# taz.de -- Leipzig nach dem „Tag-X“: Nächste Lina-E.-Demo verboten | |
> Leipzig verbietet eine für Sonntagabend geplante Demonstration, die sich | |
> gegen Polizeigewalt richten sollte. Grund seien die Erfahrungen vom | |
> Vortag. | |
Bild: Leipzig nach dem „Tag X“ | |
BERLIN/Leipzig dpa | Nach den Ausschreitungen in Leipzig hat | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser angekündigt, die linksextreme Szene im | |
Blick zu behalten. „Die sinnlose Gewalt von linksextremistischen Chaoten | |
und Randalierern ist durch nichts zu rechtfertigen. Wer Steine, Flaschen | |
und Brandsätze auf Polizisten wirft, muss dafür konsequent zur Rechenschaft | |
gezogen werden“, sagte die Sozialdemokratin in einer Mitteilung vom | |
Sonntag. „Die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern werden die | |
gewaltbereite linksextremistische Szene in den kommenden Tagen und Wochen | |
weiterhin ganz genau im Fokus behalten und konsequent einschreiten, wenn es | |
zu Straf- und Gewalttaten kommt.“ | |
Den verletzten Polizistinnen und Polizisten wünschte Faeser schnelle | |
Genesung. „Ich danke allen Einsatzkräften der Polizei, aber auch der | |
Rettungsdienste herzlich für den schwierigen und gefährlichen Einsatz“, | |
sagte sie. Die sächsische Polizei war von der Bundespolizei und Beamten aus | |
elf Bundesländern unterstützt worden. | |
## Stadt untersagt angemeldete Demo | |
Nach Auseinandersetzungen zwischen Linksradikalen und der Polizei hat die | |
Stadt Leipzig eine für Sonntagabend angemeldete Demonstration verboten. | |
„Grund dafür sind die Erfahrungen von Samstagabend“, sagte ein Sprecher der | |
Stadt auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Bei den Ausschreitungen im | |
Süden Leipzigs waren mehrere Beamte und Demonstrierende verletzt worden. | |
Nach Angaben der Polizei waren knapp 30 Menschen unter anderem wegen des | |
Vorwurfs des schweren Landfriedensbruchs festgenommen worden. | |
Grundlage für das Verbot der Demonstration ist nach Angaben der Stadt eine | |
für Samstag und Sonntag geltende Allgemeinverfügung. [1][Diese verbietet | |
Versammlungen], die Bezug zum Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. | |
nehmen. Die in Leipzig wohnende 28-Jährige und weitere Mitangeklagte wurden | |
am vergangenen Mittwoch in Dresden wegen Gewalttaten verurteilt. | |
Anschließend wurde landesweit [2][zu Solidaritätsdemonstrationen | |
aufgerufen]. Der Schwerpunkt lag in Leipzig. Die für Sonntagabend | |
angekündigte Demo sollte sich gegen Polizeigewalt richten. | |
Die sächsischen Landtagsabgeordneten Juliane Nagel und Marco Böhme (beide | |
Linke) bezeichneten das Verbot als „skandalös“: „Schon gestern wurden | |
Grundrechte außer Kraft gesetzt. Wir appellieren an den Oberbürgermeister | |
und die Polizeiführung, die Stadt Leipzig nicht weiter zur | |
grundrechtsfreien Zone zu machen“, erklärten sie am Sonntag. | |
## SPD-Abgeordneter: Vorgehen der Polizei wirkte eskalierend | |
Die Linksfraktion im sächsischen Landtag will das Vorgehen der Polizei am | |
Samstag bei einer Demonstration in Leipzig zum Thema im Innenausschuss | |
machen. Dazu werde ihre Fraktion am Montag eine Sondersitzung beantragen, | |
teilte die Abgeordnete Kerstin Köditz am Sonntag auf Twitter mit. „Die | |
Hintergründe der Grundrechtsverletzungen, besonders der Kessel, sind | |
aufklärungsbedürftig.“ Das Innenministerium stehe in der Verantwortung. | |
Die Polizei hat nach Ansicht des sächsischen SPD-Innenpolitikers Albrecht | |
Pallas in Leipzig selbst zur Eskalation beigetragen. Der Polizeiführung | |
