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# taz.de -- Die Wahrheit: Grabräuber am Familiengrab
> In der letzten Ruhestätte auf dem Friedhof lagen sie alle, und eines
> Tages sollte auch Mutter dort ihren Frieden finden. Doch jetzt ist das
> Grab weg.
Meine Mutter ging immer gern zum Friedhof in der Berliner
Stubenrauchstraße. Dort lagen ihre Eltern, ihre Schwiegermutter und ihr
Mann in einem Urnengrab, und nach ihrem Tod wollte sie ebenfalls dort
beerdigt werden. Vor zwei Wochen mussten wir entsetzt feststellen, dass
Grabräuber über unser Familiengrab hergefallen waren.
Die Friedhofsverwaltung teilte auf Nachfrage mit: „Die Abräumung der Stelle
wurde vorgenommen, da die Stelle am 26. 4. 2022 abgelaufen ist und die
Stelle für eine neue Beisetzung benötigt wurde. Als Hinweis, dass die
Grabstelle abgelaufen ist, wird von der Friedhofsunterhaltung ein Schild
gesteckt, dass man sich bitte bei der Friedhofsverwaltung melden solle.“
Auf dem Friedhof gab es offenbar kein Corona. Unter den Lebenden grassierte
das Virus jedoch. In der Wohngemeinschaft meiner 95-jährigen Mutter
herrschte Ausgangsverbot, weil die alten Leute besonders gefährdet waren.
So entging ihr das Warnschild. Ein Brief mit einem Hinweis war der
Verwaltung wohl zu mühselig.
Vor vielen Jahren hatten wir solch ein Schild rechtzeitig entdeckt und die
Grabmiete verlängert. Ich zog es damals aus der Erde und steckte es zwei
Reihen weiter in Marlene Dietrichs Grab. Später bereute ich das, denn es
gab zu der Zeit genügend Miesepeter, darunter die drittklassige
Wehrmachtsbespaßerin Evelyn Künnecke, die der Dietrich jede Ehrung
missgönnte, weil sie „mit dem Feind zusammengearbeitet“ habe.
Auch die Umbenennung des Kaiser-Wilhelm-Platzes in Marlene-Dietrich-Platz
wurde verhindert. Die spätere Umbenennung in Richard-von-Weizsäcker-Platz
ging hingegen reibungslos vonstatten, obwohl – oder weil? – die
Weizsäckers mehr „braunen Dreck am Stecken“ hatten, als sie zugaben, wie
Marcel Reich-Ranicki feststellte.
Ich erinnere mich an den Tag, an dem Marlene Dietrich in der Nähe des
Grabes ihrer Mutter Josefine von Losch beerdigt wurde. Die Feier am 16. Mai
1992 wurde live im Fernsehen übertragen. Mein Vater stand auf und zog sich
die Jacke an. Er wolle das Grab seiner Mutter gießen, sagte er, die
Fernsehübertragung habe ihn daran erinnert. Wir konnten ihn nur mit Mühe
davon abbringen, sich vor Millionen TV-Zuschauern mit einer Gießkanne den
Weg durch die Trauergemeinde zu bahnen.
Übrigens wäre beinahe auch das Grab von Josefine von Losch eingeebnet
worden. Für die Rettung sorgte eine Spende des „Förderkreises des Museums
für Film und Fernsehen“. In meiner Ahnentafel gibt es nur Winzer und
Kneipiers, sodass niemand unser Familiengrab rettete. Sogar der Grabstein
wurde von den Grabräubern einkassiert, da er sich laut der
Friedhofsverwaltung „nach 6 Monaten nach Ablauf des Nutzungsrechts im
Besitz des Landes Berlin befand“. Möge er ihnen auf den Fuß fallen.
7 Aug 2023
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Friedhof
Grabmal
Familie
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