Polen, Kolumbien und Japan mit Ansage vorne
festrennt, hinten stolpert – und am Ende verdient verliert. Der schon ohne
Kompass durch die katarische Wüste irrende Ex-Bundestrainer hatte den
Kredit aufgebraucht. Ohne Torhüter Marc-André ter Stegen hätte es die
höchste Heimniederlage seit einem denkwürdigen 1:5 gegen England im
Münchner Olympiastadion 2001 gegeben.
Teamchef war damals jener Rudi Völler, der als Sportdirektor am
Sonntagvormittag zum öffentlichen Training im Stadion neben der Arena 2.376
Fans begrüßte. „Selbstverständlich, dass wir uns hier stellen“, rief
Völler, während Flick beim Autogrammeschreiben versprach: „Ich fighte
weiter!“ Der 58-Jährige ahnte natürlich, dass er als Fußballlehrer auf
Abruf arbeitet. Im Profifußball sei „viel Dynamik drin“, merkte Flick zuvor
an.
## Eine Frage der Basics
Selbst Völler hatte sich so „schockiert“ gezeigt, dass er in der Nacht
keine Jobgarantie für den Bundestrainer mehr aussprach. Man müsse sich
„erst einmal sammeln und beruhigen“. Der 63-Jährige hat seinen Schutzschild
also weggezogen. Die Indizien gegen Flick waren erdrückend, und so steht
der Nachfolger von Joachim Löw beim Länderspiel gegen Frankreich in
Dortmund (Dienstag, 21 Uhr/ARD) nicht in der Coachingzone. Nach der Lektion
am Mittellandkanal behauptete Flick in Verkennung der Realität, dass sein
Trainerteam sich wenig vorzuwerfen habe: „Ich finde, wir machen das gut,
und ich bin der richtige Trainer.“
Man müsse verstehen, dass „Japan toll ausgebildete Fußballer haben – sie
haben die Basics drauf.“ Und seine beim FC Barcelona oder FC Arsenal, FC
Bayern und Borussia Dortmund angestellten Stars nicht mehr? Es sind auch
solche sonderbaren Erklärungen, die den der floskelhaften Rhetorik
überführten Bundestrainer selbst im Verband isolieren. Die Öffentlichkeit
hat ohnehin längst vom Flick-Werk genug. So viel Gespür müssten
DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Liga-Boss Hans-Joachim Watzke mitbringen,
dass es schleunigst einen Neuanfang braucht.
Mehrere Optionen werden dem Vernehmen nach im Verband diskutiert, der sich
am Sitz des DFB-Sponsors zur Krisensitzung versammelte: Am
wahrscheinlichsten ist, [2][dass Matthias Sammer bis zur EM übernimmt] –
auch wenn der als Berater bei Borussia Dortmund eingebundene „Feuerkopf“
seit fast zwei Jahrzehnten kein Team mehr trainiert hat. Danach würde sich
der DFB ernsthaft um Jürgen Klopp bemühen, der bis 2026 an den FC Liverpool
gebunden ist.
Wenn sich solche Pläne nicht realisieren ließen – beide würde Watzke
maßgeblich über sein Netzwerk vorantreiben –, könnte ab 2024 auch Ralf
Rangnick zum Thema werden, der erst einmal Österreich zur EM nach
Deutschland führen will. Den schwäbischen Projektleiter wollte vor zwei
Jahren der machthungrige Ex-Direktor Oliver Bierhoff nicht holen. Sofort
verfügbar wäre Julian Nagelsmann, nach seiner Freistellung beim FC Bayern
ohne Anstellung. Intern macht als letzte Option noch ein Notfallplan mit
Horst Hrubesch die Runde. Und wie wäre es mal mit einem Blick über die
Landesgrenzen?
Neuendorf und Watzke haben nach der WM den Schnitt versäumt. Die zuletzt
über den Kinderfußball streitenden Bosse von DFB und DFL verfolgten mit
versteinerten Mienen, wie die taktisch und technisch perfekt aufeinander
abgestimmten Gäste aus Fernost die fast lächerliche deutsche Abwehrhaltung
bestraften, in der sich das nächste sinnfreie Experiment mit Nico
Schlotterbeck als Linksverteidiger zum Rohrkrepierer auswuchs.
Wenn Franzosen übermorgen nur ein bisschen Ernst machen, setzt es gleich
noch eine Lehrstunde für eine tief verunsicherte Mannschaft, der es an
Haltung und Zusammenhalt, Autorität und Automatismen mangelt. Wer gedacht
hätte, mit dem Ende der Flick’schen Experimentierreihe würde alles besser,
sah bloß ein paralysiertes Ensemble, das seit der WM in elementaren
Bereichen noch schlechter geworden ist.
„Vielleicht denken wir auch, dass wir besser sind, als wir eigentlich
sind“, sagte Ilkay Gündogan. Der Kapitän leitete aus dem Trend ab:
„Irgendwann liegen Anspruch und Realität so weit voneinander entfernt, dass
man akzeptieren muss, dass man gerade nicht gut genug ist.“ Der 32-Jährige
ist nur einer von vielen internationalen Topkräften, die im Trikot mit dem
Bundesadler zum Mitläufer verzwergen.
10 Sep 2023
## LINKS
[1] https://www.dfb.de/news/detail/hansi-flick-als-bundestrainer-freigestellt-2…
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Sammer
## AUTOREN
Frank Hellmann
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