# taz.de -- Milan Kundera ist tot: Unerträgliche Leichtigkeit des Seins | |
> Der tschechisch-französische Schriftsteller ist mit 94 Jahren in Paris | |
> gestorben. Dort lebte er seit seiner Ausbürgerung durch die CSSR. | |
Bild: Milan Kundera ist im Alter von 94 in Paris gestorben | |
PRAG/PARIS dpa/taz | Der französisch-tschechische Schriftsteller Milan | |
Kundera ist tot. Wie die Mährische Landesbibliothek in Brünn (Brno) am | |
Mittwoch unter Berufung auf seine Ehefrau Vera bekanntgab, starb Kundera | |
mit 94 Jahren in Paris, wo er seit vielen Jahren lebte. | |
Weltruhm erlangte Kundera mit seinem 1984 veröffentlichten Roman „Die | |
unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. Das melancholische Liebesdrama | |
zwischen dem untreuen Chirurgen Tomas und der Kellnerin Teresa wurde sofort | |
zum Bestseller. Kundera wurde am 1. April 1929 im mährischen Brünn (Brno) | |
als Sohn eines Musikhochschulrektors und einer Lehrerin geboren. Im Alter | |
von 18 Jahren trat er wie viele seiner Generation mit Begeisterung der | |
kommunistischen Partei bei. Mit dem Stalinismus setzte sich Kundera in | |
seinem Roman „Der Scherz“ auseinander. Später wurde er zu einem prominenten | |
Vertreter [1][der sozialistischen Demokratiebewegung „Prager Frühling“.] | |
Der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten im August 1968 beendete jedoch | |
den Traum vom „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. In einem Interview | |
der New York Times mit dem Schriftsteller Philip Roth sagte Kundera 1980: | |
„Hätte mir jemand als Junge gesagt: Eines Tages wirst Du erleben, wie deine | |
Nation von der Welt verschwindet, hätte ich das für Unsinn gehalten, etwas, | |
dass ich mir unmöglich vorstellen könnte. Ein Mann weiß, dass er sterblich | |
ist, aber er nimmt es als gegeben hin, dass seine Nation eine Art ewiges | |
Leben besitzt.“ | |
Mitteleuropa, so argumentierte Kundera in einem Essay damals, sei nach dem | |
Zweiten Weltkrieg aus dem Westen „entführt“ worden. 1975 zog er mit seiner | |
Frau, der Fernsehansagerin Vera, nach Frankreich, 1979 wurde ihm die | |
tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzogen. | |
## Leben im Exil | |
Genau 40 Jahre später wurde der einstige Dissident wieder Bürger | |
Tschechiens. Die Initiative dafür ging auf den früheren frankophilen | |
Regierungschef Andrej Babis zurück, der den Autor in Paris besucht hatte. | |
Seinem zentralen Thema, dem Leben im Exil, widmete sich Kundera in vielen | |
seiner Bücher. | |
Mitten im Schreiben des Romans „Die Unsterblichkeit“ (1990) wechselte er | |
ins Französische, die Sprache der Aufklärung und seines großen Vorbilds, | |
des Philosophen Denis Diderot. Sein letzter Roman „Das Fest der | |
Bedeutungslosigkeit“ von 2014 erschien zuerst in einer italienischen | |
Übersetzung – wie um den Anspruch des Weltliteraten noch einmal zu | |
bekräftigen. | |
Neben Überlegungen zum Leben im Exil geht es bei Kundera vor allem jedoch | |
immer um die großen Fragen der Identität, der Geschichte, der Existenz. Oft | |
wurde er als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt, doch kam es | |
nie dazu. Belastet wurde er durch Vorwürfe aufgrund eines | |
Polizeiprotokolls, er habe 1950 einen antikommunistischen Spion verraten. | |
Er selbst bestritt dies. | |
Über den Menschen hinter dem Schriftsteller Kundera ist indes nur wenig | |
bekannt, obwohl er jahrzehntelang im Herzen von Paris wohnte. Der | |
Romanautor sei derjenige, der „hinter seinem eigenen Werk zu verschwinden | |
sucht“, merkte er einmal an. Interviews gab er kaum. Jugendfreunde aus | |
Brünner Tagen besuchte er nur inkognito – mit falschem Bart und | |
Sonnenbrille. | |
12 Jul 2023 | |
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