| # taz.de -- Viel Gesprächsstoff in Frankfurt (Oder): Keine Sommerpause | |
| > Von einer Saure-Gurken-Zeit kann in der deutsch-polnischen Provinz keine | |
| > Rede sein. Irgendwas ist immer im Gespräch oder gibt es zu Gucken. Auch | |
| > Libellen. | |
| Bild: Zeigt sich gern beim Streifzug durch die Natur: die Libelle | |
| Beim Cold-Brew-Käffchen in einem hippen Coworking-Café in Frankfurt (Oder) | |
| − ja, das gibt’s! − treffe ich einen Kollegen. Wie eigentlich immer, wenn | |
| ich da bin. Der Segen der Kleinstadt: Man muss sich nicht verabreden und | |
| trifft sich doch regelmäßig. | |
| Jedenfalls reden wir über das Sommerloch. Dieses große Grauen der Medien, | |
| die Sommerzeit, wenn angeblich nichts Berichtenswertes passiert. Dabei | |
| sollte die Betonung auf „berichtenswert“ liegen, denn passieren tut doch | |
| viel. Ich finde: Sommerloch, Sommerpause, Saure-Gurken-Zeit − das gibt’s | |
| bei uns nicht, hier in der deutsch-polnischen Provinz. | |
| Da feierten zuletzt Tausende Menschen aus der Doppelstadt und Umland in | |
| Słubice die polnische Schlager-Diva Maryla Rodowicz, in Frankfurt (Oder) | |
| das 80er-Jahre-Sternchen Thomas Anders. Mehr als 100.000 Besucher sollen da | |
| gewesen sein! Dafür gab es gar drei Tage lang Fußgängerzone auf der | |
| Hauptstraße und kostenlosen Stadtverkehr bis spät in die Nacht. Und niemand | |
| beschwerte sich − gemeckert wurde stattdessen über hohe Preise an den Ess- | |
| und Trinkständen. | |
| An der im Vorfeld in Social-Media-Gruppen umstrittenen | |
| [1][„Sorry“-Skulptur] treffen sich nahezu täglich Menschen, um über den | |
| Sinn von Kunst, den Umgang mit [2][Migration] und Reaktionen auf | |
| Klimafragen zu diskutieren. Es werden persönliche Geschichten aus | |
| Kriegsgebieten erzählt und Demonstrationen organisiert. Da ist wirklich ein | |
| Austauschort entstanden. Merke: Man stelle grobe Betonwände mit | |
| Glassplittern auf der Oberkante in Wortform an beliebten Spazierwegen auf | |
| und lade zu Gesprächen. Die passieren dann wirklich! | |
| ## Angst vor einem Fischsterben | |
| Dahinter fließt weiter die flache Grenzoder der Ostsee entgegen. An Land | |
| ist die Angst groß, dass aus ihr bald das nächste Fischsterben auftaucht − | |
| die Goldalge ist ja noch im Wasser, die Temperaturen steigen, der Pegel | |
| sinkt. An möglichen Ursachen durch Einleitungen und Verschmutzung hat sich | |
| kaum etwas verändert. Die Salzwerte, heißt es, seien längst wieder so hoch | |
| wie im August 2022. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit. | |
| Vom Abwarten hat man 30 Kilometer oderabwärts die Nase voll: Da kämpft seit | |
| Monaten eine deutsch-polnische Initiative um die sogenannnte „Ostbahn“, die | |
| kleine [3][Regionalbahn 26], betrieben von der Niederbarnimer Eisenbahn. Da | |
| fallen ständig Wagen und Klimaanlagen aus, über die Grenzbrücke | |
| Küstrin–Kostrzyn fährt wegen Bauarbeiten seit Monaten ein Mini-Ersatzbus. | |
| Kurz: Die Fahrgäste sind gefrustet. | |
| Grenzüberschreitende ÖPNV-Verbindungen gibt es wenige, und die sind auch | |
| noch unzuverlässig. Die polnische Regionalbahn von Frankfurt nach Zielona | |
| Góra beispielsweise fährt nur zweimal am Tag hin und zurück, aber meistens | |
| ist der Zug kaputt, und es bleibt der Ersatzbus. Oder der Eurocity, für den | |
| aber kaum spontan Tickets zu kriegen sind, weil man über die Grenze ja nur | |
| mit Reservierung fahren darf. Warum eigentlich? | |
| Ach, und gegenüber vom Café hat jemand auf einem Plattenbaubalkon eine | |
| Russlandflagge aufgehängt. | |
| ## Paddeln auf der polnischen Seite | |
| Also doch besser schnell nach einem Sommerloch suchen. Bei den bunten | |
| Zauneidechsen im Garten verstecken? Oder an kleinen Badeseen im Umland, | |
| weil Helenesee und Słubicer Freibad gesperrt sind? Nein, der absolute | |
| Geheimtipp für echtes Sommerlochgefühl ist: Paddeln auf kleinen | |
| Oder-Zuflüssen auf polnischer Seite. | |
| Da watet man viel durchs kühle Wasser, um Boote über Baumstämme zu ziehen, | |
| während sich das Flüsschen Pliszka durch tiefes Waldgrün windet. Dutzende | |
| Libellenarten begleiten die buchstäblich Wasserwandernden von Biwakplatz zu | |
| Fabrikruinen. Mücken und Bremsen verpassen den Beinen eine schicke | |
| Streuselkuchenoptik. Rote Pusteln als Andenken an den Ausflug ins kurze | |
| grüne Sommerloch. | |
| 18 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Peggy Lohse | |
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