# taz.de -- Die Wahrheit: Generation GG | |
> Früher war zwar nicht alles besser, aber weniger kompliziert. Die Boomer | |
> konnten die Grünen erfinden und mussten noch nicht enttäuscht von ihnen | |
> sein. | |
Seit Florian Illies im Jahr 2000 der Megaseller „Generation Golf“ gelang, | |
ist es üblich, dass die Generationen gelabelt werden. Die fast schon nicht | |
mehr aktuelle „Generation Z“ steht bereits jetzt am Ende Gelände, denn bei | |
ihr ist im Alphabet Schluss. Deshalb ist sie auch die „Letzte Generation“. | |
Vorher mutierte sie in der Coronazeit zur „Generation Homeoffice“. | |
Ich gehöre zu den sogenannten Baby-Boomern, das sind die „geburtenstarken | |
Jahrgänge“, deren erste Mitwirkende jetzt in Rente gehen. Wir sollen unsere | |
Arbeitsplätze räumen für Jahrgänge, die an Arbeit nur noch „temporär“ | |
interessiert sind, teils nur noch „marginal“. | |
In meiner Stammkneipe werde ich von der jungen Crew schon um 22 Uhr | |
gefragt, ob es mir was ausmachen würde, wenn das jetzt die letzte Runde | |
sei. Ja, macht mir was aus! Aber ich muss aufpassen, ob ich das sage und | |
wenn, wie ich das sage. Ich muss auch als erfahrener Trinker inzwischen | |
„achtsam“ sein und darf nicht die Gefühle der Servicekräfte verletzen, | |
sonst bekomme ich beim nächsten Mal gar nichts mehr. | |
Was habe ich Glück gehabt, dass in den Kneipen „damals“ so lange gezapft | |
wurde, bis keiner mehr bestellte. Oft genug war ich selbst der Zapfer. Da | |
entsteht heute ein erheblicher Konflikt zwischen der Work-Life-Balance | |
derer vor und derer hinter der Theke. | |
Der „Wert Arbeit“ hat sich geändert. Arbeiten war einmal wichtig, und es | |
war das Paradies, wenn es eine „gute Arbeit“ war. Dann war uns auch der | |
Lohn egal. Wir in der „freien Szene“ organisierten kulturelle und soziale | |
Projekte. Wir sind die Selbstausbeuter, von denen das System Deutschland | |
immens profitiert hat. Wir selbst haben dabei auch viel gewonnen, denn | |
erstens waren wir glücklich, zweitens haben wir uns qualifiziert. Das rächt | |
sich zwar bei der Rente, aber das Wort kannten wir gar nicht, und mit etwas | |
Glück haben wir jemanden mit Festanstellung geheiratet. | |
Es war unsere Work-Life-Balance, dass unser „Work“ unser „Life“ war: | |
selbstorganisiert, selbstbestimmt und schlecht bezahlt. Das war nämlich ein | |
Weg, die Klassengesellschaft zu überwinden. Nebenher durften wir die Grünen | |
erfinden und mussten noch nicht enttäuscht von ihnen sein. | |
Wir hatten das Glück, mit unseren Eltern noch richtig unterschiedlicher | |
Meinung sein zu können. Wir durften aufgeregt Liebe und Sexualität | |
entdecken, wir mussten nicht den Youporn-Kanälen nacheifern. Wir durften | |
unsere Herzensmenschen in der Welt entdecken und erobern und mussten es | |
nicht im Internet. Wir durften Cowboy und Indianer sein und haben später | |
trotzdem gelernt, dass die Eskimos Inuit zu nennen sind. Unsere Sprache bot | |
noch nicht so viele Fallen und Hindernisse, außer in der Orthografie, aber | |
die war unstrittig. | |
Heute ist alles komplizierter als früher. Ich bin also gut gelaunter Teil | |
der „Generation GG“. Was nicht für „Good Game“ oder „Grinsgrins“ s… | |
sondern für „Generation Glück gehabt“. Ich sollte ein Buch schreiben! | |
13 Jun 2023 | |
## AUTOREN | |
Bernd Gieseking | |
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