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# taz.de -- Frauenfinale in Wimbledon: Das Psychospiel perfekt beherrschen
> Die Tschechin Markéta Vondroušová schlägt die Tunesierin Ons Jabeur 6:4
> und 6:4. Das Rezept der Siegerin: der Gegnerin die Lust am Tennis nehmen.
Bild: Mit Tattoo und Tempo: Markéta Vondroušová
Sie kannte das ja schon: Markéta Vondroušová stand schon einmal im Finale
eines Grand-Slam-Turniers. 2019 bei den French Open unterlag sie in knapp
einer Stunde [1][Asb Barty] aus Australien. Die Bühne war damals zu groß.
Sie, die damals 19-jährige Tschechin, zu unerfahren in diesen
Highlight-Matches.
Die Klatsche von Paris hatte aber etwas Gutes. Das verriet Vondroušová am
Samstag nach ihrem Überraschungserfolg im Finale von Wimbledon gegen
[2][Ons Jabeur.] „Ich wusste, was auf mich zukommen würde, die ganzen
Emotionen, der große Druck.“ Ein Vorteil sei das gewesen, sagte Vondroušová
nach dem 6:4- und 6:4-Erfolg. Weil aber nun auch Jabeur, ihre Gegnerin,
schon vor dem Wimbledon-Finale zweimal in Grand-Slam-Endspielen stand (und
auch diese verlor), hätte man denken können, dass auch die erfahrene
Tunesierin etwas Brauchbares aus diesen Matches hätte mitnehmen können. Das
Gegenteil war der Fall. Jabeur, die bei ihren Auftritten immer auch die
zentnerschwere Last der Erwartung ihres Heimatlandes, wenn nicht sogar die
des ganzen Maghreb auf ihren Schultern trägt, verlor das Spiel vor allem im
Kopf. Das soll nicht despektierlich klingen. Vondroušová machte es schon
gut mit ihrer Defensivtaktik. Sie nahm ihrer Gegnerin jegliche Freude am
Spiel. Vondroušová ließ Jabeur einfach nicht von der Kette. Das reichte
schon, um am Ende den Titel zu holen.
Dass es so einfach für die Linkshänderin werden würde, damit hatte niemand
gerechnet. Jabeur ist normalerweise eine wunderbar leichtfüßige
Gefühlsspielerin. Ihr [3][ansatzloser Stoppball] ist ihr wichtigster und
effektivster Schlag. Im gesamten Finale gelangen ihr damit aber nur drei
freie Punkte. „Es war heute die schlimmste Niederlage meiner Karriere“,
hauchte Jabeur hinterher in das Standmikrofon auf dem Centre Court im All
England Club. Tränen liefen. Es habe auch wieder am Druck gelegen, sagte
sie noch. „Es ist immer das Gleiche, je erfolgreicher ich spiele und je
weiter ich in einem Turnier komme, desto größer wird der Druck.“
Tennis ist und bleibt ein schreckliches psychologisches Spielchen. Jabeur
hat einmal gesagt, sie könne nur ihr bestes Tennis zeigen, wenn sie es auf
dem Platz auch genießen würde. Am Samstag im Finale von Wimbledon quälte
sich die 28-Jährige bei fast jedem Ballwechsel. Vondroušová, die immer
wieder in ihrer Karriere von komplizierten Verletzungen aus der Bahn
geworfen wurde, ist nun die erste ungesetzte Spielerin, die es geschafft
hat, in Wimbledon den Frauentitel zu holen. Cool, unaufgeregt und manchmal
fast schon ein wenig anteilnahmslos, so stoisch ging sie bei ihrem
unvergleichlichen Siegeszug in diesen 14 Tagen von Wimbledon in ihren
Matches zu Werke. In ihren sieben Spielen siegte sie fünfmal gegen gesetzte
und im Ranking zum Teil weit vor ihr platzierte Spielerinnen. Nur gegen
Jessica Pegula, die Nummer 4 der Weltrangliste, wurde es etwas knapper.
Das Spiel fand genauso wie das Finale am Samstag unter geschlossenem Dach
statt. Dass das Endspiel eine Hallen-Veranstaltung war, kam Vondroušová
auch jetzt wieder zugute. Äußere Bedingungen spielten so keine Rolle. Der
Wind konnte ihrem immer etwas wackligen Ballwurf nichts anhaben. Das
berichtete sie hinterher – und lachte ein bisschen.
Eigentlich gab es nur einen Moment, in dem sie Angst hatte. In ihrem
letzten Aufschlagspiel führte sie schon 40:0. Sie hatte drei Matchbälle.
„Aber dann wurden die Leute laut, ich konnte plötzlich nicht mehr atmen.
Ich wollte nur, dass es irgendwie vorbei ist“, sagte sie hinterher. Es sei
die „ultimative Befreiung“ gewesen, als der letzte Matchball drin war. Die
listige Vondroušová mit dem sehr besonderen Matchplan („offense wins games,
defense wins championships“) begann das Turnier im All England Club als
Nummer 42 der Weltrangliste. Am Montag wird sie im Ranking auf Platz 10
geführt. Es ist die gerechte Belohnung für zwei famose Wochen und ein
perfektes „mental game“ im Finale, das ihr weiter Auftrieb geben wird.
Jabeur dagegen steckt weiter in einem persönlichen Dilemma: Je näher sie
ihrem ersten Grand-Slam-Titel kommt, desto mehr verkrampft sie. Auch aus
Angst, ihre Leute zu enttäuschen. Dieses verdammte Tennis.
16 Jul 2023
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## AUTOREN
Klaus Bellstedt
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