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# taz.de -- Begegnungen in Frankfurt (Oder): Die Freude am Provinzschock
> In Frankfurt kann man noch neues kennenlernen. Interessant ist etwa zu
> beobachten, was Begegnungen mit zeitgenössischer Kunst auslösen können.
Bild: Ein Besuch wert in Frankfurt (Oder): das Kleist-Museum
Trotz Theaterferien finden sich in unserem Städtchen derzeit immer
Veranstaltungen – die meist spannender ausfallen, als ihre Ankündigung
klingt. Keine Ahnung, wie das funktioniert. Aber in diesem konkreten Fall:
dem Provinzschock sei Dank. Eine Malereiklasse der Kunsthochschule
Weißensee hat nämlich eine Ausstellung im Frankfurter Kleist-Museum
gestaltet. In [1][„Chroniken des Verrats“] haben die Studierenden Motive
aus dem literarischen Schaffen von Heinrich von Kleist in ganz
unterschiedlichen Techniken der zeitgenössischen bildenden Kunst
verarbeitet. Ich vermute stark, in Berlin wäre das absolut nichts
Besonderes.
Aber hier in Frankfurt (Oder), am ganz östlichen Ende von Deutschland,
treffen bei der Vernissage die assoziativen Kunstwerke und abstrakten
Erläuterungen ihrer Schöpfer*innen auf ein lokales Publikum − sehr
kulturinteressiert, aber doch etwas konservativer als in der Hauptstadt.
Zwischen Ölgemälde, Videoinstallationen und Grafiken bemalt sich also eine
in Leinen gekleidete Person mit Wachsstiften. Auf den überspannten Reifen
steht ein rassismus- und patricharchatskritischer Brief an Kleist. Im
Hintergrund läuft der Ton zu einem Film. Um die 50 Leute drängeln sich in
den Ausstellungsraum und schauen sich mit fragenden Gesichtern um.
„Also, wenn der Ton zu der Vorstellung hier gehört, sollte man den lauter
machen“, kritisiert ein älterer Besucher. Aber der Ton gehört nicht zur
stummen Performance. „Kommt da jetzt noch was?“, wird in einer anderen Ecke
gefragt. Der Ungeduld Rechnung tragend, beginnt die Führung mit den
Kunstschaffenden. „Zu welchem Kleist-Werk gehört das jetzt?“, fragt jemand.
Die Künstlerin erklärt überrascht, aber geduldig.
An einem zweiflügligen Altar mit bunten Pferdemotiven freut sich eine
Besucherin: „Das ist ja eindeutig, das verstehe ich endlich!“ Dutzende
neugierige Augen erkunden die Details auf dem Holz, später noch die
Grafiken eines Syrers über seine Flucht.
## Freude am Kulturschock
Das Kennenlernen klappt. Und ich hoffe, alle Anwesenden hatten letztlich
Freude an diesem kleinen Kulturschock. Denn der ist, wenn wir ehrlich sind,
gar nicht so selten.
Selber Tag, selber Ort. Wir haben gerade privat Besuch aus Berlin. Und der
ist auch so wunderbar neugierig schockiert von Dingen, die hier normal
scheinen. „Was, die Polizei kontrolliert hier ständig, wer über die Brücke
geht?“ Ja, das Migrationsthema wird doch medienwirksam debattiert. „Was,
die Studierenden gehen nicht hier feiern, sondern fahren dafür nach
Berlin?“ Ja, die wenigsten wohnen hier. Leider. „Was, viele
Tesla-Mitarbeitende kommen aus Polen und fahren hier jeden Tag stundenlang
zur Arbeit?“ Ja, zu anderen Betrieben gibt es sogar mehrmals täglich
Shuttle-Busse.
Ich find’s ja klasse: Die Provinz ist noch zu schocken. Die Provinz kann
noch schocken. Das macht Spaß. Liebe Berliner*innen, kommt uns öfter
besuchen! Tipp: Am 2. September ist wieder Frankfurt-Słubice-Pride.
18 Aug 2023
## LINKS
[1] https://www.kleist-museum.de/ausstellungen/sonderausstellungen/chroniken-de…
## AUTOREN
Peggy Lohse
## TAGS
Frankfurt Oder
Kolumne Grenzwertig
Pride Parade
Theater Osnabrück
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