# taz.de -- Proteste in Serbien: Gegen den Gewaltkult | |
> Nach zwei Amokläufen wird in Serbien weiter hartnäckig gegen Gewalt | |
> demonstriert. Fristgemäß haben Menschen mehr als 100.000 illegale Waffen | |
> abgegeben. | |
Bild: Seit Anfang Mai demonstrieren wöchentlich Zehntausende in Belgrad | |
Belgrad dpa | Als Reaktion [1][auf zwei Amokläufe] mit 18 Toten haben | |
Menschen in Serbien mehr als 100.000 Waffen aus illegalem Besitz abgegeben. | |
Die Regierung hatte zu dem Schritt aufgerufen, eine Frist für die | |
straffreie Abgabe war am Freitag um Mitternacht abgelaufen, nachdem sie | |
bereits ein Mal verlängert worden war. Übergeben wurden nach Polizeiangaben | |
von Samstag rund 82.400 Handfeuerwaffen, rund 26.500 Minen und andere | |
Sprengsätze, sowie 4,2 Millionen Stück Munition. | |
Zudem kam es am Samstagabend erneut zu großen Demonstrationen gegen den von | |
manchen Medien verbreiteten Gewaltkult: In der Hauptstadt Belgrad gingen | |
Zehntausende zum neunten Mal in Folge auf die Straße, weitere | |
Demonstrationen gab es laut Berichten regierungskritischer Medien in 15 | |
weiteren Städten. | |
Zu den Kundgebungen hatten linke und liberale Oppositionsparteien sowie | |
Bürgerbewegungen aufgerufen. In Belgrad strömten die Demonstranten zum Sitz | |
des Privatsenders Pink TV. Sie warfen diesem von der Regierung | |
kontrollierten Boulevardsender vor, zu Hass und Gewalt anzustacheln. | |
[2][Der Zorn der Bürger richtet sich auch gegen Präsident Aleksandar Vučić] | |
und die Regierung. Ihnen wird vorgeworfen, dieses Gewaltklima nicht | |
verhindert zu haben. | |
## 500.000 Menschen in Waffenbesitz | |
Die zwei Amokläufe hatten Serbiens Gesellschaft tief erschüttert. [3][Am 3. | |
Mai hatte ein erst 13-jähriger Schüler in seiner Schule] im Zentrum von | |
Belgrad neun Mitschüler und einen Wachmann erschossen. Einen Tag später | |
hatte ein junger Mann in einem Dorf bei Belgrad acht Menschen mit | |
Schusswaffen getötet. Die beiden Amokläufe hingen mutmaßlich nicht | |
miteinander zusammen. | |
Kurz nach den Amokläufen hatte ein Psychiatrie-Chefarzt aus dem Städtchen | |
Leskovac in sozialen Medien lächelnd in Uniform mit Pistolen posiert. Zwar | |
wurde er dafür von der Regierung gerügt. Doch bleiben Zweifel, ob nun eine | |
Trendwende im Verhältnis der Serben zu Waffen kommen könnte. In dem Land | |
mit 6,9 Millionen Einwohnern sollen etwa eine halbe Million Menschen | |
mindestens eine Waffe besitzen, schätzte ein Polizeiexperte nach Angaben | |
des Senders Freies Europa. Trotz gesetzlicher Verbote hält sich in Serbien | |
die Tradition, bei freudigen Anlässen, wie etwa Hochzeiten, in die Luft zu | |
schießen. | |
Die vielen Kriege, vom Ersten Weltkrieg bis hin zu den Balkankriegen der | |
1990er Jahre, aber auch ein von Präsident Vučić propagierter Helden-Kult | |
hätten die Waffenliebe der Serben gefördert, heißt es. „Patriarchale | |
Kultur, verantwortungslose Regierung, Geschichtsfälschung, unzureichendes | |
Bildungssystem, kollektive Frustration über verlorene Kriege und die | |
fehlende Auseinandersetzung mit diesem unangenehmen Umstand, die | |
Instrumentalisierung von Traumata – all das sind politische Motive, die zum | |
Phantasma der Macht des Waffenbesitzes beitragen“, hieß es jüngst in einer | |
Analyse des serbischen Portals [4][vreme.com]. | |
2 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Zweiter-Amoklauf-in-Serbien/!5932502 | |
[2] /Menschenrechtlerin-zu-Protest-in-Serbien/!5940502 | |
[3] /Amoklauf-an-Grundschule-in-Belgrad/!5932271 | |
[4] https://www.vreme.com/vesti/vucic-ponovo-brojao-ljude-na-protestu-ponovo-ne… | |
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