| # taz.de -- Polizei drangsaliert Waldbesetzer*innen: „Übergriffig und willk�… | |
| > In ihrem Camp gegen die Verlängerung der A33 erleben die | |
| > Aktivist*innen Polizei-Schikane. Dabei ist das Camp als zulässige | |
| > Versammlung eingestuft. | |
| Bild: Ausgefeilte Technik: In luftiger Höhe werden die Baumhäuser durch Seile… | |
| Osnabrück taz | Sonnenstrahlen kämpfen sich durch das dichte Blätterdach, | |
| bilden am Waldboden ein Muster aus Licht und Schatten. In den Baumkronen | |
| hängen zusammengeschusterte Holzbauten, die im Wind knirschen und die | |
| Geräusche des Waldes übertönen. Hier, im Wald im Wiehengebirge bei | |
| Osnabrück, haben Aktivist*Innen Baumhäuser und Holzplattformen gebaut, | |
| von denen aus sie den Wald vor drohender Rodung schützen wollen. Genau | |
| hier, wo Transparente und Schilder mit Parolen das selbstgebaute Lager | |
| schmücken, soll ein Autobahnkreuz entstehen. | |
| Seit nun einem Jahr besetzen die Aktivist*Innen das abgelegene | |
| Waldstück nahe Osnabrück schon. Sie protestieren gegen den geplanten neun | |
| Kilometer langen Lückenschluss [1][A33-Nord]. Er soll die Autobahn 33 von | |
| Belm, das liegt nordöstlich von Osnabrück, bis zur Autobahn 1 in | |
| Wallenhorst, nördlich der Großstadt, verlängern. | |
| Das Bundesverkehrsministerium legte sich [2][bereits 2012] auf diesen | |
| Trassenverlauf fest. Etwa 52 Hektar sind für den Bau des Teilstücks | |
| vorgesehen. Der geplante Baubeginn verzögert sich jedoch immer wieder. | |
| Wo im Juli vergangenen Jahres zuerst eine einzelne Holzplattform in den | |
| Bäumen hing, erstreckt sich mittlerweile ein perfekt ausgebautes Lager: | |
| mehrere Baumhäuser in luftiger Höhe, Barrikaden auf dem Forstweg, der als | |
| Zufahrt fungiert, und in der Mitte des Camps ein großer Holzbau auf | |
| Stämmen, mehrere Meter hoch. Ihn nennen die Aktivist*Innen | |
| „Wohnzimmer“, hier befindet sich die Gemeinschaftsküche. So kommen | |
| [3][Polizei] und Mäuse nicht an die Vorräte. Gegessen wird wiederum unten, | |
| wo verschiedene Sitzmöglichkeiten zum Ausruhen einladen. Umgeben ist das | |
| Lager von meterhohen Absperrungen samt einer Tür, die wie eine kleine | |
| Zugbrücke hochgeholt werden kann. | |
| „Die Autobahntrasse der A33-Nord soll direkt durch ein FFH-Gebiet und | |
| entlang eines Wasserschutzgebietes gerodet werden“, erklärt Jonas, der | |
| eines der Baumhäuser bewohnt und eigentlich anders heißt. | |
| FFH steht für Fauna-Flora-Habitat: Der Wald beherberge Feuchtgebiete, in | |
| denen Fledermäuse und andere bedrohte Tierarten leben, sagt Jonas. Schon | |
| jetzt sei der Wald durch Forstwirtschaft und einen Steinbruch sehr | |
| zerschnitten. Es gibt Lücken, außerdem viel Monokulturwald. „Hier eine | |
| Autobahn durch zu bauen, anstatt dem Wald zu helfen, ist purer Wahnsinn.“ | |
| Neben den ökologischen Folgen kritisieren die Aktivist*Innen auch die | |
| sozialen Auswirkungen des Ausbaus. Die Autobahn würde mitten durch kleine | |
| Dörfer führen, Wohnhäuser würden abgerissen werden und Bäuer*Innen | |
| müssten ihre Felder aufgeben und auf neue Flächen umziehen. Dies hätte | |
| schwerwiegende Folgen für die Menschen, die seit Jahrzehnten in der Region | |
