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# taz.de -- Skandal um Pflegeheime in Rumänien: Heiminsassen in Keller gesperrt
> In Rumänien hat ein Skandal um Missstände in Pflegeheimen politische
> Konsequenzen. Zwei Regierungsmitglieder sind zurückgetreten.
Bild: Wegen des Pflegeheim-Skandals gab es Proteste vor dem Regierungsgebäude …
Bukarest taz | Bilder von zerlumpten, halbnackten und bettelnden Senioren
machten Anfang Juli in Rumänien die Runde. Sie belegten die unhaltbaren
Zustände mehrerer Pflegeheime in Voluntari, einem Ort am nordöstlichen Rand
der Hauptstadt Bukarest. In der vergangenen Woche hatte das Konsequenzen
für zwei rumänische Regierungsmitglieder: Der Arbeitsminister Marius Budăi
trat am Donnerstag zurück und Familienministerin Gabriela Firea am Freitag.
Beide gehörten der sozialdemokratischen Partei PSD von
[1][Ministerpräsident Marcel Ciolacu] an, der sie zum Rücktritt
aufgefordert hat.
Nach den ersten Berichten über die Zustände wurden immer weitere Details
öffentlich. Demnach schlugen die Heimbetreuer die ihnen anvertrauten
Bewohner regelmäßig. Einige Bewohner, die versucht hatten, gegen die
entwürdigende Behandlung zu protestieren, wurden in dunkle, zellenähnliche
Kellerräume gesperrt. Die in verschmutzten Betten dahinvegetierenden,
unterernährten, wehrlosen, zum Teil aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters
schwer beeinträchtigten Menschen waren der totalen Willkür des Personals
ausgesetzt.
Die Horrorgeschichte verwandelte sich zusehends in eine parteipolitische
Auseinandersetzung. Medial stand vor allem die Familienministerin und
frühere Bukarester Oberbürgermeisterin Gabriela Firea im Fokus. Zum einen
als innerparteiliche Rivalin des Chefs der Sozialdemokraten und amtierenden
Ministerpräsidenten, Marcel Ciolacu.
Zum anderen als Ehefrau von Voluntaris Bürgermeister, welcher direkt die
Genehmigung für die skandalösen Altenheime erteilt haben soll. Mehreren
Presseberichten war zudem zu entnehmen, dass die Inhaber der Einrichtungen
zum Bekannten- und Freundeskreis der Ministerin und ihres Gatten gehörten.
## Teilweise mit offenen Wunden
Beide hatten die Beschuldigungen als unhaltbar abgestritten. Jedoch
bekräftigten Dokumente und Gesprächsprotokolle, die von den zuständigen
Ermittlungsbehörden der Presse zugespielt wurden, dass es entsprechende
Kontakte gab.
Gleichzeitig wurde bekannt: Die verantwortlichen Behörden wussten bereits
im Februar von den Zuständen. Doch erst nach den Presseberichten leiteten
sie drastische Maßnahmen ein, nahmen Verantwortliche fest und ließen die
Heimbewohner in anderen Seniorenhäusern unterbringen. Einige Bewohner kamen
ins Krankenhaus – teilweise mit offenen Wunden. Zudem ordnete die Behörde
weitere Kontrollen an und deckte andernorts ähnliche Zustände wie in
Voluntari auf.
In der [2][Folge des Skandals] kam es allerdings zu einer politischen
Schlammschlacht, die offenbar voreilig auch humanitäre Stiftungen traf. So
erging es beispielsweise der von dem Schriftsteller und Bürgerrechtler Ion
Ilieşu gegründeten Stiftung Temeswar 89, die in der westrumänischen Stadt
Temeswar eine Einrichtung für Obdachlose und Straßenkinder betreibt.
Der Bezirkspräfekt Mihai Rițivoi, Mitglied der mitregierenden Liberalen
Partei (PNL), ließ die Stiftung schließen, die Wände seien nicht frisch
gekalkt. Damit wollte er offenbar dem dortigen Bürgermeister Dominic Fritz
schaden. Letztinstanzlich wurde die Schließung der Einrichtung aber wieder
aufgehoben.
Ministerpräsident Ciolocu forderte derweil nicht nur seine beiden
Regierungsmitglieder zum Rücktritt wegen der Zustände in zahlreichen
Einrichtungen auf. Auch Kreisräte, Chefs verantwortlicher Institutionen und
Polizeibehörden, in deren Zuständigkeitsbereich die defizitären
Einrichtungen fielen, sollten Konsequenzen ziehen. Sie hätten die Zustände
rechtzeitig beenden müssen.
Hinweis: In einer früheren Version des Textes hieß es, der
Kreisratsvorsitzende Alin-Adrian Nica (PNL) habe die Stiftung in Temeswar
schließen lassen. Das trifft nicht zu, es handelt sich um einen Fehler der
Redaktion. Wir haben das korrigiert.
16 Jul 2023
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## AUTOREN
William Totok
## TAGS
Rumänien
Altenpflege
Rücktritt
Rumänien
Olaf Scholz
Rumänien
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