warf der Landtagsabgeordnete eine „provozierende Herangehensweise“ vor. Die | |
Gewalt einiger Demonstranten sei inakzeptabel, betonte er am Sonntag. Rund | |
1500 Menschen hätten am Samstag aber friedlich ihr Demonstrationsrecht | |
wahrgenommen. | |
Die Polizei sei etwa beim Abdrängen umstehender Menschen mit unnötiger | |
Härte vorgegangen und habe viele Menschen stundenlang eingekesselt. „Es | |
gipfelte im Abriegeln des gesamten Stadtteils Connewitz nach zwei | |
Barrikadenbränden“, betonte Pallas. „Die Massivität der Polizeipräsenz o… | |
dadurch bedingte massive polizeiliche Reaktion auf Kleinigkeiten hatten | |
eine eskalierende Wirkung, was überwiegend Unbeteiligte traf.“ | |
Pallas ist von Beruf Kriminalbeamter und war nach eigenen Angaben in | |
Leipzig als parlamentarischer Beobachter selbst vor Ort. | |
## Polizei: In Leipzig 50 Beamte verletzt | |
Bei den Ausschreitungen von Linksradikalen in Leipzig sind nach Angaben der | |
Polizei etwa 50 Polizisten verletzt worden. Zudem habe es auch Verletzte | |
aufseiten der Demonstranten gegeben, sagte Polizeipräsident René Demmler am | |
Sonntag – die genaue Zahl konnte er aber nicht beziffern. Ermittlungen | |
laufen bei der Polizei etwa wegen schweren Landfriedensbruchs und wegen | |
Angriffen auf Polizisten. Es habe fast 30 Festnahmen gegeben, bei denen nun | |
Haftantrag geprüft werde, teilte Demmler mit. Zudem seien zwischen 40 und | |
50 Personen in Gewahrsam genommen und bis Sonntagmittag wieder entlassen | |
worden. | |
Die Stadtverwaltung und die Polizei verteidigten ihr Vorgehen. „Wir müssen | |
leider erleben, dass auch bei einer friedfertig angekündigten Demonstration | |
sich Gewalttäter darunter mischen, dass sie instrumentalisiert wird und es | |
im Ergebnis dann zu Gewaltausbrüchen kommt“, sagte Oberbürgermeister | |
Burkhard Jung (SPD). Es sei daher richtig gewesen, zwei andere | |
Demonstrationen zuvor zu untersagen. Er dankte der Polizei für ihre Arbeit. | |
So sei es möglich gewesen, trotz der „fürchterlichen Vorkommnisse“ die | |
Stadt lebensfähig zu halten. | |
Polizeipräsident Demmler sprach von „viel sinnloser, extremer Gewalt“. Es | |
sei daher erforderlich gewesen, auch durch Stärke zu deeskalieren. Demmler | |
betonte, dass keine Versammlung aufgelöst wurde. Es sei eine Stunde lang | |
mit dem Versammlungsleiter versucht worden, eine stationäre Kundgebung zu | |
erreichen. Bei der Demonstration unter dem Motto „Die Versammlungsfreiheit | |
gilt auch in Leipzig“ mit rund 1.500 Teilnehmern waren am Samstag nach | |
einem friedlichen Beginn Steine, Flaschen und ein Brandsatz auf Polizisten | |
geworfen worden. Die Polizei kesselte rund 1.000 der Demonstranten ein und | |
sprach von „massiven Ausschreitungen“. | |
## Polizeigewerkschaft: Linksextremismus keine Nebensache | |
Nach den Krawallen in Leipzig hat die rechte Deutsche Polizeigewerkschaft | |
die Politik aufgefordert, Linksextremismus stärker in den Fokus zu nehmen. | |
„So richtig der Kampf gegen Rechtsextremismus ist, darf der | |
Linksextremismus nicht weiter als Nebensache betrachtet werden“, erklärte | |
der Bundesvorsitzende Rainer Wendt am Sonntag. Aus seiner Sicht war das | |
Einsatzkonzept der Polizei in Leipzig erfolgreich und hat Schlimmeres | |
verhindert. „Der Rechtsstaat hat sich trotz tausendfacher Gewalt | |
durchgesetzt.“ | |
Wendt sprach von einer Deeskalation durch Stärke. Das Verbot der geplanten | |
Solidaritätsdemonstration am Samstag sei auch angemessen gewesen. Die | |
Beschwerden aus linken Kreisen seien zynisch und unglaubwürdig, so Wendt. | |
4 Jun 2023 | |
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