| leben. | |
| Jonas ist einer von mehreren Aktivisten*Innen, die dauerhaft im Camp | |
| wohnen. Am Wochenende kommen auch Unterstützer*Innen aus der Umgebung | |
| und aus der Ferne dazu, um beim Ausbau des Camps zu helfen. Material und | |
| Verpflegung dafür spenden lokale Unternehmen und Privatpersonen. | |
| „Als Besetzung kämpfen wir für eine klimagerechte und hierarchiefreie | |
| Zukunft“, so Jonas. Friedliche Demonstrationen und Aktionen im legalen | |
| Rahmen reichen seiner Meinung nach nicht mehr aus, um den erforderlichen | |
| Druck auf Regierungen und Konzerne auszuüben. „Wir reihen uns mit der | |
| Besetzung in die langjährige Tradition des Kampfes gegen den Autobahnausbau | |
| in der Region ein.“ | |
| Dieser Kampf währt schon lange: Während der 1990er- und 2000er-Jahre kam es | |
| in dem Gebiet entlang der geplanten A33-Trasse zu Demonstrationen und | |
| mehreren Besetzungen durch selbstgebaute Hüttendörfer. Über einen langen | |
| Zeitraum hinweg kam es bei diesen zu Konfrontationen zwischen den | |
| sogenannten Hüttendörfler*Innen, der Polizei und den Autobahnbauern, da die | |
| Protestierenden immer wieder die geplante Trasse und Baustellen | |
| blockierten. Doch auch die oft ausgerückte Polizei hielt die | |
| Aktivist*Innen damals nicht davon ab, über Jahre hinweg dort zu | |
| bleiben. | |
| „Die Möglichkeit eines freien und selbstbestimmten Lebens in den selbst | |
| erbauten Hütten aus Holz übte eine enorme Anziehungskraft aus“, erzählt | |
| Joshua, der auch anders heißt und die Hüttendörfer miterlebte und sich an | |
| diesen beteiligte. | |
| Es habe Menschen in die Dörfer gezogen, die nicht nur gegen die | |
| Umweltzerstörung durch den Autobahnbau protestierten, sondern auch ihren | |
| Widerstand gegen die materialistische Gesellschaft zum Ausdruck bringen | |
| wollten. „Nur wenige Dörfer bestanden über einen längeren Zeitraum. Nach | |
| Räumungen wurde jedoch einfach neu besetzt oder sich noch bestehenden | |
| Besetzungen angeschlossen“, erzählt Joshua weiter. | |
| Auch seit Beginn der Besetzung im vergangenen Jahr fährt die Polizei | |
| Niedersachsen einen harten Kurs. So gibt es immer wieder Bodenräumungen und | |
| regelmäßige Personenkontrollen auf den Wegen zur Besetzung. | |
| Am 24. Mai, parallel zur [4][bundesweiten Großrazzia gegen die Letzte | |
| Generation], wurde der bislang drastischste Einsatz ausgeführt: Auf Antrag | |
| der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht Osnabrück die Durchsuchungen | |
| aller Strukturen zum Auffinden von Beweismitteln und Diebesgut an. Dabei | |
| stellte die Polizei die Personalien aller Menschen im Wald fest. | |
| Anlass für die Durchsuchung, so schreibt es die Polizei, sollen Straftaten | |
| im Umfeld des Camps gewesen sein, bei denen sich der Verdacht gegen die | |
| Campbewohner*Innen gerichtet habe. Unter anderem sollen Jagdhochsitze | |
| in der Nähe des Camps beschädigt oder vollständig zerstört, Bäume | |
| unberechtigterweise gefällt und Brandstiftung an einem Radlader begangen | |
| worden sein. Ziel der Maßnahme sei es gewesen, Bewohner*Innen und | |
| mögliche Beschuldigte zu identifizieren. Neben den Kräften der | |
