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# taz.de -- Die Wahrheit: Brühe, du Elixier des Herrn!
> Zum Auftakt der Wahrheit-Sommerserie „Wahre Wunder“ (1): Eine alles
> andere als fade Ode an die Flüssigkeit aller Flüssigkeiten.
Was hilft gegen Fußpilz und schmeckt nach Hefe? Was ist gekörnt und samtig
zugleich? Was duftet wie Umami und Salz und trübt das Wasser mit goldgelbem
Glanz? Ein Strudel aus Glück im warmen Sud aus Karotten, Zwiebeln und
Glutamat? Nun ist es klar: Brühe, du Wunderelixir!
Einst von Gott erschaffen und aus dem Himmel herniedergeschickt, auf dass
wir uns daran laben. Gemüsebrühe! Schon Jesus wusste, Wasser zu Wein ist
fein, aber Wasser zu Brühe, und das ohne Mühe, es muss ein Wunder sein!
So gab er den Jüngern statt blutigem Wein ein Tässchen Brühe und sagte:
„Trinkt das, und das Himmelreich wird euer sein.“ Und in der Bibel steht
geschrieben: „Du sollst nicht begehren deines nächsten Brühe, so wie auch
er nicht falsch Zeugnis redet wider deine Zutatenliste!“
Doch dies war einst in grauer Vorzeit. Wo steht die Brühe heute in der
digitalisierten Welt? Am Rande! Es ist ein Trauerspiel, die Brühe wird
verkannt. Dabei hat sie nichts von ihrer wundertätigen Wirkung eingebüßt.
Einen gehäuften Teelöffel Instantbrühe vor dem Schlafengehen auf die
geschlossenen Augenlider geben und am nächsten Morgen werdet ihr die Welt
mit ganz anderen Augen sehen. Klar wie Kloßbrühe, Freunde!
Ein Aufguss mit Brühe in der Sauna hingegen belebt Geist und Körper auf
ungeahnte Weise. Inhaliert den würzigen Duft, während euer Leib langsam
durchgart und ihr selbst immer schmackhafter werdet. Wer macht die Blinden
sehen, die Lahmen gehen, die Geschmacklosen zu Königen? Brühe – heilende
Hand des Heilands im braunen Glas mit Schraubverschluss.
Die Brühe aber hat es nicht leicht: In der heutigen schnelllebigen Zeit
wird sie allzu oft mit anderen Flüssigkeiten verwechselt. Plörre oder
Schlonz zum Beispiel, diesen Ausgeburten der Hölle, diesen Tränken des
Satans, gebraut in den schwefligen Schlünden der Unterwelt. Verfallt ihnen
nicht, sondern lobet die Brühe, den flüssigen Odem des Herrn. O Wunder, wir
preisen dich!
Aber verlasst euch nicht nur auf Wunder, auch die Wissenschaft bestätigt:
Nichts ist so erquicklich wie ein Tässchen Brühe. Studien der
Schmacko-Universität im Auftrag von Dr. Oetker haben ergeben: Wer täglich
sechs bis zwölf Tassen Brühe trinkt, lebt länger, glücklicher und
zufriedener. Der Blutdruck sinkt, das Cholesterin verpufft und sogar
Mundgeruch wird effektiv beseitigt. Stattdessen verströmten die Probanden
den ganzen Tag einen würzigen Duft von Hefeextrakt aus ihren Mündern, der
auf das andere Geschlecht sexuell anziehend wirkt.
86 Prozent der Studienteilnehmer hatten dank Brühe mehr Sex als zuvor,
während die Vergleichsgruppe enthaltsam wie die Mönche mit kahlen Häuptern
in den Ecken saß und weinte. Denn: Auch Haarausfall, Osteoporose und
Depression gehören dank Brühe-Therapie der Vergangenheit an. Es ist nicht
zu leugnen, wer Brühe trinkt, ist ein besserer Mensch.
Warum also sitzt die Brühe nicht unumstößlich auf ihrem Thron der
Nahrungsmittel, warum ist sie nicht die ewige Königin im Reich der
Gastronomie? Weil Blender und Neider, Missgünstige und Verleumder sie
schlecht reden. Eine Schmutzkampagne läuft seit Jahren und Jahrzehnten und
diffamiert die Brühe auf das Übelste. Zu viel Salz, zu viel
Geschmacksverstärker, zu viel von allem! Es sind elende Kreaturen, die so
etwas behaupten, niederträchtige Ketzer, die das Göttliche nicht einmal
erkennen könnten, wenn es ihnen auf der Zunge zerginge.
## Die Brühe ist ewiglich
Betreibt ruhig weiter eure dreckigen Ränkeschmieden, ihr werdet niemals
siegen, denn die Brühe ist ewiglich. Möget ihr ersaufen in eurem
gefilterten, keimfreien Wasser ohne Leben, möget ihr farblos und schal
bleiben wie euer kalorienreduzierter Molkedrink! Nie werdet ihr das wahre
Wunder erkennen. Und die Türen des Himmels werden euch abweisen, wenn ihr
einst nach einem tristen Leben grau und kraftlos dahinscheidet, ohne einen
Tropfen Brühe im Leib.
Oder ihr kehret um! Noch ist Zeit, sich zu besinnen. Folget dem Weg der
Brühe, es wird ein goldener sein, gesäumt von Buchstabennudeln und
gefriergetrockneten Kräutern. Was kann sich ein Mensch mehr wünschen, als
seinem Leben Sinn zu geben? Und nie war das so einfach wie heute: Deckel
auf und Löffel rein! Wählet euren Weg weise und lasset euch für immerdar
gesagt sein, die Warnung gilt: Wer die Brühe nicht ehrt, ist der Brühe
nicht wert!
21 Jun 2023
## AUTOREN
Michael Gückel
## TAGS
Geheimnis
Sommerserie
Suppe
Nahrungsmittel
Einsamkeit
Heilpraktiker
Affen
Georgien
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