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# taz.de -- Proteste in Irak: Der Drang nach Aufmerksamkeit
> In Stockholm will ein Iraker erneut einen Koran verbrennen. Eine
> Menschenmenge stürmt in Bagdad die schwedische Botschaft.
Bild: Protestierende in Bagdad nach dem Ende des Sturms auf die schwedische Bot…
Kairo taz | Hunderte Demonstranten haben am Donnerstagmorgen die
[1][schwedische Botschaft in Bagdad gestürmt]. Auf Handyvideos war ein
Feuer zu sehen, das innerhalb des Botschaftsgebäudes loderte. Irakische
Bereitschaftspolizei versuchte, die Menge mit Wasserwerfern
auseinanderzutreiben. Bei Sonnenaufgang war das Feuer gelöscht, die
Demonstranten waren wieder abgezogen. Anlass der Proteste war die erneute
Genehmigung einer öffentlichen Koranverbrennung in Stockholm, der zweiten
innerhalb weniger Wochen.
Alle Mitarbeiter der Botschaft seien in Sicherheit, hieß es in einer
anschließenden Erklärung des schwedischen Außenministeriums. Außenminister
Tobias Billström bezeichnete den Angriff als „vollkommen inakzeptabel“ und
warf den irakischen Behörden vor, die Botschaft nicht ausreichend geschützt
zu haben.
Der Irak verwies aus Protest gegen die geplante Koranverbrennung die
schwedische Botschafterin des Landes. Gleichzeitig verurteilte das
irakische Außenministerium aber auch den Angriff in Bagdad und versprach
eine Untersuchung des Vorfalls sowie eine Überprüfung der
Sicherheitsmaßnahmen. Außerdem kündigte es an, die Täter ausfindig zu
machen und zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Täter zu finden dürfte nicht allzu schwer werden, denn es handelte sich
nicht um eine spontane Protestveranstaltung. Es war der schiitische
Politiker und Prediger [2][Muqtada Sadr], der seine Anhänger dazu
aufgerufen hatte. „Wenn die Meinungsfreiheit vom Irak und der Welt
garantiert und anerkannt wird, müssen die Gläubigen ihre Meinung zur
Verbrennung himmlischer Bücher äußern können“, twitterte Sadr, der damit
offensichtlich versucht, als „Verteidiger des Islam“ politisches Kleingeld
im Irak zu verdienen.
Sadr hat sich in einem innerschiitischen Machtkampf mit seinen Anhängern
aus der Regierung und dem Parlament zurückgezogen. Der Sadr-Block hatte
zwar bei den letzten irakischen Wahlen [3][die meisten Stimmen erhalten],
es aber nicht geschafft, eine Koalition zu formen. Stattdessen mobilisiert
er seine Anhänger regelmäßig auf der Straße, um dort seine Macht zu
demonstrieren.
## Koranverbrenner Momika: Paradoxe Vergangenheit
Doch nicht nur Sadr versucht hier Aufmerksamkeit zu schinden. Das gilt auch
für den irakischen Flüchtling in Schweden, der die letzte Koranverbrennung
organisiert hat. Der 37-jährige christliche Iraker [4][Salwan Momika] hat
einen mehr als verwirrenden Lebenslauf. Er gehörte einst einer christlichen
Miliz in der irakischen Provinz Nineveh an, die den sogenannten Haschd
al-Schaabi zugerechnet werden. Das ist ein Netzwerk meist schiitischer
Milizen, die vom Iran unterstützt werden, um über sie Einfluss auf den Irak
zu nehmen.
In einem alten auf Twitter veröffentlichten Video stellt sich Momika auch
als Mitglied der sogenannten „Im-Geiste-Jesus-Brigaden“ vor, einer von den
iranischen Revolutionsgarden gegründeten Miliz.
Der Koranverbrenner hat also eine paradoxe Vergangenheit. Laut der
arabischen, vom Emirat Katar finanzierten Zeitung Al-Araby Al-Jadeed sei
Momika ein „Opportunist, der berühmt werden möchte, aber es nie geschafft
habe, nicht einmal innerhalb der christlichen Gemeinden im Irak“.
Sabah Karam, ein ehemaliges Mitglied des Stadtrates des Orts Hamdaniya, aus
dem Momika stammt, beschreibt ihn gegenüber Al-Araby Al-Jadeed als
„stadtbekannt und berüchtigt“. Er würde auch in mehren Fällen wegen Betr…
gesucht.
## Irak droht mit Abbruch der Beziehungen zu Schweden
Nun setzt sich Momika offenbar erneut in Schweden in Szene. Die schwedische
Nachrichtenagentur TT berichtete am Dienstag, dass die Polizei eine
Veranstaltung vor der irakischen Botschaft genehmigt habe, bei der ein
Exemplar des Korans und eine irakische Flagge angezündet werden sollen.
Momika wird aber nicht namentlich genannt.
Aus dem Büro des irakischen Premierministers Mohammed Shia’ Al-Sudani heißt
es dazu, dass in diesem Falle die Beziehungen zu Schweden abgebrochen
würden. Die irakische Regierung befindet sich dabei auch unter starkem
innenpolitischem Druck seitens Sadrs.
Der tweetete am Donnerstag, dass eine Verurteilung der Koranverbrennung
nicht genug sei, sondern dass der Irak eine deutliche Position einnehmen
müsse. „Ich warte auf die offizielle Antwort“, schreibt Sadr, „bevor ich
mir überlege, was zu tun ist.“
20 Jul 2023
## LINKS
[1] /Nach-Ankuendigung-von-Koranverbrennung/!5948644
[2] /Politische-Krise-im-Irak/!5874970
[3] /Wahl-im-Irak/!5807766
[4] https://www.newarab.com/news/who-salwan-momika-infamous-iraqi-who-burnt-qur…
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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