| Polizeiinspektion Osnabrück waren unter anderem die Bereitschaftspolizei | |
| sowie ein Höheninterventionsteam an dem Einsatz beteiligt. | |
| ## Solidarität und Unterstützung vermisst | |
| „Die eskalierende Razzia hat uns natürlich getroffen, von dieser lassen wir | |
| uns jedoch nicht einschüchtern“, erklärt Luisa, die den Einsatz selbst | |
| mitbekommen hat. Auch sie möchte ihren richtigen Namen nicht nennen. | |
| Was einen stärkeren Eindruck hinterlassen habe als die Repression, sei | |
| jedoch das Fehlen von Solidarität und Unterstützung. „Während die Letzte | |
| Generation breite Aufmerksamkeit und Solidarität erfuhr, blieb die | |
| Unterstützung für unsere Besetzung nahezu komplett aus“, sagt Luisa. Dabei | |
| könne Solidarität kleineren Waldbesetzungen enorm helfen, sich gegen | |
| Repressionen zu wehren. „Durch Bezugnahmen könnte man zeigen, dass jeder | |
| Polizeieinsatz einen Preis hat, die Cops sich nicht alles erlauben können | |
| und wir uns gemeinsam gegen ihre Repressionen wehren.“ | |
| Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen zwischen Polizei und | |
| Campbewohner*Innen. So berichten die Aktivist*Innen von Übergriffen und | |
| Willkür der Staatsgewalt, während die Polizei ihre Einsätze mit | |
| Ordnungswidrigkeiten und Strafanzeigen begründet. | |
| „Die Cops kommen eigentlich fast wöchentlich zum Camp, um es sich | |
| anzuschauen, zu fotografieren und oftmals auch, um die Bodenstrukturen zu | |
| räumen“, sagt Luisa. Dabei komme es auch vor, dass Personen für Kontrollen | |
| der Personalien mit auf die Wache genommen werden. „Während der | |
| Bodenräumungen bedienen sich die Cops auch gerne mal an unserem Werkzeug.“ | |
| ## Regelmäßige Besuche der Polizei | |
| Im Juli vergangenen Jahres hat die Polizei die Besetzung als zulässige | |
| Versammlung eingestuft und betont, dass eine Auflösung nur im Falle einer | |
| Gefahr für die Allgemeinheit oder der Missachtung beschränkender | |
| Verfügungen erfolgen würde. Während die Polizei weiterhin regelmäßige | |
| Besuche im Camp abstattet, bleibt die Situation vor Ort also wohl vorerst | |
| unverändert. | |
| Trotz der Konflikte und der polizeilichen Gegenmaßnahmen halten die | |
| Aktivist*Innen an ihrer Besetzung fest. Sie organisieren regelmäßig | |
| Bürgerdialoge, Veranstaltungen und Kletterworkshops, um ihre Bewegung und | |
| den Widerstand gegen den Ausbau der A33-Nord zu stärken. | |
| Es ist noch nicht entschieden, wann der Bau der umstrittenen Autobahn | |
| beginnen wird. Derzeit läuft das Planfeststellungsverfahren, das Ende 2020 | |
| gestartet ist. Anschließend besteht die Möglichkeit, dass Gegner*Innen | |
| der Autobahn den Plan vor dem Bundesverwaltungsgericht anfechten. | |
| Selbst wenn es keine Klagen geben sollte, müsste noch mindestens ein Jahr | |
| in die weitere Planung investiert werden. Anschließend würde es mindestens | |
| sechs Jahre dauern, um die neun Kilometer lange Lücke der Autobahn zwischen | |
| der A33 und der A1 zu schließen. Es ist davon auszugehen, dass die | |
| Fertigstellung der Autobahn frühestens im Jahr 2030 erfolgt. | |
| 1 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lars Hermes | |
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